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Gerade erst hat Innenminister Friedrich ein vierköpfiges Expertenkomitee eingesetzt. Die Bund-Länder-Kommission soll Defizite bei der Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden im Rahmen der Ermittlung zur NSU-Mordserie untersuchen. Da die Kommission jedoch kaum Befugnisse hat, könnte sie eher für Verwirrung als für Aufklärung sorgen.
Von Anna Brausam
Dem Untersuchungsausschuss zur politischen Aufarbeitung der NSU-Mordserie wird seit gestern eine Bund-Länder-Kommission zur Seite gestellt. Hauptaufgabe dieses Expertenkomitees wird es sein, Erkenntnisse von Bund und Ländern zu bündeln und dabei die „Sicherheitsarchitektur“ kritisch zu beleuchten. An dessen Ende sollen Aussagen über eine effektivere Verzahnung der Sicherheitsbehörden gemacht werden.
Eine Konkurrenz zur Arbeit des Untersuchungsausschusses sieht Sebastian Edathy (SPD), Vorsitzende des NSU- Untersuchungsausschusses des Bundestages, darin nicht. Er möchte die Gefahr von Kompetenzstreitigkeiten der verschiedenen Untersuchungsinstanzen so gering wie möglich halten. Von Beginn an wird auf eine saubere Trennung der Aufgaben gesetzt. Doppelarbeit soll in jedem Fall vermieden werden. Eva Högl, Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, sieht in der Bund-Länder-Kommission vielmehr die Chance, unterschiedliche Vorschläge zu einer Optimierung der Behördenarchitektur zusammenzuführen und diese miteinander abzuwägen. Dabei wird auf ein „miteinander anstatt übereinander Reden“ gesetzt: „Ich persönlich bin sehr optimistisch, dass wir zu einer guten Zusammenarbeit kommen“, so Eva Högl weiter.
Hoffnung auf die Kooperationsbereitschaft der Länder
Heute tagt der Untersuchungsausschuss unter Sebastian Edathy zum ersten Mal und wird erste Beweisanträge beschließen. Durch die Anforderung und kritische Sichtung von Akten aus Bundes- und Landesbehörden soll eine lückenlose Aufklärung gewährleistet werden. Der Untersuchungsausschuss wird aber nicht nur eine umfassende Akteneinsicht anstreben, sondern auch Experten zum Thema Rechtsextremismus hören. Wer das im Einzelnen sein wird, ist noch nicht bekannt. Erkenntnis soll über den Mangel an Informationsfluss zwischen den Behörden bei den Ermittlungen zur NSU-Mordserie gewonnen werden. Ausgehend von diesen Faktoren sollen Empfehlungen zu einer effektiveren Verzahnung der Behörden ausgesprochen werden.
Abzuwarten bleibt dabei, wie kooperationswillig sich die Länder tatsächlich geben, in welche Akten sie Einsicht gewähren werden. Gegenüber der neueingesetzten Bund-Länder-Kommission sind sie jedenfalls zu nichts verpflichtet. Gregor Gysi, Fraktionschef der Linken, stellt gegenüber der Tagesschau klar: „Die Kommission kann zwar Leute einladen und sie befragen, aber sie haben keine strafprozessualen Maßnahmen. Weder sind die verpflichtet, die Wahrheit zu sagen, noch sind sie überhaupt verpflichtet zu kommen. Deshalb ist der Untersuchungsausschuss viel wichtiger." Volker Beck, Geschäftsführer der Grünenfraktion im Bundestag, sieht das ähnlich: „Entscheidend ist, dass wir den Untersuchungsausschuss auf den Weg gebracht haben. Damit sind wir auf die Aufklärungsarbeit dieser Bund-Länder-Kommission nicht wirklich angewiesen.“ Und selbst der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU), der die vierköpfige Expertenkommission gestern vorstellte, erklärt: „Die Kommission hat nicht mehr Rechte als ein Untersuchungsausschuss.“ Mit anderen Worten: Sowohl der Ausschuss des Bundestages, als auch die Kommission ist auf das Wohlwollen der Landesbehörden angewiesen. Eine Akteneinsicht kann nicht erzwungen werden.
Sebastian Edathy ist zuversichtlich
Sebastian Edathy ist jedoch überzeugt, dass „die Behörden nicht rechtspositivistisch handeln werden“. Angesichts der Dramatik der Ereignisse hofft er auf die Kooperationsbereitschaft der einzelnen Bundesländer. Andernfalls müsse bei einer Blockadehaltung einzelner Länder der politische Druck erhöht werden. „Jetzt aufzuklären und Konsequenzen aufzuzeigen - das sind wir nicht allein den Opfern und ihren Hinterbliebenen schuldig, sondern der demokratischen Selbstachtung unserer Gesellschaft und dem Funktionieren unseres demokratischen Rechtsstaates insgesamt“, erklärt Sebastian Edathy gegenüber Mut gegen rechte Gewalt. Das bereits angekündigte Mauern von Behörden verschiedener Länder überhört er dabei vorerst optimistisch.
Aus Fehlern lernen
Erst in der Praxis wird zeigen: Wie sinnvoll ist eine Aufteilung in verschiedene Untersuchungsinstanzen? Und wird sich der überschwängliche Optimismus auch in der konkreten Arbeit der verschiedenen Aufklärungsinstrumente bewähren? Der Wille zur Kooperation wird zumindest mit Nachdruck parteien- und fraktionsübergreifend betont. Sebastian Edathy erwartet „eine konstruktive Zusammenarbeit sowohl der Fraktionen untereinander als auch zwischen dem Ausschuss und der Bund-Länder-Kommission. Es geht darum zu prüfen, warum eine rechtsextremistische Terrorgruppe jahrelang rassistisch motivierte Morde begehen konnte, ohne von den Sicherheitsbehörden identifiziert zu werden, und ohne dass zwischen den Morden ein Zusammenhang erkannt wurde“.
Ein Abschlussbericht wird bis Frühjahr 2013 vorgelegt werden, um ein derart politisch wie gesellschaftlich brisantes Thema nicht zu einem wahlpolitischen Parteiengezänk zerfasern zu lassen. Die eklatanten Fehler bei der Aufklärung der Mordserie sind auf einen defizitären Informationsfluss und Kompetenzstreitigkeiten zurückzuführen. Bleibt zu hoffen, dass sich das nun nicht wiederholt.