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Schülerzeitungswettbewerb 2009: Vier Sonderpreise für junge Medien mit Mut

Am 29. Mai 2009 im Bundesrat: Deutschlands beste Schülerzeitungen werden prämiert. 1800 Redaktionen hatten sich beworben. Verliehen wurde auch der Sonderpreis "Junge Medien mit MUT" durch die Amadeu Antonio Stiftung.  Mit diesem Preis werden Beiträge geehrt, die sich vorbildlich mit Rechtsextremismus und Ausgrenzung beschäftigen. Die MUT-Redaktion wählte die Gewinner aus. Vier Redaktionen teilen sich in diesem Jahr den Preis, sie stammen aus Dresden, Stolberg bei Aachen, Viechtach und Miltenberg am Main.

Von Holger Kulick

Die Preise überreichte die Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, Anetta Kahane im Plenum des Bundesrats. Dessen amtierender Präsident, der Ministerpräsident des Saarlands Peter Müller, war Schirmherr der Preisverleihung, die jährlich von der Kultusministerkonferenz und dem Verband der Jugendpresse Deutschland organisiert wird. 1800 Schülerzeitungen hatten sich beworben.


Bei der Preisverleihung im Plenum des Bundesrats

Sich in diesem Jahr zu entscheiden, fiel der MUT-Jury keineswegs leicht - viele eindrucksvolle Texte waren eingegangen. Eine 100 Prozent gelungene Schwerpunktausgabe war  allerdings nicht dabei, so wie wie im Vorjahr das ‚Martinshorn’ aus Halberstadt. Stattdessen wurde entschieden, den Preis gleichwertig auf vier Schülerzeitungen aufzuteilen, in denen einzelne Beiträge besonders überzeugten.

Alle Preisträger 'mit Mut'
Alle Preisträger 'mit Mut'

Alle Preisträger bei der Laudatio von Anetta Kahane.

Anetta Kahane lobte, wie bewusst sich schon viele Schülerzeitungen als "vierte Macht" im Staate verstehen und auch im Schulalltag darauf achten, dass "wenn es beklagenswerte Zustände gibt,  nichts unter den Teppich gekehrt wird", besonders, wenn es um die Ausgrenzung und Diskriminierung von Menschen gehe. Dazu ermutigen solle dieser Preis. Auch Schülerzeitungen sollten beherzigen, dass sie Diskussionen anstoßen und Dinge benennen können, vor denen sich Eltern, Lehrer und Direktoren oft drücken.

Die vier Sonder-Preise für 'junge Medien mit Mut' gingen 2009 an:

Die Urkunde für RUMS
Die Urkunde für RUMS

Eine der vier vergebenen Urkunden für 'Medien mit Mut'

1.) Rick Noack, RUMS, Marie-Curie-Gymnasium Dresden, für die Reportage „Shila will nicht sterben“

 „Shila hat Angst. Wenn sie spricht, wirkt sie gefasst, doch sie schließt die Tür ab, sobald ich in ihrer Wohnung in Dresden stehe. Sie wohnt dort allein, einsam fühlt sie sich angeblich nicht. An der Wand hängen Familienfotos. Dies könnte die Wohnung einer glücklichen, jungen Frau sein. Aber für Shila ist es ein Gefängnis.“
Eindrücklich beschreibt Rick Noack von der RUMS in Dresden mit diesen Worten die Gefühle und Ängste einer jungen afghanischen Asylbewerberin, der die Abschiebung aus Deutschland droht.

Bei der Ehrung von RUMS
Bei der Ehrung von RUMS

Rick Noack (r.) gelingt es, in wenigen Worten und leisen Tönen die Ungerechtigkeit des deutschen Asylsystems darzustellen und wird deswegen mit dem Preis „Medien mit Mut“ ausgezeichnet. Der 15jährige Schüler hatte sich das Thema selber vorgenommen und sich bei Initiativen in Dresden über das Schicksal von Flüchtlingen informiert. Dabei war er auf Shila gestoßen, deren Schicksal ihn sehr berührte.

2) Die Redaktion der Kogel Street News aus der Ganztagshauptschule Kogelshäuserstraße in Stolberg bei Aachen.

Die Redaktion der Kogel Street News hat es erkannt: „Hitler war schon immer ein kleines Würstchen“, schreiben sie in einem selbstgezeichneten Comic. Kontinuierlich beschäftigen sich die Autoren der Ganztagshauptschule Kogelshäuserstraße mit Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, berichten vom Engagement gegen Neonazis vor Ort, von einem Besuch in der ‚Ordensburg’ Vogelsang, klären über den Neonazicode ACAB auf („all cops are bastards“) und veröffentlichen einen „Rap für Toleranz“. Außerdem lag jedem Exemplar einer Ausgabe die „Kein Bock auf Nazis“-DVD bei. Wir finden: Die Themenausgabe setzt ein starkes Zeichen. Inhaltlich hätten wir uns allerdings bei manchen Texten noch etwas mehr Tiefe und Ausführlichkeit gewünscht.

Das Team der Kogel Street News
Das Team der Kogel Street News

Federführend war zunächst die Klasse 10A2/10b. Inzwischen machen Schüler aller Klassenstufen mit. Hervorzuheben ist Anna Fedukov (l.), sie übernahm eine besondere Fleißarbeit, über die in der Zeitung berichtet wird – sie stellte vor einer Klassenfahrt in das ehemalige KZ Theresienstadt zusammen, wen die Nazis aus Stolberg dorthin deportierten. Daraus wird derzeit eine Wanderausstellung konzipiert. Das Thema Rechtsextremismus ist in Stolberg besonders aktuell. "Es brodelt", berichtete die Betreuerin der Gruppe, Claudia Titz. Viele Wahlplakate zur EU-Wahl seien mit der Aufschrift KAL verunziert worden, das Kürzel der rechtsextremen Kameradschaft Aachener Land.


3)  „Cabutzino“; Schülerzeitung des Johannes-Butzbach-Gymnasiums Miltenberg am Main

Bei der Ehrung für "Cabutzino"
Bei der Ehrung für "Cabutzino"

Bei der Ehrung für "Cabutzino"

Die Redaktion hat einen lehrreichen Schwerpunkt aus drei Texten erarbeitet – über Rechtsextreme allgemein, rätselnd, was Jugendliche in diese Szenen zieht, über einen Aussteiger, an dessen Ausstieg deutlich gezweifelt wird und über einen Pfarrer aus Miltenberg, der lehrreich begründet, warum er seine Kirchenglocken so lange läuten ließ, bis die NPD eine Kundgebung abbrach – und ihn daraufhin verklagte. Besonders fleißig war Maria Horn (2.v.r.), die an zwei der Texten beteiligt war. MUT druckt die Beiträge demnächst  ab.

4) Team 10e, „s Viechtacher Woidschratzl“ Schülerzeitung der Staatlichen Realschule Viechtach für ihre Reportage „Macht Eure Augen auf und seid kritisch!“


Eine Gruppe von 5 Schülerinnen (Julia, Laula, Verena, Vroni, Krissi) haben ein langes Zeitzeugengespräch mit Ute Schulz aus Schweidnitz  geführt, deren Vater einst Schulleiter war und wegen seiner Opposition zu den Nazis abgesetzt wurde. Ute und ihre Geschwister galten als „Vierteljuden“ und hatten dadurch erhebliche Nachteile. Sie schildert den Schülerinnen bitterprägende Alltags-Erlebnisse und was sie daraus als Lehren abgeleitet hat.

Die Redaktion aus Viechtach
Die Redaktion aus Viechtach

"Chefredaktion" mit Lehrerin:  Martin, Johann und Michael vom „s Viechtacher Woidschratzl“

Die Schülerinnen geben nicht einfach das Gespräch als Interview wieder, sondern machen sich die Mühe, seine sehr einfühlsame Reportage über die Begegnung zu verfassen. Chapeau! Auf die Zeitzeugin gestoßen waren die Schüler über ihre Geschichtslehrerin, die sich erinnerte, dass Ute Schulz vor Jahren einmal als Vertretungslehrerin an ihrer Schule war. "Wir hätten 15 Interviewseiten füllen könne, so beeindruckt waren wir", berichten die Macherinnen. Draufhin sei die Entscheidung gefallen, in mühseliger Kleinarbeit eine Zusammenfassung zu schreiben, "die keinen Denkanstoß auslässt".

Alle Preisträger des Schülerzeitungswettbewerbs 2009 im Bundesrat
Alle Preisträger des Schülerzeitungswettbewerbs 2009 im Bundesrat

Alle Preisträger des Schülerzeitungswettbewerbs 2009 im Bundesrat

Lobend erwähnen möchten wir noch den Beitrag „Meinungsfreiheit auch für Nazis?“ aus dem "Youthpaper" 2/09, der StadtschülerInnenzeitung für Rheine. Der Autor, Chris Schüler,  ist aber leider schon Student:


 „Sobald der politische Gegner eine öffentliche Veranstaltung macht, müssen Nationaldemokraten vor Ort sein, um etablierte Politiker zu Rede zu stellen“. Diese verklausulierte „Wortergreifungsstrategie“ der NPD ist der Grund für Chris Schüler vom „Youthpaper“ in Rheine, sich mit der Meinungsfreiheit für Nazis auseinandersetzen. Pointiert erklärt er, warum es wichtig ist, Neonazis von eigenen Veranstaltungen fernzuhalten – denn „Demokraten“ sind sie in keinem Fall.  

Tadeln wollen wir das Gegenteil von gutem Schülerzeitungsjournalismus: Die Zeitung „Platonium“ des Marie-Curie-Gymnasiums in Dresden.

Die 'Platonium-Redaktion aus Dresden (Ausgabe 34/2008)  hat ein Schwerpunktheft zum Thema Nationalismus produziert und darin voller Stolz ein Interview mit einem regionalen JN-Funktionär abgedruckt  – auf 5 Seiten („im Vorgespräch betonte er, dass er bereits auf allen Kontinenten außer Australien gewesen sei und nichts gegen Ausländer habe“). Die Platonium-Redaktion distanziert sich zwar formal von dem in Gänze wiedergegebenen Gespräch, geht der Neonazipropaganda aber inhaltlich unwidersprochen  auf den Leim. Dies wäre einmal vor Ort  ein Gespräch über Redaktionsethik wert.


Zum Nachlesen:

Prämiertes Woidschratzl-Interview und weitere Siegerexte

Mehr zum Schülerzeitungswettbewerb

www.mut-gegen-rechte-gewalt.de / Fotos: Holger Kulick

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Anetta kahane vergibt Urkunde an Redaktion aus Stolberg