Hinsehen - Wahrnehmen - ansprechen. Unter diesem Titel steht ein lehrreicher Ratgeber der evangelischen Kirche über den Umgang mit Rechtsextremismus.Von Holger Kulick
Als sich Mitte September 2008 im thüringischen Altenburg mehr als 1000 Neonazis zu einer völkischen Propagandashow unter dem Motto "Fest der Völker" versammeln wollten, machte auch die evangelische Kirche in Thüringen gegen das Neonazitreffen mobil.
Im landeskirchlichen Aufruf hieß es, die Kirche dürfe nicht zulassen, dass sich Rechtsextreme mit Veranstaltungen in Thüringen öffentlich präsentieren. „Wir wollen ein deutliches Zeichen für Menschenwürde, Demokratie und Toleranz setzen. Gleichzeitig soll Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Rassismus und Gewalt eine klare Absage erteilt werden“. Sogar zur "friedlichen Blockade" riefen Vertreter der Landeskirche mit auf.
Bundesweit sind evangelische Kirchen schon eine ganze Weile tonagebend im Kampf gegen Rechtsaußen, insbesondere dort, wo Landesregierungen noch zaudern. Zum Beispiel in Bayern, wo sich die CSU bislang nur mäßig gegen Rechtsextreme engagiert. Ein landesweites Bündnis für Toleranz mit einer "Projektstelle gegen Rechtsextremismus" in Bad Alexandersbad haben allein die Kirchen organisiert. Auch das Bürgerbündnis im fränkischen Wunsiedel wäre ohne das Engagement der evangelischen Jugendpfarrerin der Stadt nie denkbar gewesen (
www.jugendini-wunsiedel.de). Die dort entstandene Jugendinitiative holte kreativ Bevölkerung und Bürgermeister ins Boot.
Aber auch in Lübeck waren Kirchen Anfang 2008 tonangebend, als es darum ging, einen Neonaziaufmarsch zu durchkreuzen. Zeitgleich brachen Mitglieder zahlreicher Gemeinden zu einem Sternmarsch auf, um die Innenstadt der Hansestadt gemeinsam gegen Neonazis 'dicht zu machen'. Kirchenegagement gegen Rassismus kann aber auch andere Facetten haben, vielerorts sind es Gemeinden, die mit großem Einsatz Migranten und Flüchtlinge betreuen und helfen, Fremdenfeindlichkeit abzubauen. In Berlin ist auf diesem Feld schon seit Jahren die Kirche zum Heiligen Kreuz in Berlin-Kreuzberg vorbildlich aktiv. Sie organisiert auch eine jährliche Kunstauktion zugunsten von Flüchtlingen (die nächste am 19. Oktober 2008).
Randale wegen Kirchenengagement
Dass Engagement auch Risiken birgt, davon zeugt folgende Meldung aus Eilenburg in Sachsen-Anhalt. Anlass war eine Aktion von Kirche und Stadt gegen Naziaufkleber Ende August 2008: " Dagegen machten Rechtsextreme mobil. Wie die Polizei mitteilte, hatten rund 50 Randalierer wiederholt versucht, eine die gemeinsame Aktion von Stadt und Kirche gegen illegale Plakate zu stören. Die Jugendlichen zündeten Feuerwerkskörper, drohten den Beteiligten und warfen Zettel mit rechten Parolen. Die Randalierer zogen sich zurück, nachdem die Polizei mit einem Großaufgebot an Beamten angerückt war…“ (
http://www.mdr.de/sachsen/leipzig/nf-9-33.html#1018220).
Neuer Ratgeber der Ev. Kirche Berlin-Brandenburg
Was tun in solchen Fällen? Welche Formen von Engament bieten sich noch an? Und warum ist Rechtsextremismus eine so gefährliche Ideologie? Was sollten Gemeindemitglieder darüber wissen und was kann jeder tun? Die evangelische Kirche Berlin Brandenburg hat diesbezüglich im Mai 2008 einen ausgesprochen nützlichen Ratgeber zum Thema Engagement von Christen gegen Neonazis herausgebracht. Der Titel:
"Hinsehen – Wahrnehmen - Ansprechen" - Eine Handreichung für Gemeinden zum Umgang mit Rechtsextremismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit.Das Büchlein gibt es auch zum DOWNLOAD. Hier! (http://www.ekbo.de/Dateien/Hinsehen-Wahrnehmen-Ansprechen.pdf)
Aus MUT-Sicht: Eine detailreiche und lohnende Lektüre!
www.mut-gegen-rechte-gewalt.de / Foto: Kulick (entstanden bei einer Kirchendemonstration gegen Neonazis in Lübeck 2008)