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Ein Projekt des Magazins stern und der Amadeu Antonio Stiftung
Schon oft wurde ein Verbot der NPD gefordert. Einmal gleich nach ihrer Gründung in den 60er Jahren. Oder von 2001 bis 2003 als das Verfahren aufgrund der vielen V-Männer scheiterte. Nun hat die Verbotsforderung wieder einmal Konjunktur. Doch was bringt ein Verbot?
Von Fabian Sieber
Nun geht erneut, nachdem die Zwickauer Zelle bekannt geworden ist, die Forderung nach dem NPD-Verbot durch die Republik. Politikerinnen und Politiker von allen Parteien sind nun in dem Wunsch vereint, diese Partei endlich zu verbieten. Sicherlich ist die NPD Finanzierungsquelle und administratives Organ der Neonazis in Deutschland. Als legaler, parlamentarischer Arm einer menschenverachtenden Ideologie versucht sie, rassistische Ressentiments wieder gesellschaftsfähig zu machen, manchmal leider mit Erfolg. Gerade die Wahl Holger Apfels zum neuen Vorsitzenden der Partei zeigt, dass die NPD nicht einmal daran denkt, sich von Hardliner-Kreisen zu distanzieren. Steht dieser doch zusammen mit Voigt für die strategische Neuausrichtung der Partei hin zu den Freien Kräften, denen die NPD bis dahin zu „liberal“ war. Apfel wirkt inzwischen zwar liberaler, dass aber nur nach außen hin. Er ist und bleibt ein Neonazi, der die Strategie von Voigt nur leicht abwandelt, nicht mehr so offen zusammen mit den Freien Kräften agiert, wie sein Vorgänger.
Irgendetwas tun
Jedoch ist die erneute Forderung nach einem NPD-Verbot nicht mehr als ein hilfloser Versuch, irgendetwas zu tun. Doch durch ein Verbot werden die Mitglieder auch nicht von heute auf morgen zu Demokratinnen und Deomkraten. „In Deutschland denken wir immer, wenn wir etwas verbieten, dann gibt es das nicht mehr“, sagt auch Anetta Kahane von der Amadeu Antonio Stiftung gegenüber der ARD. Manche Neonazis werden vielleicht abgeschreckt, aber der Großteil wird in anderen Netzwerken und Vereinen weiter machen. Ein Verbot der NPD würde an der Gewaltbereitschaft, wie wir sie jetzt bei der NSU gesehen haben, nichts ändern. Auch wenn das letzte Parteiverbot erfolgreich gewesen wäre, die Täterinnen und Täter hätten trotzdem gemordet, waren sie doch schon seit den Neunzigern untergetaucht. Mit Parteiverboten kann man nicht gegen Terrorismus gewinnen.
Die Probleme liegen an anderen Stellen
Das letzte Verfahren gegen die NPD ist schon wegen den V-Leuten gescheitert, damals als „V-Mann-Affäre" bezeichnet. Ein erneutes Verfahren würde wieder daran scheitern, denn damals wie heute weigern sich die Verfassungsschutzämter, die zentrale Forderung des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen: Abziehen bzw. Offenlegen sämtlicher V-Leute, damit das Gericht beurteilen kann, was aus der NPD kommt und was von V-Leuten. Sicherlich stellt sich generell die Frage der Sinnhaftigkeit der V-Leute. Schließlich war der Kameradschaftsführer Tino Brandt, Kopf des „Thüringer Heimatschutzes“, in dem auch die Mitglieder der NSU verkehrten, ein V-Mann. Es stellt sich generell die Frage, ob die V-Leute wirklich alle Informationen herausgeben, die wichtig sind. Oder ob sie nicht nur, ein paar herausgeben, um das Vertrauen und das Geld des Verfassungsschutzes zu erlangen. Dieses Geld kann dann wieder in die verschiedenen Gruppen reinvestiert werden.
Ein Verbotsverfahren bedarf einer langen Prüfung, ist also nicht nach zwei Monaten zu Ende, sondern wahrscheinlich eher nach zwei bis drei Jahren. Zusätzlich wird die NPD, wie beim letzten Verfahren eine Verzögerungstaktik anwenden. Das heißt, sie wird jeden Anlass nutzen, um das Verfahren zu verlangsamen. Somit sinkt mit der Zeit die öffentliche Aufmerksamkeit, damit erhofft die sich Partei eine Entschärfung des Verfahrens. Damit würde das deutsche Sammelbecken für Neonazis über drei Jahre durch Abzug der V-Männer (und -Frauen!) jeglicher staatlicher Kontrolle entzogen werden. Das ist eigentlich mit einem Sechser im Lotto für die NPD zu vergleichen.
Mit dem Auftauchen des hessischen Verfassungsschützers, der mindestens bei einem der Morde Zeuge war, es aber nicht für nötig hielt, sich bei der Polizei zu melden und nach Aussage des SPD-Fraktionsgeschäftsführers Oppermann eine „stark rechte Gesinnung“ habe, wird einem doch ganz flau im Magen. „Immer mehr Menschen fragen sich, wer denn die Verfassung vor einem Verfassungsschutz schützt, der mit Akribie und Eifer kritische Demokraten observiert, aber gewalttätige Neonazis in Ruhe lässt oder als V-Leute beschäftigt“, schreibt auch Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung.
Fraglich ist auch, wie ein NPD-Verbot es wiedergutmachen kann, was die ermittelnden Behörden über die Jahre versäumt haben. Die rassistische Mordserie wurde unter „Bandenkriminalität“ verbucht. Die ermittelnde Kommission hieß „Bosporus“, die Morde werden gemeinhin als „Döner-Morde“ bezeichnet. Zur Recht sagte Anetta Kahane gegenüber der ARD: „Das ist ganz furchtbar und geht gar nicht. Das sind stereotype rassistische Klassifikationen. Die Familien der Opfer – wie verletzt müssen die sein?“ So ist nun zumindest die Einladung von Bundespräsident Christian Wulff an die Angehörigen der Opfer ein erster Schritt.
Was bringt also ein NPD-Verbot? „Sicher wäre die damit verbundene öffentliche Ächtung der Gruppierung und des ideologischen Gerüstes wünschenswert“, so Anetta Kahane. „Ich habe nur Angst, dass die politische und ideologische Auseinandersetzung dann wegfällt.“ Und hier liegt das eigentliche Problem: Wer denkt, mit einem NPD-Verbot hätte sich das Thema Neonazis erledigt, sollte endlich die Augen aufmachen. Die Auseinandersetzung mit Neonazis kann kein rein polizeiliches Problem sein. Vor allem darf ein Verbot kein Alibi für Versäumnisse des Staates werden.