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Der Holocaus als Comic. Geht das?

...Es geht! „Die Suche“ soll Schülern Nationalsozialismus und Holocaust näher bringen - als Einstiegslektüre. In einem vom Anne Frank Zentrum betreuten Pilotprojekt wird es zur Zeit von 14 Geschichtslehrern und ihren Schulklassen getestet.

Von Stella Hindemith

Die gezeichnete Geschichte beginnt im Amsterdam der Gegenwart. Daniel ist 13, seine Großmutter Esther, die extra wegen seiner Bar Mizwa (der jüdischen Konfirmation) aus den USA nach Holland gekommen ist, begibt sich gemeinsam mit ihrer Familie auf die Suche nach den Spuren der Vergangenheit. Auf dem Weg in eines ihrer ehemaligen Verstecke erzählt Esther ihrem Enkel und dessen Freund Jeroen von ihrer Kindheit im Deutschland der 30er Jahre, der Flucht in die Niederlande, ihrem Überleben im Versteck und davon, dass ihre Eltern ermordet wurden. Da Esther nie erfahren hat, wie ihre Eltern ums Leben kamen, googelt ihr Enkel nach Bob Canter, der gemeinsam mit Esthers Eltern in Auschwitz war. Tatsächlich ist Daniel mit seiner Suche erfolgreich und findet Bob Canter in Israel. Esther fährt ihren alten Freund daraufhin besuchen und lernt von ihm, dass ihre Mutter vergast und ihr Vater auf einem der Todesmärsche erschossen wurde.

Wie nebenbei wird dem Leser durch die Geschichten der Figuren ein Grundwissen über Nationalsozialismus und Holocaust vermittelt. „Arbeitslosigkeit und Armut nahmen zu“, erzählt Esther über das Deutschland vor 1933, und erinnert im nächsten Moment, wie ihr Vater sagt: „Manche meiner Patienten macht das Elend ganz krank.“

comic erinnerung an schulzeit und diskriminierung
comic erinnerung an schulzeit und diskriminierung

Durch den direkten Bezug auf die Charaktere wird das vermittelte Wissen anschaulich, seine Bedeutung greifbar. Vielleicht kann auf diese Weise der eine oder andere Schüler erreicht werden, dem der Nationalsozialismus sonst allzu „weit weg“ erscheinen würde.

Einer der Vorteile des Erzählens in Comicform ist – neben der Möglichkeit, auch lesescheue Jugendliche zu erreichen- der Eindruck der Unmittelbarkeit des Geschehens, der durch die direkte Rede der Figuren erzeugt wird. „Ich werde Arbeit für alle schaffen! Die Armut wird ein Ende haben!“, sieht der Betrachter Hitler versprechen, als stünde er neben ihm. Auch ergibt sich durch die Art und Weise des Erzählens ein vielschichtiger Blick auf das Geschehen. Zwar tritt Esther als vermittelnde Erzählerin auf, zugleich jedoch fließen durch die direkte Rede viele verschiedene Perspektiven ein. So liest der Leser nicht nur von der Deportation von Esthers Eltern und den Canters, sondern wird durch einen Szenenwechsel in die Lokomotive verschlagen, um Zeuge eines Wortwechsels zwischen den Lokführern zu werden: „Du auch wieder auf diesem Zug? … Manche Kollegen weigern sich“ – „Ach, mir ist das schnuppe! Außerdem brauche ich das Geld.“ – „Du hast recht. Wenn wir’s nicht machen, machen’s andere!“ Auch an anderen Stellen wird die Perspektive der Täter und Mitläufer gezeigt, ohne kommentiert zu werden- sie könnten in Klassenräumen zu angeregten Diskussionen führen.
comic-Titel "Die Suche"
comic-Titel "Die Suche"

Der Comic führt vorsichtig an die behandelten Themen heran und dürfte sich vor allem als Einstiegslektüre eignen. Der Leser lernt Eckpfeiler der Thematik wie die Arbeitslosigkeit vor Hitlers „Machtergreifung“, die Nürnberger Rassengesetze oder die Reichspogromnacht kennen und erfährt vom Holocaust. In der Schule übliche Verkürzungen liefert der Band gleich mit- wohl, um der jungen Leserschaft den Einstieg zu erleichtern. „Hitler machte uns (Juden) zum Sündenbock“, erklärt Esther ihrem Enkel und dessen Freund Jeroen, als hätte Hitler den Antisemitismus erfunden. Auch kann das Erzählte so verstanden werden, als habe es eine Trennlinie zwischen „den Nazis“ und „dem Volk“ gegeben.
comic giftgas
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Der Holocaust wird sehr vorsichtig dargestellt – auch dies könnte allerdings aus der Absicht geschehen sein, jungen Lesern den Einstieg in die Thematik zu erleichtern. Der Leser erfährt von den 6 Millionen ermordeten Juden - Details über das Morden und Sterben gibt es kaum. Doch allein das, was dargestellt wird, reicht aus, um ein beklemmendes Bild der systhematischen Judenverfolgung zu zeichen. Dass Esthers Eltern und die Canters ermordet werden, weiß der Leser lange bevor es zu den Szenen, in denen sie sterben werden, kommt. Da ihr Tod angekündigt wird, wird der Geschichte ein wenig von ihrem Schrecken genommen. Auch zeichnerisch wird diese Vorsicht nachvollzogen - die Häftlinge sehen bis zum Schluss relativ gesund aus, das Konzentrationslager wird vor allem durch den Einsatz deutlich gedämpfterer, dunklerer Farben vom Rest des Comics abgegrenzt und als Ort des Sterbens beschrieben.

Fazit: Auf diese Weise eignet sich „Die Suche“ durchaus als Einstieg in die Thematik Holocaust und Nationalsozialismus, kann jedoch auch den Grundstein für bestimmte Missverständnisse der Problematik legen. Letztendlich ist die Frage, wie geeignet der Band als Lehrmaterial ist, nur vom unterrichtenden Lehrer zu beantworten, der den Kenntnisstand und die emotionale Reife seiner Klasse einzuschätzen weiß.

„Die Suche“ ist die Fortsetzung des vor drei Jahren vom Anne Frank Haus entwickelten graphic novels „Die Entdeckung“. Gemeinsam mit dem Comic ist ein Arbeitsheft erschienen, welches begleitend eingesetzt werden kann und – wie das Comic selbst – zur Zeit in einem Pilotprojekt in Nordrhein- Westfalen und Berlin mit Schülern der siebten bis zehnten Klasse an verschiedenen Schultypen getestet wird. „Die Entdeckung“ kann im Onlineshop des Anne Frank Zentrums erworben werden.

Mehr unter: http://www.annefrank.org und www.jhm.nl

www.mut-gegen-rechte-gewalt.de
Copyright Zeichnungen: Eric Heuvel
Fotos: H.Kulick

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comic ausschnitt massenerschießung