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»Wenn wir reden«

Bereits zum achten Mal wird in diesem Jahr der Sächsische Förderpreis für Demokratie vergeben. Aus den eingegangenen 60 Bewerbungen wählte eine prominent besetzte Jury sechs Initiativen und erstmals eine Kommune aus, die sich in herausragender Weise für Menschenrechte und gegen Rechtsextremismus engagieren und die demokratische Kultur in Sachsen täglich bereichern und fördern. Die Jugendgruppe der Alevitischen Gemeinde Dresden ist mit ihrem Film »Wenn wir reden ... Akzeptanz ist keine Pflicht sondern selbstverständlich!« unter den Nominierten.

Berfin, Yeliz, Alicem und alle anderen der Jugendgruppe der alevitischen Gemeinde in Dresden sind in Deutschland geboren, in Frankfurt, Berlin, Dresden, Freital. Sie leben mit ihren Familien in Dresden, dort haben ihre Eltern Geschäfte und Restaurants oder sind Angestellte. Trotz aller »Konformität« und »Normalität« dieses Alltags ist es nicht selbstverständlich, dass die
Jugendlichen in ihrer Individualität von der in Dresden überdeutlichen weißen Mehrheitsgesellschaft akzeptiert werden. Immer dann, wenn sie außerhalb ihrer Familien unterwegs sind, müssen sie sich auf »das zugeschriebene Anderssein« einstellen, auf zudringliche Fragen nach ihrem vermeintlichen »Anderssein«. Besonders zumutend wird es, wenn haltlose Unterstellungen gemacht werden, etwa wenn sie sich im Ethikunterricht als »Expert/innen« zum Dschihad äußern sollen oder zum Kopftuchverbot, zur Beschneidung, zu Essverboten und anderem mehr.

Das Spannungsfeld, in dem sie leben ist geprägt von Neugier und Anfeindung. Zwar werden sie selten offen angegriffen, erleben aber stattdessen latente Ausgrenzung. Sie wachsen zweisprachig auf und sprechen außerdem mehr oder weniger gut englisch, französisch, spanisch und kurdisch. Aber es hört ihnen niemand wirklich zu, wie es ist, wenn einem die Welt- und Gesellschaftssicht der Eltern und Familie genauso wichtig ist, wie die eigenen Erfahrungen und Einsichten als Dresdner Jugendliche/r.

Seit Februar 2012 trifft sich die Gruppe wöchentlich. Dabei entstand die Idee, mittels eines Filmes über Dresden und sich selbst, eine wahrnehmbare Gruppe von »Postmigrant/innen« zu werden. Mithilfe einer Filmproduktion und anderen UnterstützerInnen erlernten sie den Umgang mit der notwendigen Technik. Sie schrieben das Script, bauten das Storyboard, entwickelten eine Dramaturgie, führten Regie, fanden Szenen, drehten, diskutierten, verwarfen, ließen nicht locker und am Ende hielten sie ihn in Händen: ihren Film »Wenn wir reden ... Akzeptanz ist keine Pflicht sondern selbstverständlich!«.

Mit ihm wollen sie aufmerksam machen, auf sich und andere Jugendliche in vergleichbaren Situationen. Er ist ein erster Schritt um gemeinsam mit anderen zu einer Stimme der »migrantischen« Gesellschaft zu werden. Denn nur wenn die Mehrheitsgesellschaft von ihnen als Nachbarn und Mitbürger/innen Notiz nimmt, wird die Verleugnung und Ignoranz gegenüber dem rechten Terror, den durch den sächsischen NSU und den des Alltages, verhinderbar. Als die Kinder der potentiell durch »Rechten Terror« Bedrohten wollen sie in dieser Bedrohung mehr als Hilfe. Sie wollen Anerkennung und Mitspracherecht, wie unser gemeinsames Zusammenleben aussehen soll.
Für ihr entschlossenes, kreatives Engagement ist die Jugendgruppe der Alevitischen Gemeinde Dresden in diesem Jahr daher für den Sächsischen Förderpreis für Demokratie nominiert.

Die Verleihung des Sächsischen Förderpreises findet am 7. November im Ratsplenarsaal des Neuen Rathauses in Leipzig statt.
Die Laudatio hält Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (Bundesjustizministerin a.D.). Bastian Wierzioch (MDR Figaro) führt durch den Abend. Für die musikalische Begleitung sorgt der Leipziger Sebastian Krumbiegel.

Die auslobenden Stiftungen sind die Amadeu Antonio Stiftung, die Freudenberg Stiftung, die Sebastian Cobler Stiftung und die Stiftung Elemente der Begeisterung.
 
 

© Jugendgruppe der Alevitischen Gemeinde Dresden