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Die Ignoranz. Das Weghören. Und das Wegsehen II

In den kommenden Wochen werden wir uns bei MUT GEGEN RECHTE GEWALT mit Alltagsrassismus beschäftigen. Dafür stellen wir euch in einer Serie Erlebnisberichte von Menschen vor, die von Alltagsrassismus betroffen sind. Hier kommt der zweite Teil:

Von Vanessa Vu // zuerst erschienen auf jetzt.de

Theoretisch könnte ich sagen, dass mich die ganzen Diskussionen zum Islam nichts angehen, weil meine Eltern Aleviten sind und Aleviten in Deutschland immer als die aufgeklärteren und toleranteren Muslime konstruiert werden. Doch das ist total egal, weil die weißen Deutschen keine Unterschiede kennen und alle in einen Topf packen.

Das heißt, ich musste mein gesamtes Leben lang über den Islam sprechen oder Fragen beantworten, wie ob meine Eltern „richtige Türken“ wären, also mit Kopftüchern und so, oder ob ich einen Freund haben darf. Nebenbei bemerkt könnte ich auch eine Freundin haben, oder in keiner festen Beziehung leben. Das heißt, ich werde täglich mit Vorurteilen konfrontiert und in eine Schublade gepackt.

Wenn ich sage, dass gewisse ausgrenzende Fragen, Witze oder Blicke rassistisch sind, gelte ich als empfindlich oder emotional. Sobald ich über meine Erfahrungen spreche, werden sie als irrational herabgestuft, oder man entschuldigt sich mit einem „Ist ja nicht so gemeint“ oder „Ich kann gar nicht rassistisch sein, ich habe einen schwarzen Freund“. Als würde Sex vorurteilsfrei machen!

Ich habe mir nicht ausgedacht, was Rassismus ist, wie er funktioniert und dass er strukturell und institutionalisiert ist, sondern mich eingelesen und informiert. Aber Rassismus darf man ja in Deutschland nicht sagen, ohne dass sich das Gegenüber als Nazi angegriffen fühlt. Das ist zum Kotzen, weil Rassismus das ist, was wir People of Color täglich erleben. Was ist es sonst, wenn mir ein Prof in meiner Prüfung sagt, dass ich nicht politisch argumentieren könne, nur weil ich nicht seine weiße Meinung vertrete, oder wenn ich als „Affe“ bezeichnet werde, weil meine Körperbehaarung dunkler ist und mein Körper damit rassifiziert wird?

Diese Ignoranz, das Weghören und Wegsehen muss aufhören. Denn es gibt einen Unterschied, ob eine Lisa oder eine Leyla eine Hausarbeit abgibt, eine Wohnung sucht oder sich irgendwo bewirbt. Nicht wir People of Color sind defizitär, sondern Leute, die nach Integration schreien und so tun, als wäre es unsere Schuld, systematisch und vor allem institutionell Rassismus zu erfahren.

Basak, 21, Studentin, Potsdam

Hier gehts zum ersten Teil der Serie.

 

agfreiburg cc via flckr