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Ein Projekt des Magazins stern und der Amadeu Antonio Stiftung
Der Rechtsextremismus wird weder durch ein NPD-Verbot, noch durch die Reform des Verfassungsschutzes zurückgedrängt werden. Sondern mit gesellschaftspolitischem und wachem Verstand, unbürokratisch und ohne Misstrauen gegenüber den Engagierten.
Von Anetta Kahane
Gäbe es nicht auch gute Nachrichten in dieser Zeit, wäre die Untätigkeit der Regierung nach den NSU Morden kaum zu ertragen. Bevor wir also zum Erfreulichen kommen, schauen wir uns an, was gerade geschieht. Die Politik steckt wieder viel Geld und vor allem Zeit und Gedanken in ein neuerliches NPD-Verbotsverfahren, anstatt dem Rechtsextremismus vor der täglichen Haustür Einhalt zu gebieten. Die Prävention des Rechtsextremismus soll nach den Vorstellungen der zuständigen Ministerien zukünftig weniger Mittel bekommen, denn zuerst brauchen sie selbst ja weiteres Geld für Verwaltung, Öffentlichkeitsarbeit, Werbeträger, eine Website mit Infos zu allem und jedem und ganz, ganz viel Toleranztanz - mit dazugehörigen Broschüren. Exit, das Aussteigerprogramm kann nicht mehr gefördert werden, denn allein die V-Leute der NPD kosten die Staatskasse schon 20 Millionen Euro. Kein Programm mehr zum Ausstieg an das sich auch hochrangige Nazis wenden können? Was soll das? Und statt der inhaltlich relevanten, innovativen Modellprojekte zu wichtigen Themen sollen demnächst durch noch mehr Aktionspläne winzige Aktionen durchgeführt werden? Die alle verwaltet und kontrolliert und wieder verwaltet gehören, so lange, bis vom Bürgerengagement gar nichts mehr übrig ist?
Die große Reform des Verfassungsschutzes mit seinen über 5.000 Mitarbeitern und seinen über 300 Millionen Euro steht nun an. Und was sollen sie alle ab heute besser machen? Sie sollen jetzt ab sofort zielorientiert arbeiten. Was haben sie eigentlich vorher gemacht? Außer beim Rechtsterrorismus und Rassismus zu versagen? Nicht zielorientiert gearbeitet? Wir sollten den Kollegen all unsere Kontrollen, Evaluationsteams, Klauseln und Abrechnungstabellen in dreifacher Onlineausführung vorbeischicken und sie mit Qualitätsmanagement, Meilensteinteilzielquartalsberichten und anderen Listen eindecken, vielleicht richten sie dann weniger Schaden an. Oder tun wenigstens irgendwas. Vielleicht haben die Heerscharen von VS Mitarbeitern ja genug Zeit um ehrenamtlich tätig zu werden. Sie könnten zum Beispiel die Flüchtlingsarbeit unterstützen oder die Zivilgesellschaft wenigstens in Sachen Bürokratie entlasten, damit die sich wieder um fachliche Inhalte kümmern kann.
Wie sich jetzt wieder zeigt, war die deutsche Beamtenschaft in den letzten Jahren auch nicht in der Lage, den Überlebenden der Ghettos die vom Bundestag beschlossene Rente auszuzahlen. Sie hatten zu viel zu tun, um Umstände und Sachverhalte zu prüfen, denn Zwangsarbeit im Nationalsozialismus zu überleben reicht nicht einfach als Grund für einen Rentenanspruch. Die hochbetagten Betroffenen haben einiges mehr nachzuweisen. Und dafür muss es Verwalter geben, die alles prüfen. Seit Jahren nun schon. Auf diese Weise dezimiert sich die Anzahl der Berechtigten „auf natürliche Weise“. Man spart halt, wo man kann.
Sie finden es undiplomatisch, so etwas zu sagen? Sie finden es pauschalisierend alles in einen Topf zu werfen? Das ist unproduktiv nur eineinhalb Jahre nach dem GAU mit dem NSU? Sie finden es ungerecht den Engagierten in Politik und Verwaltung gegenüber? Und unpolitisch, weil man mit so einer Sichtweise nicht weiterkommt? Und damit den Opfern rechter Gewalt, allen 182 Toten nicht gerecht werden kann? Sie haben Recht. Ich entschuldige mich bei all jenen, denen diese Jacke nicht passt. In dem Fall brauchen sie sie auch nicht anzuziehen. Ich denke, jedem, der in diesem Feld arbeitet, fällt dazu noch eine Menge ein. Es geht nicht nur um das Versagen oder die Bürokratie in diesem oder jenem Fall, sondern um eine Kultur der Unentschlossenheit, ja Gleichgültigkeit. Das passt nicht mehr zum Deutschland unserer Epoche und scheint dennoch so schwer zu überwinden zu sein.
Nun, schauen wir jetzt auf die guten Beispiele, die es trotz aller Schwierigkeiten dennoch schaffen, Rechtsextremismus zurückzudrängen. In Vorpommern hat sich etwas verändert. Noch vor kurzer Zeit gehörte diese Region zu den Hochburgen der NPD und ihrer Kameradschaften. Sie schafften es mit ihren Parolen und Angeboten in die Kommunalparlamente während die großen, demokratischen Parteien sich zurückzogen. Mitunter entstand der Eindruck, dass diese dünn besiedelte Ecke Deutschlands zu einer Art Wildpark verkommt, dessen größte Sensationen die Nazis und die wiedergekehrten Wölfe sind. Wölfe, Nazis – am besten ein Zaun drumrum und der Natur ihren Lauf lassen. Doch das ist vorbei. Die Bürger haben hier im Sommer den Nazis das Pressefest der NPD vergällt mit Menschenketten und vielen Initiativen. Tausende waren unterwegs. Und das Engagement um das Bündnis Vorpommern: Demokratisch, Weltoffen & Bunt hält an. Es ist nicht verebbt in den Niederungen der Ebene. Immer wieder trafen sich Vertreter der Kommunen und Zivilgesellschaft und ließen nicht locker. Mit Kunst und Aufklärung, durch Zusammenarbeit und eine große Tagung zeigten sie, wie ernst es ihnen ist mit der demokratischen Kultur in der Region. Der Bürgermeister von Pasewalk half dabei, die Amadeu Antonio Stiftung auch - und die Nazis weichen zurück. Es funktioniert! Vorpommern am äußersten Rand Deutschlands zeigt wie es geht. Ohne Verbote, sondern mit gesellschaftspolitischem und wachem Verstand, unbürokratisch und ohne Misstrauen gegenüber den Engagierten.
Geht doch!