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„Was tun, damit´s nicht brennt?“ – Praxistipps für eine gelebte Willkommenskultur

Der bundesweit erste Leitfaden gegen rassistische Mobilisierungen im Umfeld von Sammelunterkünften für Geflüchtete ist eine Reaktion auf die Zunahme von Gewalttaten gegen Flüchtlingsheime in Ost- und Westdeutschland und bietet zahlreiche Tipps für eine gelebte Willkommenskultur.

Von Sophie Bose

„Was tun, damit´s nicht brennt?“ Mit dieser Frage setzt sich die Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus, die Evangelische Akademie zu Berlin und die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin in ihrer aktuellen Online-Handreichung auseinander. Mit dem  bundesweit ersten Leitfaden gegen rassistische Mobilisierungen im Umfeld von Sammelunterkünften für Geflüchtete reagieren sie auf die Zunahme von Gewalttaten gegen Sammelunterkünfte für Geflüchtete in Ost- und Westdeutschland.

21 gewalttätige Angriffe auf Geflüchtete

Allein im Jahr 2014 lassen sich bereits jetzt 21 gewalttätige Angriffe auf Geflüchtete zählen, darunter zwölf Brandstiftungen sowie sieben tätliche Übergriffe auf Einzelpersonen. „Was tun, damit´s nicht brennt?“ verdeutlicht somit auch die Sorge der Herausgeberinnen und Herausgeber, dass sich Ereignisse wie die rassistischen Angriffe Anfang der 1990er Jahre in Hoyerswerda, Rostock Lichtenhagen und an vielen anderen Orten auch heute noch wiederholen können. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund werden in der Handreichung zahlreiche Tipps gegeben, wie sich sowohl zivilgesellschaftliche Gruppen als auch engagierte Einzelpersonen für eine demokratische Vielfalt einsetzen  und sich gegen rechtsextreme Mobilisierungen vor Sammelunterkünften und bei Bürgerversammlungen wehren können.

Engagement in einem „Willkommensbündnis“

So werden Engagierte ermutigt, sich in einem breiten „Willkommensbündnis“ zusammenzuschließen: „Ein zivilgesellschaftliches Willkommensbündnis für Geflüchtete hat umso höhere Erfolgschancen, je mehr Initiativen, Verbände, Einrichtungen und Einzelpersonen hieran beteiligt sind und je mehr örtliche Entscheidungsträgerinnen und -träger außerhalb von Verwaltung und Politik eingebunden werden können. Das Wohl der Flüchtlinge sollte nicht aufgrund von politischen Meinungsverschiedenheiten in Gefahr gebracht werden, weswegen ein gemeinsamer offen gehaltener Grundkonsens von großer Bedeutung ist“, heißt es in der Handreichung. Welche Handlungsmöglichkeiten sich in einem derartigen Bündnis ergeben, reichen von der Organisation öffentlicher Veranstaltungen und der Entgegnung auf rechte Mobilisierungen in Sozialen Netzwerken über Mahnwachen und Demonstrationen bis hin zu konkreten Angeboten für die Bewohnerinnen und Bewohner der Sammelunterkünfte, zum Beispiel Sprachkurse oder Übersetzungsangebote. Dabei weisen die Herausgeberinnen und Herausgeber darauf hin, dass alle Aktionen immer gemeinsam mit den in den Sammelunterkünften lebenden Geflüchteten geplant und realisiert werden sollen. Sie betonen, dass sie die Unterbringung von Geflüchteten in Sammelunterkünften prinzipiell ablehnen; da diese aber in den meisten Bundesländern gängige Praxis sei, „müssen wir den Geflüchteten auch unter diesen Bedingungen ein menschenwürdiges Leben ohne rassistische Gewalt und Diskriminierungen ermöglichen und ihnen Hilfe zur Selbsthilfe zur Verfügung stellen“, sagt Grit Hanneforth, Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus.

Individuelles Engagement

Doch was kann ich als Einzelner tun, wenn ich mich engagieren möchte? Auch hier bietet die Handreichung wertvolle Tipps. Da es viele Menschen gibt, die sich keiner Gruppe oder Initiative anschließen, aber konkret helfen möchten, sollte diese Unterstützung durch das Willkommensbündnis angenommen werden. Hierfür sollten mögliche Hilfsmöglichkeiten für individuell Engagierte beschrieben und vom Willkommensbündnis koordiniert werden. Die Koordination der Ehrenamtsarbeit ist in Willkommensbündnissen unterschiedlich geregelt. Teilweise gibt es Unterstützung durch kommunale Strukturen und deren hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, in anderen Bündnissen wird diese Arbeit selbstständig koordiniert. Beide Lösungsmöglichkeiten haben Vor- und Nachteile, zu bedenken bleibt, dass die Koordination ehrenamtlichen Engagements viel Zeit in Anspruch nimmt.

Wer sich noch näher zum Engagement für eine gelebte Willkommenskultur informieren möchte: Die Handreichung kann auf der Internetseite der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin heruntergeladen werden.