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Seit nunmehr zwölf Jahren setzt sich der soziokulturelle Verein „Treibhaus“ in Döbeln mit seinen Angeboten für junge Menschen und Migranten ein. Dieses unermüdliche Engagement wurde 2008 mit dem Sächsischen Förderpreis für Demokratie belohnt. Vereinsmitarbeiter Tobias Melzer erzählt im Interview, wie es mit dem ausgezeichneten Projekt „Jugendbüro Diversity“ vorangeht.
Die Fragen stellte Jan Schwab
Der Verein Treibhaus ist für sein Projekt „Jugendbüro Diversity“ mit dem Sächsischen Förderpreis für Demokratie ausgezeichnet worden. Zunächst einmal: Was ist mit „Jugendbüro Diversity“ eigentlich gemeint? Was ist die Kernidee dieses Projektes?
Tobias Melzer: Das Jugendbüro Diversity ist eine Weiterentwicklung der Netzwerkstelle Döbeln, welche durch das Bundesprogramm Civitas gefördert wurde. Das wesentliche Merkmal ist dabei die kontinuierliche Arbeit mit Jugendlichen und jungen Menschen im Hinblick auf eine demokratische Mitgestaltung ihres Gemeinwesens. So unterstützen wir konkret Jugendinitiativen vor Ort bei der Organisation und Durchführung von sozialen Projekten. Darüber hinaus versuchen wir eine Lobby für die Belange von Jugendlichen und jungen Menschern im neuen Landkreis Mittelsachsen aufzubauen. Unser besonderes Augenmerk richtet sich dabei auf die Jugendlichen mit ihren spezifischen Merkmalen und Eigenschaften.
Die Auszeichnung des Sächsischen Förderpreises umfasst einen Preis in Höhe von 15.000 Euro. Wofür wird das Geld denn im Einzelnen benötigt?
Die Auszeichnung mit dem Sächsischen Förderpreis für Demokratie war eine riesige Überraschung und hat uns sehr gefreut. So ermöglichte uns das Preisgeld, dass wir unser Projekt „Jugendbüro Diversity“ so fortsetzen konnten, wie wir es geplant hatten. Die Gelder sind also zu großen Teilen direkt in das Projekt geflossen. Neben den Aufwendungen unter anderem für Personalkosten haben wir uns auch noch eine neue Musikanlage für unser Café Courage gekauft, da die alte Anlage schon seit langer Zeit Probleme bereitete.
Ein wichtiger Bestandteil des Projektes sind Beratungsangebote für benachteiligte Menschen, zum Beispiel Flüchtlinge. Was sind denn die Probleme, mit denen sich diese Menschen herumschlagen, und wie hilft das Jugendbüro?
Zu den Menschen, die uns aufsuchen, zählen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund. Bei vielen deutschstämmigen Jugendlichen und jungen Menschen nehmen die Themen Armut, Arbeitslosigkeit und Zukunftsängste einen immer größeren Raum ein. So kommt es leider vor, dass - bedingt durch die verschärfte Sanktionierungspraxis der ARGEn - uns junge Menschen ansprechen: sie hätten Hunger, könnten aber nicht mehr das Geld für die Nahrungsmittel aufbringen. Oftmals müssen wir bei den zuständigen Behörden vorsprechen und ein klein wenig Druck erzeugen, um Bearbeitungszeiten von Anträgen zu verkürzen bzw. eine Sanktionierung zu mildern.
Bei den Menschen mit unklarem Aufenthaltsstatus vermitteln wir oft kompetente Anwälte, welche bei der Aufenthaltserlaubnis bzw. der sozialen Absicherung und der Gesundheitsversorgung aktiv werden. Bedingt durch die Benachteiligung gegenüber Deutschen ergibt sich oftmals eine nur rudimentäre gesundheitliche Versorgung, die selbst dann noch eingefordert werden muss. Auch in anderen Bereichen haben diese Menschen oft Probleme, sich zurecht zu finden und benötigen daher unsere Unterstützung.
Unter dem Dach des Hauses in der Bahnhofstraße befinden sich inzwischen viele unterschiedliche Projekte, Gruppen und Angebote. Wie läuft denn die Kommunikation und Vernetzung zwischen diesen Gruppen? Das ist ja eines der Ziele des Jugendbüros, oder?
Wir haben gegenwärtig sechs unterschiedliche Projektgruppen unter unserem Dach. Dazu zählen die Computerlounge, eine Jonglage-Gruppe, die Vol(x)küche, eine Recyclingwerkstatt, das Caféteam sowie die Gruppe mit der politischen Bildungsarbeit. In naher Zukunft wollen wir noch eine Druckwerkstatt, eine Fahrradwerkstatt sowie eine Jugendmediathek aufbauen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Projekte haben prinzipiell die Möglichkeit, sich mittwochs bei der offenen Mitgliederversammlung über den Stand der jeweiligen Projekte zu informieren. Zudem läuft auch einiges an Kommunikation über die Sozialpädagogen zusammen, die die Projekttreffen begleiten. Darüber hinaus haben wir vor einiger Zeit unsere Internetseite komplett überholt. Über diese kann sich nun ein jeder über den Stand der Projekte informieren und Kontakt zu den Gruppen aufnehmen. Für das Jahr 2010 ist angedacht, eine große gemeinsame Zukunftswerkstatt zu organisieren, welche auch helfen soll, die Kommunikation und Abstimmung unter den einzelnen Projekten zu verbessern.
Wie weit ist der geplante Aufbau der Jugendbibliothek und der Computerlounge seit November 2008 vorangeschritten?
Mit dem Ausbau der Jugendbibliothek soll jetzt im Juni begonnen werden. Dazu bereiten wir gerade Fragebögen vor, um so viele Mitglieder wie möglich nach ihren Ideen für eine Jugendmediathek zu befragen. Ab August beginnt dann die eigentliche Umbauphase. Anders die Computerlounge: hier gibt es schon jetzt fünf Rechnerplätze, die von der Öffentlichkeit genutzt werden können. Dies ist umso wichtiger, da wir gegenwärtig die einzige Anlaufstelle für einen öffentlichen Internetzugang in der Stadt Döbeln sind. Mittlerweile hat sich auch ein Team von vier bis fünf jungen Menschen gefunden, die die Computerlounge betreuen. Auch hier denken wir über weitere geeignete Ausbaumöglichkeiten nach.
Wenn Sie oder Ihre Kollegen ein Resümee ziehen über inzwischen 12 Jahre demokratische Arbeit im Jugendbereich – wie würde dieses Resümee ausfallen? Welche Ziele haben Sie erreicht? Und wo besteht in der Stadt und der Region noch Handlungsbedarf?
Es ist schwer, ein Resümee zu ziehen, wenn man sich ein so komplexes Gebilde wie ein Gemeinwesen vor Augen hält. Festzuhalten bleibt jedoch, dass wir maßgeblich daran beteiligt waren, 80 Menschen in einen sicheren Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland zu begleiten. Hunderte von jungen Menschen haben unseren Verein als wichtigen Zwischenschritt auf ihrem Weg in ein selbst bestimmtes Leben genutzt. Wir waren maßgeblich daran beteiligt, für Kinder mit unklarem Aufenthaltsstatus das Recht auf einen Kindergartenplatz einzufordern. Die interkulturelle Woche „Prisma“ ist mittlerweile eine beständige Größe in der Stadt Döbeln, die dazu beiträgt, dass sich Menschen unterschiedlicher Herkunft begegnen, austauschen und besser respektieren können. Kreisjugendring, Jugendplanungszelle, AG Jugend und Netzwerk Migration sind weitere Projekte und Gremien, die wir aktiv mitgestalten und in denen dafür gekämpft wird, dass sich Menschen hier ernst genommen fühlen und die dazu beitragen, dass sich junge Menschen frei entfalten können.
J e t z t b e w e r b e n !
Auch 2009 belohnt der Sächsische Förderpreis für Demokratie wieder mutige und innovative Projekte und Initiativen in Sachsen, die sich für die Menschenrechte und den Schutz von Minderheiten einsetzen oder sich für mehr Demokratie und gegen Rassismus, Rechtsextremismus und Antisemitismus engagieren. Bewerben Sie sich jetzt! Einsendeschluss ist der 15. Juli 2009. Mehr unter: www.demokratiepreis-sachsen.de
www.mut-gegen-rechte-gewalt.de / hk