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Unter dem Motto „Raus aus EU, Nato und UNO“ versammelten sich am vergangenen Samstag im „hermetisch abgeriegelten“ Rumphorstviertel in Münster 300 Nazis. An den Gegenprotesten waren weit mehr Menschen beteiligt; insgesamt 7000 Personen stellten sich den Nazis in den Weg. Teilnehmer kritisieren nun in einem offenen Brief „massive Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte“ durch die Polizei.
Von Olga Wendtke
Es hätte alles so schön werden können. Bei gutem Wetter versammelten sich vergangenen Samstag mehrere tausend Gegendemonstranten auf unterschiedlichen Kundgebungen in Münster. Unter dem Motto „Keinen Meter den Nazis- Gegen Rassismus und soziale Ausgrenzung“ hatte ein breites Bündnis zu Blockaden aufgerufen. Zu den angekündigten Blockaden kam es jedoch nur vereinzelt: Über 1000 Polizisten versperrten mit einer Reiter- und Hundestaffel, mehreren Wasserwerfern und Räumpanzern das gesamte Viertel. Der massive Polizeieinsatz machte den Blockierern einen Strich durch die Rechnung.
Massiver Polizeieinsatz
Die Nazis liefen mit einer Stunde Verspätung und begleitet von lautem Protest durch das Viertel. Dabei versammelten sich Neonazis aus dem Rheinland, dem Ruhrgebiet und aus Niedersachsen auf der Demonstration. Bei den Zwischenkundgebungen standen sich 300 Nazis und die tausenden Protestierer gegenüber. Mit lauten Sprechchören und Trillerpfeifen versuchten diese den Aufmarsch der rechten Szene zu stören.
Friedliche Demonstranten wurden beim Versuch sich den Polizeiketten zu nähern, mit Pfefferspray und Schlagstöcken angegriffen. „Versuche, sich von außen den Absperrungen zu nähern, führten immer wieder zum Einsatz von Knüppel und Pfefferspray. Ernsthafte Verletzungen von friedlichen Demonstrierenden wurden dabei provoziert oder zumindest billigend in Kauf genommen“ kritisiert das Demonstrationsbündnis in einer Pressemitteilung.
Ein 21-jähriger Demonstrant erlitt während einer Festnahme ein Schädel-Hirntrauma und musste bewusstlos auf der Intensivstation behandelt werden. Die Bundestagsabgeordnete Ingrid Remmers ( Die Linke) wurde festgenommen, während sie deeskalierend bei einer Festnahme eines Demonstranten vermitteln wollte. Die Partei „Die Linke“ fordert nun einen aufklärenden Bericht des Innenministers. Auch SPD, Grüne und der DGB beurteilen den Polizeieinsatz als völlig „unangemessen und überzogen“.
Offener Brief der Anwohner
Die Nazidemonstration wurde an kleineren Sitzblockaden der Anwohner vorbeigeleitet. Diese kritisieren nun in einem offenen Brief das Verhalten der Polizei: So wurden Anwohner schon im Vorfeld der Demonstration durch ein konstruiertes Gefährdungspotenzial eingeschüchtert, welches sie davon abhalten sollte, beispielsweise Plakate in ihre Fenster zu hängen. Aber auch während des Demonstrationstages wurden die Persönlichkeitsrechte der Teilnehmer massiv eingeschränkt. Anwohner wurden mit der Androhung von Gewalt und juristischen Konsequenzen verängstigt.
Auch die Teilnehmer des rechten Aufmarschs wunderten sich über das Verhalten der Polizei. So schildert ein Teilnehmer in einem einschlägigen Naziforum: „Die Bullen die neben uns liefen hatten ihre normalen Mützen auf, waren locker drauf und wirkten kein bischen bedrohlich. Die Stimmung war gut. Aber die Bullen die bei den Gegendemonstranten standen hatten Helme und Handschuhe an und eine Hand immer am Schlagstock, bzw. einige auch mit Pfefferspray in der Hand.“ Auch der Wasserwerfer, der auf die Gegendemonstranten und nicht auf die Neonazis gerichtet worden war, ergab ein „tolles Bild“.
Fahler Beigeschmack
Die Veranstaltung am Samstag war die erste Nazidemonstration in Münster seit sechs Jahren. Im Jahr 2006 scheiterten die Neonazis bereits nach wenigen Metern an den Blockaden der Gegendemonstranten. Dieses Jahr konnten die Nazis, begleitet von einem massiven und brutalen Polizeieinsatz, die komplette Demonstrationsroute ablaufen und so zur Verbreitung ihres rassistischen und menschenverachtenden Gedankenguts instrumentalisieren. Die Anwohner zeigten den Neonazis aber nicht nur auf den Gegenkundgebungen, sondern unter anderem auch mit Plakaten auf den Straßen und Grillpartys in ihren Vorgärten, was sie von dieser volksverhetzenden Ideologie halten.
Anders als bei gescheiterten Demonstrationsversuchen wie beispielsweise in Dresden bietet die „rote Hochburg“ Münster anscheinend noch eine hohe Attraktivität für die rechte Szene. Die Neonazi- Szene versucht mit Aufmärschen wie in Bielefeld oder Berlin- Kreuzberg den „Kameraden“ Events zu liefern und neue Neonazis einzubinden.
Um dieser neuen Strategie etwas entgegenzusetzen, bedarf es antifaschistischer und zivilgesellschaftlicher Gruppen und Organisationen vor Ort. Deren Arbeit darf nicht durch „unverhältnismäßige“ Polizeieinsätze kriminalisiert werden.
Denn die abschließenden Worte des Polizeipräsidenten „Der rechte Spuk in Münster ist vorbei“ haben angesichts des heftigen Polizeieinsatzes gegen die überwiegend friedlichen Demonstranten einen mehr als fahlen Beigeschmack und lassen für kommende rechte Aufmärsche in Münster nichts Gutes erahnen.