Das Portal
für Engagement
Ein Projekt des Magazins stern und der Amadeu Antonio Stiftung
Ein „entschlossenes Zeichen gegen Rechtsextremismus“ wollten sie setzen. Stattdessen demonstrierten Kristina Schröder und Hans-Peter Friedrich ihre fachliche Unkenntnis und lobten die eigene Symbolpolitik.
Ein Kommentar von Ulla Scharfenberg
„Vor dem Hintergrund der bisherigen Erkenntnisse im Zusammenhang mit der rechtsextremistischen Mordserie“ luden Bundesinnen- und Familienministerium am Dienstag zu einem „Spitzentreffen gegen Rechtsextremismus“. Zweieinhalb Stunden lang stellten Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Organisationen ihre Arbeit gegen Rechtsextremismus vor, in der anschließenden Pressekonferenz erklärte Hans-Peter Friedrich dann: „Nur wenn wir uns alle zusammen aktiv für unsere Demokratie und für Toleranz starkmachen, können wir den Rechtsextremismus aus unserer Gesellschaft verbannen.“
Noch ein Zentrum
Konkret bedeutet dieses „Starkmachen“ zunächst einmal die Einrichtung eines „Informations- und Kompetenzzentrums gegen Rechtsextremismus“, das Kristina Schröder nun ins Leben rufen will. Was das genau sein soll erklärte die Ministerin allerdings nicht. Es gehe um „Transfer“, „Qualität“, um „Modellprojekte“. Aha. Bereits bestehenden Bundeseinrichtungen, wie beispielsweise dem Bündnis für Demokratie und Toleranz, dem Forum gegen Rassismus des Bundesinnen- und Justizministeriums oder der Bundeszentrale für politische Bildung, soll also zukünftig ein weiteres Zentrum zur Seite gestellt werden. Letzterer, der BpB, kürzte die schwarz-gelbe Koalition übrigens unlängst die Fördermittel um 3,5 Millionen Euro.
Zivilgesellschaftliche Initiativen, die seit Jahren gegen Rechtsextremismus und für ein demokratisches, solidarisches Miteinander kämpfen, zeigen sich von den Plänen der Ministerin unbeeindruckt. Es bedürfe keiner zusätzlichen staatlichen Koordinierungsstelle, vielmehr müsse die Arbeit der existierenden Projekte besser unterstützt werden, finanziell natürlich aber auch inhaltlich.
"In die völlig falsche Richtung"
Engagement gegen Rechtsextremismus scheint der Ministerin jedoch zu allererst verdächtig zu sein. Um Fördergelder ihres Ministeriums erhalten zu können, müssen Initiativen erklären, auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung zu stehen und dies auch für alle ihre Partner/innen überprüfen. „Bekenntniszwang“ nennen das einige, andere sprechen von einer „Kultur des Verdachts“. Julia Böhnke, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Bundesjugendrings, erklärt: „Wir haben in dem Gespräch heute noch einmal deutlich gemacht, dass die Extremismusklausel uns in unserem Kampf gegen Rechts behindert“. Sie ist sich sicher: „Familienministerin Schröders Politik läuft hier völlig in die falsche Richtung“. Es überrascht wenig, dass bei der heutigen Pressekonferenz auch die Frage nach Schröders „Demokratieerklärung“ gestellt wurde. Statt der zuständigen Ministerin antwortet diesmal Hans-Peter Friedrich: man wolle Rechtsextremismus nicht mit Linksextremismus bekämpfen.
Sönke Rix, Sprecher der SPD-AG Strategien gegen Rechtsextremismus macht nach der Veranstaltung seinem Ärger Luft: „Es wird deutlich, dass sich die Ministerin bisher nicht für die Arbeit gegen Rechtsextremismus interessiert hat. Sonst würde sie nicht erst jetzt zu einem Runden Tisch einladen. Große Signale bleiben allerdings aus. Ihre Forderung, die verschiedenen Initiativen und gesellschaftlichen Gruppen sollten sich besser vernetzen, ist Zeugnis ihrer Unkenntnis von der Arbeit gegen Rechtsextremismus vor Ort.“
Menschenfeindliche Einstellungen bekämpfen!
Bundesinnenminister Friedrich erklärte der versammelten Presse, die Zahl der Rechtsextremisten sei in Deutschland insgesamt zurückgegangen, es sei jedoch eine Zunahme neonazistischer Gewaltbereitschaft spürbar. Über rassistische, antisemitische und generell menschenfeindliche Einstellungen über den „rechten Rand“ hinaus, wurde heute nicht gesprochen. Schade.
Was also tun? Zu allererst muss die Bekämpfung des Rechtsextremismus als Gemeinschaftsaufgabe verstanden werden. Neben der lückenlosen Aufklärung der Mordserie, muss auch die Rolle der Sicherheitsbehörden grundsätzlich überdacht werden. „Das Versagen der Behörden muss gründlich und transparent untersucht werden, vor allem auch um eine Wiederholung zu vermeiden“, fordert Anetta Kahane, Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung. Neben der Überprüfung und Neugestaltung sicherheitspolitischer Maßnahmen sind es vor allem die menschenfeindlichen Einstellungen, die in ihrem Kern bekämpft werden müssen. Zudem gilt es ein tolerantes und solidarisches Miteinander zu fördern.