…jede Stimme für die DVU eine Gegenstimme braucht“. Tom (20) aus Potsdam ist ein Erstwähler, wie man sich ihn wünschen kann. Nicht nur, dass er überhaupt noch Interesse daran hat, bei einer Kommunalwahl seine Stimme abzugeben. Tom ist zudem einer von insgesamt dreißig jungen Potsdamern, die sich an neuen Form von Internetkampagne beteiligen, mit dem Ziel, Jungwähler zu animieren, wählen zu gehen - aber bunt, und nicht rechtsextrem.
Von
Christopher Egenberger
Wahlumfragen im Januar hatten aufgeschreckt. Bis zu 12 Prozent der Jungwähler in Brandenburg würden der NPD die Stimme geben, die in Brandenburg bislang gar nicht vertreten ist, sondern die DVU. Als ein Schlüssel, den rechtsextremen Stimmenanteil zu reduzieren, gilt eine hohe Wahlbeteiligung. In Brandenburg stehen nach den Sommerferien am 28. September Kommunalwahlen bevor - dort sollen neue Wege versucht werden, das Verantwortungsgefühl der Bürger und die Wahlfaszination zu erhöhen. Aus diesem Grund haben sich sämtliche Fraktionen in der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung auf ein gemeinsames Vorgehen gegen NPD und DVU geeinigt. So sollen zwei Wochen vor der Wahl alle Wahlberechtigten mit einer Postkarte („Wählen ist bunt – nicht braun“) dazu aufgefordert werden, zur Wahl zu gehen und ihre Stimme einer demokratischen Partei zu geben.
Besonderes Augenmerk wird dabei auf Erst- und Jungwähler gelegt, die mit einer neuartigen Internetkampagne angesprochen werden sollen, die sich an die z. Z. populären Castingformate anlehnt. Insgesamt dreißig junge Potsdamer zwischen 18 und 28 Jahren stellen sich auf
www.ich-waehle-weil.de vor und offenbaren in einem Video ihre Haltung zu Politik im Allgemeinen und der kommunalen Jugendpolitik im Besonderen. Interessierte können die Meinungen der Kandidaten nicht nur kommentieren, sondern auch für ihren Favoriten abstimmen. Wer bis zum 10. August die meisten Stimmen auf sich verbuchen kann, erscheint auf der Titelseite des Stadtmagazins ‚Events’. Die fünf Bestplazierten des Votings werden ebenfalls zu offiziellen Werbemotiven, die auf Postkarten und Plakaten für die Kommunalwahl mobilisieren sollen.
Neben allgemeinen Informationen zur Kommunalwahl, stellen sich auf der Seite der Kampagne auch die Kandidaten vor, die von den Parteien ins Rennen geschickt werden. Dabei werden ihre Standpunkte zur Jugendpolitik in knapper Form präsentiert, damit sich die Erstwähler auch ein Bild davon machen können, für wen sie ihre Stimme abgeben können.
Entwickelt wurde die Kampagne von der zwanzigjährigen Clara Anders während eines Freiwilligen sozialen Jahres beim Stadtjugendring. Nun ist sie Projektleiterin und Gesicht der Kampagne. Auch sie gibt zu, eigentlich „politikverdrossen“ zu sein. Dabei sieht sie das Problem weniger in der Bereitschaft junger Menschen zum Engagement, als in den undurchschaubaren Strukturen, welche die Jugendlichen abschrecken würden. Viele glauben nicht daran, dass man am Ende etwas verändern kann. Dies wird selbst in den Beiträgen der Kandidaten deutlich, die nicht selten Wählen als das kleinere Übel darstellen oder gar wie Jule (24) dazu aufrufen, lieber ungültig abzustimmen.
Ob die 25.000 Euro teure Kampagne, zu der noch eine Podiumsdiskussion und ein Open-Air-Konzert am Freitag vor der Wahl gehören, am Ende ein Erfolg wird, ist nicht abzusehen. Da bei der letzten Wahl die Erstwähler statistisch lieber gar nicht erst erfasst wurden, fehlen die Vergleichszahlen. Politisch uninteressierte Jugendliche werden wohl kaum im größeren Umfang auf die Seite gelangen. Dafür sprechen auch die Besucherzahlen bzw. die Zahl der abgegebenen Stimmen beim Voting. Die z. Z. führende Steffi (19) konnte noch keine 700 Stimmen auf sich verbuchen.
Doch von denen, die doch irgendwie auf der Seite der Kampagne gelandet sind, findet der eine oder andere vielleicht doch ein Argument, dass überzeugend genug ist, trotz Politikverdrossenheit im September zur Wahl zu gehen. Die breite Diskussion auf der Seite darüber, ob denn ungültig wählen wirklich sinnvoll ist, zeigt beispielhaft, dass es niemals schlecht ist, wenn Jugendliche miteinander über Politik ins Gespräch kommen.
www.mut-gegen-rechte-gewalt.de