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Dass ihre Kinder sich frei entwickeln können, wünschen sich wohl die meisten Eltern. Oft stößt dieser Wunsch jedoch auf Schranken. So auch, wenn Kinderbücher ausschließlich von heterosexuellen, verheirateten Paaren bevölkert werden. Als gäbe es keine anderen Familienkonstellationen. Eine Anregung, nach Kinderbüchern zu suchen, in denen der Prinz mal den Prinzen küsst.
Es gibt eine Reihe von Kinderbüchern, in denen homosexuelle Paare und Regenbogenfamilien vorkommen. Man muss ein wenig nach ihnen suchen, aber es gibt sie. Linda De Haans und Stern Nijlands Kinderbuch “König und König” beispielsweise erzählt die Geschichte eines Prinzen, der sich in einen Prinzen verliebt. Als die Königin eines Tages Thron und Regieren leid ist und möchte, dass ihr Sohn heiratet, ist der Prinz davon zunächst gar nicht begeistert – doch die Königin lässt ihrem Sohn keine Ruhe und fängt immer wieder mit dem Thema an. “Jeder Prinz in der ganzen Gegend ist verheiratet. Nur du nicht! Als ich so alt war wie du, war ich schon zweimal verheiratet,” drängt die Mutter. Der Prinz lässt sich schließlich überreden und willigt ein, zu heiraten. Und es geht gut: Nachdem sich eine Reihe heiratswilliger, jedoch uninteressanter Prinzessinen vorgestellt haben, kommt am Ende Prinzessin Liebegunde in Begleitung ihres Bruders Prinz Herrlich. Und dann geschieht es: Der Prinz verliebt sich unsterblich in Prinz Herrlich und auch die alte Königin ist entzückt vom jungen Liebesglück. Die beiden Prinzen heiraten, gehen von nun an als König und König durchs Leben und die Königin kann endlich in Pension gehen. Pädagogisch gelungen ist, dass das Buch die Erwartungshaltung der Kinder, die schon andere Märchen kennen und wissen, dass der Prinz sich in anderen Erzählungen in eine Prinzessin verliebt, spielerisch aufgreift, ohne sich an ihr zu verbeißen oder sie zu dramatisieren: Zwar besteht in der Erzählung die Erwartung, dass der Prinz sich in eine Prinzessin verlieben wird, als er sich stattdessen aber in einen Prinzen verliebt, hält sich das Buch nicht länger mit der zuvor bestehenden Erwartung auf, sondern erzählt von der Liebe und Hochzeit der beiden Prinzen.
Tango tanzen
In der bisher nicht ins Deutsche übersetzten Fortsetzung des Buchs adoptieren die beiden Könige dann ein Kind. Das Thema Adoption behandelt auch das Buch „Zwei Papas für Tango“ von Edith Schreiber- Wicke und Carola Holland. Wie die englische Vorlage „And Tango makes three“ von Justin Richardson und Peter Parnell erzählt das Buch die wahre Geschichte eines schwulen Pinguinpaars, dass ein Pinguinbaby adoptiert. Es gibt auch eine polnische Übersetzung, „Z Tango jest nas troje“, die lange ihrer Veröffentlichung harren musste. Die deutsche Fassung ist leider etwas abgewandelt und anstatt die Geschichte einfach zu erzählen, ist stets der pädagogische Zeigefinger spürbar. Kinder merken so was. Im Kindergartenalter, wenn es noch zu früh ist für komplizierte Gespräche über Liebe und Partnerschaft, aber nicht zu früh, um Normen zu verinnerlichen, kann das Vorlesen dieser Kinderbücher ein Weg sein, um heteronormativen Vorstellungen etwas entgegen zu setzen. Dafür muss das vermeintliche "Anderssein" nicht als solches bezeichnet werden, wie es die deutsche Fassung des Buchs indirekt tut.
Normal?
Wer sich im Übrigen ein Bild darüber verschaffen möchte, wie normativ und ausschließend Kinderbücher meistens sind, dem sei ein Blick in das downloadbare „Unsa Haus“ empfohlen. Das Kinderbuch ist zuschreibungsfrei und behandelt marginalisierte Identitäten nicht als Besonderheit, sondern lässt sie den Hintergrund und die Normalität der eigentlichen Geschichten bilden. Ob das Buch ein gutes Kinderbuch ist, entscheiden am Ende die Kinder selbst. Für Erziehende lohnt sich der Blick ins Buch allein schon deshalb, weil es verdeutlicht, an wie vielen Stellen der Alltags- und Kinderkultur Normen gesetzt werden.
Von Stella Hindemith
Foto: Cover "Unsa Haus", cc