Das Portal
für Engagement
Ein Projekt des Magazins stern und der Amadeu Antonio Stiftung
Der 6. Mai 2009 geht in die MUT-Geschichte ein. Im Berliner Rathaus ehrte das "Bündnis für Demokratie und Toleranz" das MUT-Portal von stern und Amadeu Antonio Stiftung als "eine außergewöhnlich vielseitige Initiative, die eine breite Vernetzung zivilgesellschaftlicher Aktivitäten befördert sowie eine große Außenwirkung aufweist."
Insbesondere gewürdigt wurde das Handbuch "MUT-ABC für Zivilcourage", das die Redaktion 2008 gemeinsam mit mehreren Jugendinitiativen herausgegeben hat.
Zugleich wurden 15 weitere Projekte aus der Zivilgesellschaft für ihr couragiertes Bürgerengagement ausgezeichnet. Die Laudatio auf alle gemeinsam hielt Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit, der auch die Urkunden übergab. Hier sein Redebeitrag, in dem er deutlich macht: Demokratie ist kein Geschenk - sondern eine ständige Aufgabe.
Von Klaus Wowereit
Foto: Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) ehrt das MUT-Team, in der Hand das "MUT-ABC für Zivilcourage"
"Liebe Preisträger,
Dieses Rathaus soll Symbol sein für eine lebendige, weltoffene Metropole, die Vielfalt als Stärke sieht. Es steht deshalb allen Bürgerinnen und Bürgern offen.
Besonders willkommen sind uns dabei all jene, die in bürgerschaftlichen Initiativen den Spirit dieser Stadt prägen: Ehrenamtlich aktive Berlinerinnen und Berliner also, die sich mit guten Ideen und großem Elan für das Gemeinwohl engagieren. Und die Berlin auf diese Weise in den letzten 20 Jahren seit dem Fall der Mauer mitgestaltet haben.
Foto: Während der (hier abgedruckten) Rede Klaus Wowereits im Roten Rathaus am 6.5.2009
Dafür stehen auch die Berliner Gewinner des Wettbewerbs „Aktiv für Demokratie und Toleranz“. Die konkreten Bereiche ihres Engagements mögen unterschiedlich sein, aber sie verbindet ein gemeinsames Ziel: Sie alle treten ein für eine tolerante, friedliche und von gegenseitigem Respekt getragene Gesellschaft, in der Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Diskriminierungen keinen Platz haben.
Foto: Die engagierte Mieter-Interessenvertretung eines Doppelhochhauses in der Landsberger Allee 175/177 in Berlin-Lichtenberg - dort leben 1000 Mieter aus 15 Nationen unter einem Dach, die sich gemeinsam für eine bessere Integration aller Bewohner einsetzen.
Die meisten der ausgewählten Initiativen verfügen zwar nur über geringe Mittel. Und doch haben sie mit ihren Aktivitäten bereits eine ganze Menge bewirkt. Wenn wir die Berliner Initiativen also heute ehren, so geht es auch darum, ihr Engagement sichtbar zu machen. Das soll auch andere ermutigen, selbst aktiv zu werden und sich für Demokratie und Toleranz in unserem Land zu engagieren.
Foto: Ebenfalls ausgezeichnet: Die Zukunftwerkstatt Heinersdorf, die sich seit Februar 2007 gegen die Neonazipropaganda gegen einen Moscheebau in Heinersdorf engagiert.
Viele Berlinerinnen und Berliner sind heute zwar stolz darauf, dass unsere Stadt wieder als positives Aushängeschild dieses Landes wahrgenommen wird. Dass sie in aller Welt als offene und liberale Metropole gilt, in der es sich zu leben lohnt.
Aber wir dürfen dies nicht für eine Selbstverständlichkeit halten. Daran erinnern uns leider auch in jüngster Zeit wieder gewaltsame Angriffe gegen Homosexuelle. Daran erinnern uns antisemitische Vorfälle, fremdenfeindliche Sprüche oder andere unerträgliche Vorkommnisse dieser Art. Wir dürfen das nicht hinnehmen.
Vor allem aber müssen wir noch mehr Menschen klar machen: Wer andere wegen ihrer Religion, Hautfarbe oder Lebensweise ausgrenzt oder gar bedroht, der greift die gesamte Gesellschaft an. Das ist schließlich kein Nischenthema. Hier geht es um die Errungenschaften unserer Demokratie. Es geht um die Achtung des menschlichen Lebens und der menschlichten Würde, um Liberalität, Offenheit und um die Freiheit, andere anders sein zu lassen. Da ist noch sehr viel Arbeit zu leisten.
Foto: Als allen zugängliche Datenbank geehrt: Die Berliner Redaktion von www.cyberNomads.de, einem afro-deutschen Medien-Netzwerk der "Black Diaspora" in Deutschland
Der Bedarf an Aufklärung ist nach wie vor groß. Manche haben leider noch immer nicht begriffen, dass gegenseitiger Respekt, Toleranz und die Anerkennung gemeinsamer Regeln wichtigstes Kapital sind für eine von Vielfalt so stark geprägte Metropole wie Berlin. Und dass Toleranz oft nicht reicht, wenn sich nicht auch Akzeptanz damit verbindet.
Gerade Berlin hat leidvoll erfahren müssen, wohin es führt, wenn rassistische Parolen den Boden für eine menschenverachtende Politik bereiten. Die Gewalt gegen alles vermeintlich Fremde hat sich am Ende gegen die Gesellschaft selbst gerichtet, von der sie ausging.
Deutschland hat nach 1945 daraus gelernt. Am Anfang unseres Grundgesetzes steht ganz bewusst der Satz: "Die Würde des Menschen ist unantastbar."
Foto: Ebenfalls geehrt: Das Projekt Neuköllner "Stadtteilmütter auf den Spuren der Geschichte" der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e.V.
Und es war auch eine bewusste Entscheidung, das „Bündnis für Demokratie und Toleranz“ an einem 23. Mai, dem Tag unseres Grundgesetzes, ins Leben zu rufen. Das sollte dazu beitragen, dieses historische Datum stärker im öffentlichen Bewusstsein zu bewahren. Und es sollte unterstreichen, wie elementar die in unserer Verfassung verankerten Freiheitsrechten, Werte und Rechtsgrundsätze für unser Zusammenleben sind.
Foto: Famose Elterninitiative, um den Ausstieg Jugendlicher aus der rechtsextremen Szene zu erreichen: "Eltern gegen Rechts" aus Berlin-Lichtenberg
Als das Grundgesetz vor nun fast genau 60 Jahren in Kraft trat, war es zunächst ja nur als Provisorium für ein geteiltes Land gedacht. Heute ist es zum stabilen Fundament eines wiedervereinigten Deutschlands geworden, in dem Menschenwürde und Freiheitsrechte das Maß aller Dinge sind. Nach dem Zusammenbruch zweier Diktaturen hat sich nun im gesamten Land eine demokratische Ordnung durchgesetzt. Auch der verantwortungsbewusste Umgang mit der Geschichte und der Kampf gegen Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit sind seither Teil einer gesamtdeutschen Staatsräson.
Und doch gilt es auch heute – 60 Jahre nach Inkrafttreten des Grundgesetzes und 20 Jahre nach dem Fall der Mauer – wachsam zu bleiben.
Foto: Die AG Schwule Lehrer der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, die seit 28 Jahren besteht und für Diskriminierungen dieser Gruppe zu sensibilisieren versucht und homophoben Tendenzen entgegen wirken will.
Von Heinz Galinski, dem langjährigen Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde zu Berlin, stammt die Aussage (ich zitiere):
„Demokratie kann man keiner Gesellschaft aufzwingen, sie ist auch kein Geschenk, das man ein für allemal in Besitz nehmen kann. Sie muss täglich erkämpft und verteidigt werden.“
Diese Sätze könnten auch als Motto über unserer heutigen Veranstaltung stehen. Denn fest steht: Offenheit, Liberalität und Menschlichkeit lassen sich nicht verordnen. Werte wie diese müssen gelebt und ihre Akzeptanz im Alltag immer wieder neu erstritten werden.
Unsere Preisträger heute sind hier echte Vorbilder im allerbesten Sinne. Durch ihr Engagement haben sie eindrucksvoll bewiesen, dass jede und jeder einen Beitrag zur Stärkung unserer Demokratie leisten kann.
Foto: Das Team vom Berliner "jugendFORUM", einem Online-Magazin für politisch interessierte Jugendliche aus dem Berliner Wannseeforum
Unsere Demokratie braucht wache, gut informierte, selbstbewusste und aktive Bürgerinnen und Bürger wie Sie es sind. Sie braucht Bürgerinnen und Bürger, die sie tragen und mit Leben füllen. Die sich aber auch wehren, wenn Menschenwürde und Freiheitsrechte auf dem Spiel stehen.
In diesem Sinne danke ich allen diesjährigen Preisträgern des Wettbewerbs „Aktiv für Demokratie und Toleranz“, für Ihr wichtiges Engagement im Zeichen eines solidarischen und harmonischen Miteinander in unserer Stadt. Und das sage ich nicht nur im Namen des Berliner Senats, sondern auch im Namen der Berlinerinnen und Berliner, die von Ihrer ehrenamtlichen Arbeit profitieren.
Gruppenfoto: Alle vom Bündnis für Demokratie und Toleranz ausgezeichneten Berliner Preisträger und ihre Mitakteure
Darüber hinaus gilt mein Dank dem „Bündnis für Demokratie und Toleranz“. Es ist zwar erst knapp neun Jahre alt. Doch hat es sich seither überaus erfolgreich darum verdient gemacht hat, die aktive Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern im Interesse einer lebendigen Demokratie zu fördern.
...Herzlichen Dank!"
Es gilt natürlich das gesprochenen Wort! Hier eine Liste aller Preisträger. Hier mehr über das MUT-ABC, über eine weitere Ehrung und den Alltag von MUT. Und hier mehr über weitere Infowebsites über Rechtsextremismus.
www.mut-gegen-rechte-gewalt.de / Copyright Fotos: Holger Kulick, Regina Rahe & Thomas Schliesser