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Über Kokosnüsse und Rassisten

Susan Arndts Neuerscheinung ist ein gelungenes Handbuch zum Thema Rassismus, weil es mit lebensnahen Beispielen erklärt ohne dabei den Anspruch auf Endgültigkeit zu erheben.

Von Bernhard Jarosch

„Der Verlag entschied sich für ein Coverfoto, das ich nicht haben wollte."  Da Vorworte eines Buches in der Regel nicht sonderlich spannend sind, überraschen Susan Arndts einleitende Sätze ihrer Publikation „Die 101 wichtigsten Fragen. Rassismus“, das 2012 in der beck´schen Reiche erschien. So erhebt sie Einspruch gegen das Coverfoto, das sich des Stereotyps des Schwarzen bedient, der in offensichtlichem Widerspruch zu der weißen Schönheit des Werbeplakats vor dem Kino wartet. Es spricht für Arndt, dass die Konsequenz mit der sie rassistische Stereotype angreift, nicht nur wissenschaftlich stattfindet, sondern praktisch, ja, ganz lebensreal. Die Ablehnung des Coverfotos als bewusste Entscheidung gegen die Redundanz „des weißen Blickes auf einen Schwarzen“  ist auch Hinweis auf die Idee dieses Buches, „dass die Reproduktion rassistischer Annahmen nicht zu rechtfertigen ist."

Rassismus als Legitimation einer weißen Herrschaft

Susan Arndt ist durch verschiedene Publikationen zum Thema Rassismus und ihr Engagement in der Critical Whiteness Bewegung eine wichtige Stimme der antirassistischen Bewegung geworden. Sie stellt fest: „Rassismus ist nicht irgendein Thema – Rassismus ist allgegenwärtig.“  Eben dieser Allgegenwart rassistischer Stereotype widmet sie sich mit ihren Fragen. Anders als der Titel nahe legt, geht es ihr dabei nicht um die reine „Beantwortung“ dieser Fragen, sondern vielmehr um die Provokation durch das Hinterfragen der gesellschaftlichen Stereotype der weißen Bevölkerung. Sie nimmt vorweg, dass es genauso gut 1001 Fragen und 1001 Antworten sein könnten; es bliebe immer nur eine Annäherung an ein Thema, das keine absoluten Urteile liefern könne. So nähert sie sich in sieben Kapiteln dem Topoi Rassismus indem sie zunächst Begrifflichkeiten klärt, die in einer öffentlichen Debatte oft unscharf verwendet werden, weil sie wehtun: „Was ist Rassismus?“ „Wer ist Weiß und wer Schwarz?“ „Was ist Antisemitismus?“. Indem sie die Begriffe und Phänomene des Rassismus mithilfe einer historischen Kontextualisierung erklärt, gelingt es ihr, die Eckpfeiler der rassistischen Ideologie deutlich zu machen. Vom Standpunkt aus, „dass Rassismus Wissen produziert, das sich (…) in Glaubensgrundsätzen (Sprach)Handlungen und identitären Mustern“ einschreibe, entlarvt sie Rassismus als weiße Idee „Herrschaft, Macht und Privilegien zu legitimieren."

Über die Alltäglichkeit und die scheinbare Normalität rassistischer Stereotype

Interessant ist Arndts Buch vor allem dort, wo sie die Leserinnen und Leser mit deren eigenen Wahrnehmung konfrontiert und ihnen aufzeigt, dass rassistische Stereotype omnipräsent sind. Es ist eben nicht nur der prügelnde Nazi der sich rassistisch verhält, sondern auch der Otto Normalverbraucher deutscher Alltäglichkeit, der Schwarze auf englisch anspricht, da er davon ausgeht dass Schwarze nicht wirklich Deutsch seien. Eine ähnliche Wirkung erreicht Arndt durch ihre Frage „Was ist eine Insel?“ die sie unter anderem ihren Studierenden in einem Seminar stellte und sie bat, sich ihrer Vorstellung einer Insel bewusst zu werden. Wie sie es von ihren Studierenden berichtet, ja, so denke auch ich an Kokosnüsse und Affen und nicht an Steinstrände auf Helgoland. Arndt meint darin die Kontinuität und Tradierung der rassistischen Stereotype zu erkennen, die sich seit der Kolonialzeit als ideologisches Element weißer Weltanschauung erhalten hätten. Die Stärke Susan Arndts Buch liegt darin, dass es ihr gelingt gegen die Konventionen gesellschaftlicher Bilder des Eigenen und des Fremden zu sticheln und die scheinbaren Automatismen, mit denen Stereotype bedient werden, kritisiert.

Kritik

Die Autorin nimmt es sehr ernst mit der erwünschten „Irritation“ und „Provokation“. Vielleicht ein bisschen zu ernst für ein Überblickswerk, das an den „unerfahrenen Leser“ adressiert, die „Vielschichtigkeit des Themas andeuten"  will. So stutzt der junge Leser, wenn die verzwickte Diskussion, ob auch Schwarze rassistisch handeln können, in zwei Sätzen abgehakt wird. Es ist eine spannende Annahme, dass schwarze Rapper die in Songs mit „dem N-Wort polemisieren“, keine Rassisten sind, sondern es sich dabei lediglich um einen „Ausdruck eines komplexen Feldes von Selbstpositionierungen“  handelt. Es wäre aber hilfreich gewesen, wenn die Autorin erklärt hätte, warum es widersprüchlich ist, Schwarzen Rassismus vorzuwerfen. Im Angesicht der dünnen Argumentation erscheinen diese Schlussfolgerungen sehr radikal und zeichnen eben nicht die Komplexität nach, für die sich Arndt im Umgang mit Rassismus einsetzt. Zum Anlass der internationalen Woche gegen Rassismus ist es trotzdem ein anregender Beitrag zu einem Thema, dem Provokation ziemlich gut tun würde, denn die Alltäglichkeit und Normalität des Rassismus ist sein größtes Problem.

Arndt, Susan: Die 101 wichtigsten Fragen. Rassismus, beck´sche Reihe, München 2012. 159 Seiten, 10,95 Euro.

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Ausschnitt aus dem Cover des Buches von Susan Arndt "Die 101 wichtigsten Fragen. Rassismus." © Verlag C.H. Beck