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Nach den NSU Morden: Noch immer viel Unklarheit in der Politik

Elf Wochen sind seit der Aufdeckung der Mordserie des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ vergangen. Für viele PolitikerInnen war es ein Schock, und auch Initiativen, die sich seit Jahren gegen Rechtsextremismus engagieren, waren von diesem Ausmaß organisierter Gewalt überrascht. Am 24. Januar wird ein Gipfeltreffen in Berlin stattfinden, um eine bessere Zusammenarbeit von Staat und Zivilgesellschaft zu diskutieren.
 
Von Fabian Sieber

Am Tisch werden VertreterInnen von insgesamt 20 Organisationen sitzen, um über eine bessere Zusammenarbeit von Staat und Zivilgesellschaft beim Engagement gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus zu sprechen. Eingeladen wurden neben dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), verschiedenen religiösen Vereinigungen, der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) und dem Deutsche Fußballbund (DFB), auch drei Initiativen aus der Zivilgesellschaft, die Amadeu Antonio Stiftung, das Anne-Frank-Zentrum sowie "Gegen Vergessen - Für Demokratie". Ob das Treffen wirklich neue Ergebnisse hervorbringen wird, ist allerdings fraglich. Zweieinhalb Stunden Konferenz dürften wohl gerade zum Darstellen der einzelnen Standpunkte ausreichen.

Familienministerin Kristina Schröder hatte in der FAZ angekündigt, ein „bundesweites Informations- und Kompetenzzentrum gegen Rechtsextremismus“ aufzubauen - eine weitere Einrichtung auf Bundesebene also, neben den bereits bestehenden, dem Bündnis für Demokratie und Toleranz, dem Forum gegen Rassismus des Bundesinnen- und Justizministeriums, der Bundeszentrale für politische Bildung und dem Bundesamt für Zivilgesellschaftliche Aufgaben. Gleichzeitig lehnt sie es weiterhin ab, die von ihr ins Leben gerufene Demokratieerklärung, besser bekannt als Extremismusklausel, abzuschaffen. Gegen die Klausel hat der Pirnaer Verein „AkuBiZ“ bereits Klage beim Leipziger Verwaltungsgericht eingelegt. Vielleicht übernimmt das Gericht die Aufgabe, die in diversen Gutachten als nicht verfassungskonform eingeschätzte Klausel abzuschaffen. Frau Dr. Schröder sagte zur Verteidigung ihrer Klausel: „Ich will Rechtsextremisten nicht mit Linksextremisten bekämpfen.“

Vorenthaltung von Informationen: Aufarbeitung schwierig

Am Dienstag, den 18. Januar, beschloss der Bundestag einen Untersuchungsausschuss zu bilden, um zur Aufklärung der NSU-Mordserie beizutragen. Designierter Leiter ist der ehemalige Vorsitzende des Innenausschuss, Sebastian Edathy (SPD). Die Aufarbeitung der Verfehlungen von Sicherheitsbehörden und Politik läuft bislang trotzdem nur sehr schleppend. Das liegt unter anderem daran, dass die verschiedenen Ermittlungsbehörden jede Aussage verweigern. So wollen der Bundeskriminalamtschef Jörg Ziercke und der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz Heinz Heinz Fromm vor dem Untersuchungsausschuss nur „allgemeine Einschätzungen und Bewertungen“ abgeben. Dies widerspricht explizit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes von 2009, welches besagt, dass „das Parlament und seine Organe nicht als Außenstehende behandelt werden können, die zum Kreis derer gehören, vor denen Informationen zum Schutz des Staatswohls geheim zu halten sind“.

Auch im Innenausschuss verweigerte der Verfassungsschutz die Herausgabe von Informationen aus den Ländern. Als Begründung wurde gesagt, dass generell keine Informationen der einzelnen Bundesländer herausgegeben werden. Hierzu der Vorsitzende des Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU): „Es hieß, es gebe eine Verabredung mit den Ländern, diese Informationen nicht an uns weiterzugeben.“ Der Innenausschuss des Bundestages forderte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) auf, Fromm zur Auskunft über die aktuellen Erkenntnisse anzuweisen.

Die Sicherheitsbehörden der Landesebene verhalten sich nicht wesentlich kooperativer. So wurden LKA-MitarbeiterInnen in den Innenausschuss des Thüringer Landtages geladen, um Auskünfte über die Sicherheitsbehörden und den NSU zu geben. Nicht ein/e einzige/r Mitarbeiter/in ist erschienen. Auch der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) kündigte an, seine Akten nicht an den Bundes-Untersuchungsausschuss oder den Innenausschuss abzugeben. Der Ausschuss kann so seine Arbeit nicht durchführen, erklärt Bosbach weiter: „Der Innenausschuss muss der Kontrollpflicht nachkommen - und dazu gehören das Nachfragen und das Aufklären.“

Auf Länderebene dasselbe Problem

Aber auch um die Ermittlungen auf Länderebene steht es nicht besser. In Thüringen hielt der CDU-Innenminister Jörg Geibert Informationen im Innenausschuss des Landtages zurück, mit der Begründung, der Generalbundestaatsanwalt Harald Range wolle dies so. In Bayern, dem Bundesland, in dem die meisten Morde des NSU stattfanden, ist ein politisches Vorgehen noch immer nicht klar. Der Innenausschuss des Landtages hat hier Anfang Dezember einen Beschluss gefasst, woraufhin das Innenministerium einen Bericht über die Versäumnisse der Sicherheitsbehörden bei den NSU-Morden vorlegen soll. Dieser Bericht ist bis heute nicht gekommen, da der Generalbundesanwalt darum gebeten hat, ihn noch nicht an den Ausschuss weiterzugeben, da alle Berichte über seine Behörde laufen sollen. „Über ein weiteres Vorgehen, etwa die Notwendigkeit eines Untersuchungsausschusses in Bayern, können wir erst bei Vorliegen des Berichtes entscheiden“, so die Pressesprecherin der Grünen-Landtagsfraktion Simone Paulmichl. Laut Auskunft des bayrischen Innenministeriums soll der Bericht nun am 28. März vorgestellt werden.

In Sachsen wird sich in der nächsten Woche oder im nächsten Monat entscheiden, in welcher Form auf parlamentarischer Ebene weiter ermittelt wird. Die Opposition ist hier gespalten, während die Linke den „Sachsensumpf“-Ausschuss erweitern möchte, plädieren die Grünen und die SPD eher für einen neuen Untersuchungsausschuss. CDU und FDP sind noch unentschlossen. Der „Sachsensumpf“-Ausschuss ist ein Ausschuss unter dem Vorsitz der Linken, welcher eigentlich der Korruptionsbekämpfung dient.
 

In diesem Haus in Zwickau lebten das Terrortrio des "NSU", Foto: André Karwath aka Aka via wikipedia, cc