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Seit Montag den 8. März wird in Hannover unter dem Titel „Der Bock“, eine Nazischülerzeitung verteilt. Laut einer Pressemitteilung erscheint das Pamphlet in einer Auflage von 20.000 Stück. Die Urheber des „Bocks“ sind Autonome Nationalisten. Die Junge Presse Niedersachsen, ein Verband junger Medienmacherinnen und Medienmacher, hat nun eine Gegeninitiative ergriffen.
„Es ist für uns unerträglich, das Nazis sich den Begriff ‚Schülerzeitung’ für ihre Propaganda aneignen“, sagt ein Vertreter der Jungepresse Niedersachsen (JPN), ein Verband, der auch Schülerzeitungsmacherinnen und -macher vertritt. Unter dem Titel „Der Bock“ diffamiert eine Zeitung, gemacht von Autonomen Nationalisten, Menschen mit Migrationshintergrund. Verbunden ist „Der Bock“ mit der Webseite „besseres-hannover.info“, auf der zur Einreihung in den u.a. „nationalen Widerstand“ aufgerufen wird. Zeilen wie „Ausländerintegration heißt bei uns Rückführung und ein mit Schoko überzogenes Schaumgebäck bleibt ein ‚Negerkuss’.“ sagen viel über die Gesinnung der Autorinnen und Autoren. „Uns ist die westliche Freiheit scheissegal [sic!] und wir besinnen uns auf unsere eigene, die deutsche Freiheit“, kann man im „Bock“ lesen. Laut der „Kameradschaft 73“ aus Celle, sollen bereits 4.000 Exemplare der Nazizeitung verteilt worden sein.
„Der Bock“ sucht den Sündenbock
Die Schreiber des Pamphletes versuchen populäre Themen aufzugreifen: In einer fiktiven Schulstunde wird Kritik daran geübt, dass Wahlen nur alle vier Jahre stattfinden und in wichtigen Fragen über die Köpfe der Menschen hinweg entschieden werden. An anderer Stelle wird gegen Hartz IV polemisiert, weil das Arbeitslosengeld II kaum zum Leben reicht. Genauso wird gegen die Kriege in Irak und Afghanistan sowie gegen staatliche Überwachung gewettert. Auf den ersten Blick könnte man fast meinen, ein linkes Flugblatt in der Hand zu halten, wären da nicht immer wieder Hasstiraden gegen Migrantinnen und Migranten. Diese Masche der Nazis, linke Argumente und Inhalte oberflächlich aufzugreifen, ist nicht neu. Antisemitische Verschwörungstheorien über die kapitalistische „Blutsauger“ gibt es schon lange. Mit Symbolen, Melodien, aber auch mit diffusem Antikapitalismus, gelang es oft politischen Boden gewinnen. Diese „Kritik“ ist auch in der jüngsten Hannoveraner Nazizeitung auffällig. Es bleibt im Dunkeln, wer denn jetzt eigentlich verantwortlich sein soll für Krieg, Verarmung usw., wer „das System“ eigentlich ist, was sich hinter „Liberalismus“ und „westlicher Wertegemeinschaft“ verbirgt, die Nazis als Gegner ausgemacht haben. Und das ist gewollt: Nazis stellen sich zwar als konsequente Vertreterinnen und Vertreter von Jugendlichen dar, die beispielsweise arbeitslos sind oder keine Ausbildungsstelle finden. Geht es aber darum, die Verursacher von Arbeitslosigkeit, Bildungsabbau und Überwachungsmaßnahmen zu benennen, hält „der Ausländer“ her. Migrantinnen und Migranten sind in der Zeitung der Sündenbock für alles und jeden.
Gegeninitiative „Null Bock auf den Bock“
Deshalb hat die JPN nun eine Gegeninitiative ergriffen. Ein Flugblatt mit dem Titel „Null Bock auf den Bock“ wurde seit Dienstag, 16. März an denselben Stellen wie die Nazischrift verteilt. Das Flugblatt setzt sich mit dem rechtsradikalen und rassistischen Inhalten des „Bocks“ auseinander und versucht die Ideologie, die hinter dem „Bock“ steckt zu entlarven. Des Weiteren hat der Verband Anzeige erstattet. Ob der „Bock“ wegen Volksverhetzung belangt werden kann, ist eher fraglich, da die Formulierungen ähnlich wie bei der NPD-Schulhof CD vermutlich anwaltlich geprüft sind. Eine Einstufung als „Jugendgefährdendes Medium“ ist aber denkbar, so könnte ein weiteres Verteilen der Propagandaschrift unterbunden werden.
Aktive Auseinandersetzung auch im Unterricht
Das Flugblatt „Null Bock auf den Bock“ stieß an den Schulen überwiegend auf positive Resonanz, leider war die Reaktion einiger Schulen auch distanziert bis ablehnend. Während es bei der Nazischrift ganze vier Tage dauerte bis die erste Anzeige einer Schule vorlag, erhielt die JPN schon nach zwei Stunden ihrer Verteilaktion einen Anruf von der Polizei. Leider scheint „Wegschauen und Totschweigen“ sogar an Schulen, die das Label „Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage“ tragen zur gängigen Praxis zu gehören. Eine Schulleiterin sagte: „Bei uns wurde der Bock sofort eingesammelt, unsere Schüler haben davon gar nichts mitbekommen und wir möchten auch nicht dass sie sich damit beschäftigen…“ Da der Bock aber vor allem auch an U-Bahnhöfen verteilt wurde, ist keinesfalls sichergestellt, dass die Schülerinnen und Schüler das Pamphlet nicht erhalten haben. Für die JPN kann „Wegschauen“ keine Alternative sein: „wir sind enttäuscht darüber, dass einige Schulen das Problem einfach totschweigen!“ sagte ein Aktiver der JPN. „Frei nach dem Grundsatz: ‚Kein-Blatt-Papier-breit den Faschisten’ fordern wir dazu auf, sich den Nazis entschieden entgegenzustellen“. Ein Teil des Faltblattes trägt den Titel „Was Du tun kannst“. „Wir möchten dass sich die Schüler aktiv im Unterricht mit dem Thema auseinandersetzten, nur so kann sichergestellt werden, dass mit der rechtsradikalen Propaganda aufgeräumt wird“, so Daniel Richter von der JPN.
Von der Jungen Presse Niedersachsen
Foto: Marek Peters, c