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Gerede über Selbstverständlichkeiten

Die Diskussion um eine Neuauflage des NPD-Verbotsverfahrens verdrängt die eigentlich wichtigen Themen aus der öffentlichen Debatte. Während Selbstverständlichkeiten diskutiert werden, gerät das Wesentliche aus dem Blick.
 
Ein Kommentar von Ulla Scharfenberg
 
Unter dem Motto „NPD – Verboten gut. Argumente statt Verbote“, versammelten sich am Nachmittag des 22. März rund 35 Neonazis in Berlin, unter ihnen viel Parteiprominenz, zu einer Mahnwache. Am Potsdamer Platz, unweit des Bundesrats-Gebäudes, wurden die Neonazis von rund 100 Gegendemonstranten bereits erwartet.
 
Warum erst jetzt?
 
Zeitgleich hatten sich die Innenminister der Länder zu einer Konferenz versammelt,  um eine Neuauflage des Verbotsverfahrens gegen die rechtsextreme Partei zu diskutieren. Entschieden wurde aber noch nichts, oder: fast nichts. Der politische Wille sei da, bekunden die Innenminister, allerdings wolle man nicht vorschnell handeln und riskieren, erneut zu scheitern.  „Vor zehn Jahren hat das Scheitern dazu geführt, dass die NPD anschließend gestärkt aus diesem Verfahren herausgegangen ist“, erinnert Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU):  „Sie haben mehr Mitglieder bekommen und das ist genau das Gegenteil, was wir wollen.“ Im Interview mit dem NDR kündigte er an, sehr sorgfältig vorgehen zu wollen.
 
Nun sollen erst einmal sechs Monate lang Beweise gesammelt werden, um der NPD die Verfassungsfeindlichkeit nachweisen zu können, erklärt Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich im Anschluss an die interne Sitzung. Kritiker fragen sich vor dem Hintergrund dieser Aussage zu Recht, was die Ermittlungs- und Sicherheitsbehörden all die Jahre getan haben, wenn erst jetzt darüber entschieden wird, mit der Sammlung von Beweismaterial zu beginnen. Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) erklärt: „Es ist bezeichnend, dass das erste Verbotsverfahren lediglich an formalen Hürden, der Anwesenheit von V-Leuten in Führungspositionen der NPD, gescheitert ist und jetzt suggeriert wird, es müssten erst inhaltliche Gründe genau geprüft werden."
 
Staatliche Ablenkungsmanöver
 
Während viele Antifaschistinnen und Antifaschisten das Zögern der Politik als Beweis für deren eigentlichen Unwillen verstehen, ein NPD-Verbot konsequent durchzuziehen, geben andere zu bedenken, dass ein Parteienverbot nicht viel mehr als reine Symbolpolitik bedeute. Einig sind sich die Menschen, die sich den Neonazis, ob nun unter dem Mantel der Partei oder nicht, regelmäßig entgegenstellen, allerdings darin, dass die neu-entflammte Debatte von vielen wichtigen Fragen ablenkt. So wichtig es ist, den Rechtsextremen die staatliche Finanzierung zu entziehen, so unwichtig erscheint doch das aktuelle Gerede: Vor dem Hintergrund des alltäglichen Rassismus, der täglichen Gewalt und der strukturellen Ausgrenzung unzähliger Menschen in der Bundesrepublik, ist es geradezu zynisch, den Blick allein auf den rechten Rand zu richten.
 
Nach der Selbstenttarnung der Zwickauer Nazi-Zelle kämpften Bundesregierung und Innenminister fieberhaft um die Deutungshoheit der öffentlichen Debatte. Die lauter werdende Kritik am staatlichen Umgang mit dem Rechtsextremismus auf der einen Seite und den Anti-Rechts-Initiativen auf der anderen Seite wurde mit dem Öffnen des Fasses „NPD-Verbot“ erfolgreich von der Tagesordnung  verdrängt. Über den alltäglichen Rassismus der Mehrheitsgesellschaft sprechen die politisch Verantwortlichen  ebenso wenig, wie über rassistische Einstellungen innerhalb von Polizei und Sicherheitsbehörden. Der skandalöse Versuch des Innenministeriums, eine Studie über junge Muslime in Deutschland zu instrumentalisieren und die Debatte wieder auf das „eigentliche Problem“ – die angeblichen „Integrationsverweigerer“ zu lenken, scheiterte glücklicherweise am breiten öffentlichen Widerspruch.
 
Die Zivilgesellschaft aus der Abhängigkeit befreien!
 
Natürlich ist es unerträglich, dass es diese Republik den Neonazis erlaubt, ihr menschenfeindliches „Hobby“ zum Beruf zu machen, dass die NPD Millionen aus den öffentlichen Kassen erhält, um ihre Hetze zu finanzieren. Es muss zum demokratischen Selbstverständnis gehören, Volksverhetzung und Gewalt zu ächten und von der staatlichen Förderung auszuschließen. Dafür bedarf es – nebenbei erwähnt – nicht nur einem NPD-Verbot, auch die staatliche Subvention von Neonazis, als sogenannte V-Leute, muss umgehend beendet werden.
 
Diese Selbstverständlichkeiten, sollten allerdings als genau diese auch in der Debatte funktionieren. Die Diskussion des NPD-Verbots muss der Diskussion über die Stärkung  zivilgesellschaftlichen Engagements weichen. Ob Extremismusklausel oder Bundesinformations- und Kompetenzzentrum (BIK), die repressiven Maßnahmen des Familienministeriums dienen allein der Abhängig-Machung und staatlichen Kontrolle des Engagements. Zivilgesellschaft wird und kann jedoch nie in staatlicher Abhängigkeit funktionieren. Das ist nicht allein durch den Begriff selbst ausgeschlossen.

 

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Die Mahnwache der NPD für sich selbst am Potsdamer Platz, Foto: MUT, c