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Alle Jahre wieder

In Dresden stellen sich auch in diesem Jahr wieder die gleichen Fragen: Dürfen Neonazis die Bombardierung der Stadt 1945 für ihre Zwecke instrumentalisieren? Ist Geschichtsrevisionismus legitim? Dürfen Politik und Polizei das angebliche Recht der Neonazis mit Gewalt durchsetzen? Und ist Widerstand dagegen kriminell oder notwendig?

Von Ulla Scharfenberg

In den vergangenen Jahren gelang es zehntausenden Antifaschisten und Antifaschistinnen, den rechtsextremen Aufmarsch erfolgreich zu blockieren. Mehrere Tausend Neonazis mussten stundenlang in eisiger Kälte vor den Toren des Neustädter Bahnhofs ausharren und konnten keinen Meter marschieren. Ein Sieg der Demokratie, der bundesweit seinesgleichen sucht. Sogar im benachbarten Ausland nehmen sich Antifaschisten die Dresdner Blockade zum Vorbild, beispielsweise in Warschau im November 2010, als die jährliche Neonazi-Demonstration aufgrund von Massenblockaden erstmals umgeleitet werden musste und nicht durch die Innenstadt ziehen konnte.

Den Nazis nicht die Stadt überlassen!

Dass die friedlichen Blockaden ihre Wirkung nicht verfehlen, wird auch in Vorfeld des diesjährigen Jahrestags der Bombardierung Dresdens deutlich. Während in den Vorjahren rechtsextreme Gruppen massenhaft mobilisierten, ist es bis heute vergleichsweise ruhig geblieben. Die Großdemonstration am Samstag, den 18. Februar könnte erstmals gänzlich entfallen. Sowohl die NPD als auch die „Junge Landsmannschaft Ostdeutschland“ (JLO) rufen ihre Anhänger „nur“ zu einem Gedenkmarsch am Montagabend, am 13. Februar, auf. Das Bündnis „Dresden Nazifrei“ fordert dennoch alle Demokraten dazu auf, am 18. Februar nach Dresden zu kommen: „Auch wenn ein Großaufmarsch immer unwahrscheinlicher scheint, werden wir für den 18. Februar weiterhin zu Massenblockaden mobilisieren. Für uns ist klar, dass wir jeden Aufmarsch verhindern wollen, egal ob 6.000 oder 600 Nazis versuchen durch Dresden zu marschieren.“

Damit der 13. Februar nicht zu einem Triumphtag der Neonazis wird, ist es entscheidend, dass die Stadt an diesem Abend nicht den Rechtsextremen überlassen wird. Mit einem Fackelmarsch soll den „deutschen Opfern“ gedacht werden, die Neonazis hoffen auf eine große Teilnehmerzahl und wenig Widerstand. „Nachdem die NPD ab 2005 mehrere Tausend TeilnehmerInnen zum ‚Gedenkmarsch‘ versammeln konnte, ist die diesjährige Absage der JLO für die Veranstaltung  ein wichtiger Erfolg für die inzwischen bundesweit vernetzte Antinazibewegung“, erklärt Danilo Starosta vom Kulturbüro Sachsen. Entwarnung kann es deshalb jedoch noch lange nicht geben: „Der 18. Februar ist dieses Jahr am 13. Februar. Gegner zur Verhinderung der Naziaufmärsche braucht es in diesem Jahr vor allem auch am historisch stilisierten Datum selbst.“

Wer gefährdet hier eigentlich wen?

Nur sind es nicht allein die Neonazis, die die Demokratie in Dresden gefährden. Im letzten Jahr sammelte die sächsische Polizei Handyverbindungs- und Standortdaten der rund 17.000 Gegendemonstranten, nach Presseberichten 138.000 Datensätze. Diese sogenannte Funkzellenabfrage war nicht legal, sie ist nur in Ausnahmefällen zulässig, nur dann, wenn sie zur Verfolgung von Straftaten von erheblicher Bedeutung erforderlich ist. Dass friedliche BlockiererInnen, die allenfalls gegen das Versammlungsrecht verstoßen haben, in dieser Weise bespitzelt wurden, löste 2011 große Empörung aus. 2012 kündigte Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) die Handyüberwachung erneut an. Man werde nicht auf die „notwendigen Mittel verzichten“ sagte Ulbig der Sächsischen Zeitung, die Blockaden seien „rechtswidrig“ und die „Gewaltexzesse“ der Nazigegner erforderten hartes Durchgreifen.

Danilo Starosta bedauert „den konfrontativen, restriktiven Umgang der Polizei mit den Gegnern des Naziaufmarsches. Wir wünschen uns eine klare Haltung der Anmelde- und Strafverfolgungsbehörden, abseits von Einschüchterung und Kriminalisierung von Protestformen gegen die Naziaufmärsche in Dresden.“

Auch Dresdens neuer Polizeichef, Dieter Kroll, erweist sich als echter Hardliner.  Gegen die DemonstrantInnen will er den gesamten „Instrumentenkasten“ einsetzen, dazu zähle nicht nur „einfache körperliche Gewalt“, sondern auch Wasserwerfer und Räumpanzer. Nach Krolls Auffassung darf niemand das Versammlungsrecht der Neonazis einschränken. Johannes Lichdi, Landtagsabgeordneter der Grünen, befürchtet „dass das Einsatzkonzept darauf ausgerichtet wird, friedliche Platzbesetzungen mit martialischer Gewalt zu räumen“. Danilo Starosta sieht in solchen Aussagen seitens der Polizei eine besondere Gefahr:  „Die Ankündigung des unbedingten Durchsetzens der Nazidemonstrationen trägt sicher dazu bei,  dass der 2012 von den 'Freien Kräften' organisierte 'Gedenkmarsch' wohl zusätzliche Nazis aus dem gesamten Bundesgebiet anzieht.“  Die Polizei als Mobilisierungshelfer der Neonazis? Danilo Starosta befürchtet „Wir müssen auch  in diesem Jahr mit mehr als 2000 rechtsextremen Teilnehmern rechnen“.

Neonazigegner werden kriminalisiert

Die Kriminalisierung der Nazigegner nimmt in Sachsen immer groteskere Züge an. Beispiel 1: Lothar König. Nachdem er sich an den Protesten gegen den Naziaufmarsch im Februar 2011 beteiligt hatte, durchsuchte am 10. August eine sächsische Polizeieinheit die Diensträume des Jugendpfarrers aus Jena, unter anderem auch die Amtsstube des Seelsorgers. Verschiedene Gegenstände, wie der Personalcomputer,  wurden beschlagnahmt, so auch der Dienstwagen der „Jungen Gemeinde“, der auf Demonstrationen als Lautsprecherwagen und Anlaufstelle genutzt wird. Dem Geistlichen wird Anstiftung zum Landfriedensbruch vorgeworfen.

Beispiel 2: André Hahn. Weil er sich an den Blockaden des Naziaufmarschs 2010 beteiligt hatte, wird dem Fraktionsvorsitzenden der sächsischen LINKEN „Störung von Aufzügen gemäß § 21 Versammlungsgesetz, § 25 StGB“ vorgeworfen. Er habe die Neonazi-Demo „vereitelt“. Was sich für jeden Antifaschisten wie ein Ritterschlag anfühlen dürfte, bedeutet für André Hahn einen Strafbefehl über 3000 Euro. Der eigentliche Skandal: Die Staatsanwaltschaft beantragte beim sächsischen Landtag die Aufhebung der Immunität Hahns, der mit den Stimmen von CDU, FDP und NPD stattgegeben wurde. Im Kampf gegen Nazigegner schreckt die sächsische Regierungskoalition nicht einmal davor zurück, gemeinsame Sache mit der NPD zu machen.

Proteste sind notwendig!

Wir Demokratinnen und Demokraten lassen unseren legitimen Protest gegen die Neonazis nicht kriminalisieren. Geschichtsverfälschung und Menschenverachtung sind nicht durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Der Widerstand gegen Neonazis ist notwendig und nicht kriminell. Nicht erst vor dem Hintergrund der Taten der Zwickauer Zelle sollte das auch Sachsens Polizei, Justiz und Landesregierung klar sein.

Es ist notwendig, sich an den friedlichen Protesten gegen den Neonazi-Aufmarsch am 13. Februar zu beteiligen sowie am 18. Februar massenhaft zu zeigen, dass sich der demokratische Widerstand gegen Rechtsextremismus nicht einschüchtern lässt.

Über den Ursprung und Wandel des "Mythos Dresden" sprach netz-gegen-nazis.de mit Henning Fischer, dem Autor des Buches „'Erinnerung' an und für Deutschland. Dresden und der 13. Februar 1945 im Gedächtnis der Berliner Republik“. Das Interview gibt’s hier.
 

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Jedes Jahr am 13. Februar marschieren Neonazis in Dresden auf, Foto: Kulturbüro Sachsen