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An einem Tag vor 80 Jahren

Das Jüdische Museum Berlin zeigt mit dem Online-Projekt „1933. Der Anfang vom Ende des deutschen Judentums“ den Alltag jüdischer Menschen in Deutschland nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten. Dazu nutzt es Dokumente und Fotografien, die sich auf ein konkretes Datum vor 80 Jahren beziehen.

Von Elisabeth Gregull

Als am 30. Januar 1933 Adolf Hitler Reichskanzler wird, schreibt die Mannheimerin Rosa Süss an ihre Tochter: „Heute ist also Hitler Reichskanzler, eine nette Gesellschaft, na die werden auch mit Wasser kochen, bleibt abzuwarten was nun kommt!“ Aus den Zeilen spricht die Hoffnung, dass es vielleicht doch nicht so schlimm wird, aber die bange Frage nach der Zukunft bleibt.

Briefe, Fotos und Dokumente von 1933

Dieser Brief bildet den Auftakt des Projektes „1933. Der Anfang vom Ende des deutschen Judentums“. Das Jüdische Museum Berlin stellt unter www.jmberlin.de/1933 bis zum Jahresende jede Woche Dokumente und Fotografien ein, die einen bestimmten Tag vor 80 Jahren in den Blick nehmen. Ob ein Foto mit einem Freund, der Brief von einem Verleger oder die Geschenkkarte der Berliner Sparkasse zur Geburt der Tochter - jedes Dokument spiegelt eine individuelle Geschichte und weist zugleich auf die bedrohlichen gesellschaftlichen Veränderungen hin, denen deutsche Jüdinnen und Juden ausgesetzt waren. Ein scheinbar unbeschwertes Foto von zwei jungen Freunden etwa entsteht, kurz bevor der 20jährige Max Halberstaedter emigriert.
 

Der 20jährige Max Halberstaedter mit seinem Freund unmittelbar vor seiner Emigration 1933 aus Berlin, Schenkung von John L. Hillelson © Jüdisches Museum Berlin, Fotograf: Jens Ziehe
 
Zeugnisse der Diskriminierung und Entrechtung

Das Jüdische Museum präsentiert die historischen Zeugnisse nicht nur, es erzählt auch die Geschichten der Menschen und Familien, von denen sie stammen. Von ihren privaten und beruflichen Wegen, erzwungenen Brüchen, Emigration und Flucht, von Deportation und Tod.

„Im Laufe des Jahres 1933 griffen mehr als 300 Erlasse, Verordnungen und Gesetze in das Leben aller deutschen Juden ein. Die ausgewählten Dokumente sind unmittelbare Zeugnisse der Diskriminierungs- und Verfolgungspolitik dieser Zeit. Sie werfen Schlaglichter auf ausgesuchte Biografien und machen deutlich, in welcher Vielfalt jüdisches Leben in Deutschland vor 1933 präsent war“, so Aubrey Pomerance, Leiter des Archivs des Jüdischen Museums Berlin und des Leo Baeck Institutes.
 
Themenjahr „Zerstörte Vielfalt“

Das Online-Projekt des Jüdischen Museums ist Teil des Berliner Themenjahres „Zerstörte Vielfalt – Berlin 1933 – 1938 – 1945“. Mit über 500 Veranstaltungen und Ausstellungen in der ganzen Stadt, einer zentralen Ausstellung im Deutschen Historischen Museum und öffentlichen Informationstafeln erinnert das Land Berlin an die gesellschaftliche Vielfalt, die durch die Nationalsozialisten zerstört wurde. Zahlreiche Museen, Institutionen und Vereine beteiligen sich an dem Themenjahr. MUT wird regelmäßig berichten.
 
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Elisabeth Gregull ist Fachjournalistin (DFJS), ihre Schwerpunktthemen sind Migration, Diversity und die Folgen der NS-Zeit. Sie arbeitet u.a. für die Online-Redaktion „Migration-Integration-Diversity“ der Heinrich-Böll-Stiftung.

Auszug aus einem Brief von Rosa Süss an ihre Tochter Liselotte und deren Mann Manfred Sperber, 30. Januar 1933 © Leo Baeck Institute, Fotograf: Jens Ziehe