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Kommt ein NPD-Verbotsverfahren? Welche Abgründe ergeben die Ermittlungen gegen die NSU? Kippt das AKuBiZ die Extremismusklausel? 2012 kann viel passieren.
Von Fabian Sieber
Neonazis in Dresden stoppen
Wieder einmal haben Neonazis am 13. und 18. Februar Demonstrationen angemeldet. Wie jedes Jahr versuchen Neonazis zum Jahrestag der Bombardierung Dresdens deutsche Täterinnen und Täter in Opfer umzudeuten. Und wieder einmal werden die Demonstrierenden sie daran hindern. In den letzten Jahren haben es die Neonazis kaum aus dem Bahnhof heraus geschafft. Nach den massenhaften Speicherungen von Handydaten, den Ermittlungen gegen einen Jugendpfarrer wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ und der Razzia in dem Büro der „Linke“, ist es vor allem wichtig zu beobachten, wie sich die Polizei dieses Jahr gegenüber den Blockierenden verhalten wird.
Das NPD-Verbotsverfahren
Nachdem die Mordserie des NSUs bekannt geworden ist, bemüht sich die Politik nun um Schadensbegrenzung. Einer von vielen Punkten ist hierbei das Anstreben eines neuen NPD-Verbotsverfahrens. Die Bildung einer Bund-Länder-Kommission der Innenministerien zeigt, dass es den Politikerinnen und Politikern ernst ist mit dem Verfahren. So sagt der Niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU), dass es „völlig unstrittig ist, dass wenn ein Verbotsverfahren gelingen kann, dass dann jeder die NPD sofort verbieten möchte“. Die Frage ist nun, ob ein solches Verfahren schon 2012 zu erwarten ist. Denn die Hürden für ein Parteiverbot sind sehr hoch, es reicht nicht aus, dass eine Partei verfassungsfeindlich ist, „die zentrale Voraussetzung ist der aktive, dauerhafte Kampf gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung“, so Politikwissenschaftler Hans-Gerd Jaschke. Bernd Wagner vom Aussteigerprogramm „EXIT-Deutschland“ sagt zum Verbot der Partei, dass wenn „die V-Leute-Frage geklärt ist, einem Verbotsverfahren nichts im Wege steht“. Die Innenminister betonten, dass sie ein Verfahren sorgfältig prüfen werden, wahrscheinlich auch um begangene Fehler nicht zu wiederholen. Denn schon 2003 scheiterte das Verfahren nicht nur wegen den V-Leuten, sondern auch, da zu schnell, zu aktionistisch Verbotsanträge gestellt wurden, die dann inhaltlich unausgereift waren.
Der Terror des NSU
2012 werden die Ermittlungen rund um den Unterstützerkreis des NSU weiter anhalten. Schon jetzt tauchen fast wöchentlich neue Unterstützerinnen und Unterstützer auf, die entweder Waffen oder Wohnungen besorgt haben. Wahrscheinlich wird es noch Monate dauern, um das gesamte Unterstützungsnetzwerk der Terrorgruppe zu enttarnen, falls überhaupt alle ermittelt werden können. Wie die Versäumnisse der Verfassungsschutzämter im Bundestag aufgearbeitet werden sollen, ist immer noch unklar. Während die Fraktionen der Grünen und Linken für einen Untersuchungsausschuss plädieren, spricht sich die SPD für eine Bund-Länder-Kommission aus, kann sich aber auch einen U-Ausschuss vorstellen. Die FDP und Teile der Union sind für einen Sonderermittler. Der Unionsfraktionsgeschäftsführer Altmaier möchte in der zweiten Januarwoche darüber mit allen Fraktionen Gespräche führen.
Die Ermittlungen selbst werden immer umfassender, und zeigen inzwischen auch, dass Kontakte in den Westen der Republik bestanden haben. So sagt ein Fahnder: „Die Zwickauer Bande war im Westen bekannt und akzeptiert“. So scheint nach Spiegelinformationen ein zweites Netzwerk gegeben zu haben, welches die verschiedenen Ziel ausspähte. Beate Zschäpe schweigt nach wie vor. Nach Informationen der „Mitteldeutschen Zeitung“, geht man im Innenministerium inzwischen davon aus, dass Zschäpe nur wegen Brandstiftung und nicht wegen Mordes, Beihilfe zum Mord oder Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung belangt werden kann. Wenn das der Fall ist, kann es auch passieren, dass Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt „nur“ wegen der Morde und Banküberfälle verurteilt werden, da es zu einer Bildung einer terroristischen Vereinigung nach dem deutschen Recht mindestens drei Personen bedarf.
Endlich wieder eine angemessene Förderung von zivilgesellschaftlichem Engagement
Die Extremismusklausel behindert nach wie vor das zivilgesellschaftliche Engagement gegen Neonazismus, Rassismus und Antisemitismus. Es wird von den Initiativen und Vereinen verlangt, dass sie eine „Demokratieerklärung“ unterschreiben, die sie auch dazu verpflichtet andere Projektpartnerinnen und Projektpartner zu denunzieren. Sogar der juristische Dienst des Bundestages hat festgestellt, dass die Klausel in ihrer jetzigen Form nicht verfassungskonform ist. Viele Initiativen verweigern diese Unterschrift, mit dem Ergebnis, dass sie keine staatlichen Fördergelder mehr bekommen. So musste zum Beispiel das sächsische Jugendpfarramt seine Projektstelle für „Demokratie lernen – Aufklärung gegen rechte Strategien“ für 2012 streichen, ganz einfach, weil sie mit der Verweigerung der Unterschrift keine staatlichen Fördergelder bekommen. Die Klausel könnte 2012 gekippt werden, da der Pirnaer Verein „Alternatives Kultur- und Bildungszentrum e. V.“ (AKuBiZ), beim Dresdener Verwaltungsgericht Klage eingereicht hat. Die Klausel behindere die Arbeit des Vereins. „Mit der Klage möchten wir nicht erreichen, dass die Klausel abgeändert wird, sondern das sie verschwindet“, sagte eine Sprecherin des AKuBiZ.
Rechtsextremismus in Ungarn
„Gott, segne die Ungarn“, so beginnt die neue Verfassung, die die rechtsradikale ungarische Regierung verabschiedet hat und die am 1. Januar 2012 in Kraft tritt. Die Verfassung macht aus der „Republik Ungarn“ (ung. Magyar Köztársaság) schlicht und einfach Ungarn (ung. Magyarország), unterscheidet zwischen in Ungarn lebenden Menschen und wirklichen Ungarn und heroisiert das ungarische Volk, welches „Jahrhunderte hindurch Europa in Kämpfen verteidigt und mit seinen Begabungen und seinem Fleiß die gemeinsamen Werte Europas vermehrt hat“.