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Engagement ermutigen statt behindern

Zivilgesellschaftliche Akteure kritisieren jahrelange Versäumnisse der Politik und Sicherheitsbehörden beim Thema rechte Gewalt. Engagierte Iniativen brauchen Unterstützung statt Hindernisse. „Mut-gegen-rechte-Gewalt.de“ erhält neue Webseite, die Engagement würdigt und unterstützt.

Von Nora Winter

Nachdem die rassistische Mordserie bekannt und das Zwickauer Neonazitrio enttarnt wurde, sind Politik und Gesellschaft schockiert. Am 22. November entschuldigte sich Bundestagspräsident Norbert Lammert im Bundestag bei den Angehörigen der Opfer. „Wir sind beschämt“, sagte Lammert. Die Abgeordneten erhoben sich und stimmten für ein gemeinsames Bekenntnis gegen Neonazis und rechte Gewalt.

Bundesfamilienministerim in der Kritik

Unterdessen steht die Bundesfamilienministerin Kristina Schröder in der Kritik. Die erst kürzlich bekannt gewordene Reduzierung der Bundesmittel gegen Rechtsextremismus um zwei Mio. Euro musste sie nun zurücknehmen. Die unter dem Namen „Extremismusklausel“ bekannt gewordene Demokratieerklärung wird von vielen Seiten als Hindernis für Engagement gegen Neonazis und für Demokratie benannt. Es ist hoffentlich nur eine Frage der Zeit bis Schröder auch in diesem Punkt nachgibt. „Wichtiger als eine erneute Debatte über ein NPD-Verbot ist die dauerhafte und institutionelle Förderung von Initiativen gegen Rechtsextremismus ohne bürokratische Hürden, unangemessene Kofinanzierung und Extremismusklausel“, sagte Anetta Kahane, Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, heute in einer Pressekonferenz von „Mut gegen rechte Gewalt“. „Die Bundesregierung braucht endlich ein Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus, dass die Zivilgesellschaft als Partner des Staates begreift“, so Kahane weiter. Es ist an der Zeit, die Versäumnisse der vergangenen Jahre aufzuholen. „Eine Konsequenz, soviel steht jetzt schon fest, muss eine Stärkung der Vor-Ort-Initiativen gegen Rechtsextremismus sein – sowohl finanziell als auch durch Abschaffung der so genannten Extremismusklausel“, sagte auch Cem Özdemir, Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen.

Versäumnisse der Behörden

„Niemand kann uns die Frage beantworten, ob es vorbei ist“, sagte Özdemir und kritisierte die Behörden für ihre Vernachlässigung des Problems. „Zivilgesellschaftliche Initiativen haben offensichtlich mehr Überblick über die rechte Szene, als die gesamten Behörden zusammen“, sagte Kahane. Bernd Wagner, Gründer der Neonaziaussteigerorganisation EXIT-Deutschland, sagte: „Wir haben immer darauf aufmerksam gemacht, dass sich aus der Szene heraus Gruppierungen entwickeln, die sehr militant sind und möglicherweise den Übergang zum Terrorismus vollziehen. Unsere Hinweise wurden aber von den Sicherheitsbehörden bisher mit spitzen Fingern angefasst.“

Webseite ermutigt zu Engagement

Das Portal der stern-Aktion „Mut-gegen-rechte-Gewalt.de“ hat ein neues Design erhalten. Ziel der Webseite ist es, Engagement zu ermutigen. Projekte gegen Neonazis und für demokratische Kultur werden in der Berichterstattung ins Zentrum gerückt. Eine Chronik dokumentiert rechte Gewalt. Unter der Rubrik Praxistipps steht die Redaktion Initiativen mit Rat und Tat zur Seite. In einem Lexikon können Hintergründe recherchiert werden. „Die aktuellen Geschehnisse zeigen deutlich, dass Rechtsextremismus nach wie vor eines der drängenden Themen unserer Gesellschaft ist. Die MUT-Redaktion informiert seit 2003 aktuell und kompetent über die alltägliche Gewalt von rechts und über sinnvolle, effektive Gegeninitiativen – auch in Zeiten, in denen das Thema aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit zu entschwinden droht“, sagt Andreas Petzold, stern-Chefredakteur.

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