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Keine Sekunde zu früh

Neun Monate und ein bisschen dauert es, wie wir wissen, von der Empfängnis bis zur Geburt. Jedenfalls beim Menschen. Ob das nun lang ist oder kurz ist vollkommen egal, solange am Ende der freudigen Erwartung das Wunder wahr wird und das Glück vollkommen. Gewiss, nach der Niederkunft beginnen sogleich Arbeit und Stress, alle jungen Eltern wissen das und ahnen gleichzeitig in diesem Moment nicht annähernd, was da auf sie zukommt. Das Neugeborene ist das Schönste auf der Welt und nichts, was es zukünftig an Problemen machen wird, kann diese Überzeugung trüben.

Ein Kommentar von Anetta Kahane

Ganz so verklärt waren wir nicht, als die Bundesministerin Frau Schwesig endlich neun Monate nach ihrer Wahl das neue Bundesprogramm gegen Rechtsextremismus vorstellte. Aber wir waren doch deutlich beglückt über die Tatsache, dass es endlich gelungen ist, dem Kind einen Namen und ein Gesicht zu geben. Es heißt jetzt „Demokratie leben! – Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“, hat drei Säulen und eine Reihe von Unterpunkten, die sich sehen lassen können und macht durchaus den Eindruck ein Kind mit Herz zu sein. Mit 30,5 Millionen ist es allerdings deutlich untergewichtig und wird wohl noch einiges mehr brauchen, um alle Erwartungen zu erfüllen, die es jetzt bereits weckt. Dieses Neugeborene hat keine Sekunde zu früh das Licht dieser Welt erblickt. Unserer Einschätzung nach braucht es aber bald Geschwister, die ihm helfen, seine Ziele zu erreichen. Jedes einzelne Ministerium sollte ein solches Kind hervorbringen um die Familie der Demokraten zu stärken. Gegen Rechtsextremismus im Jugendressort anzutreten ist gut, Rassismus in all den anderen Bereichen zu bekämpfen, dafür reicht dieses neue Programm nicht aus. Nun, Eins nach dem Anderen, seien wir optimistisch, im Angesicht dieses freudigen Ereignisses. Lasst uns dem Kind zunächst das Laufen beibringen bevor es in die Welt hinausgeschickt wird.

An dieser Stelle sei allen gedankt, die das Programm auf den Weg gebracht haben: den Eltern, aus deren Feder es kam und uns allen, den vielen Paten, die mit ihren Erfahrungen und ihrer Kritik an seiner Gestaltung mitgewirkt haben. So viel Lob ist ungewöhnlich und sicher ließe sich auch Kritisches zum neuen Programm sagen. Abgesehen davon, dass wir dazu noch jede Menge Gelegenheit haben und nutzen werden, tut es auch den Engagierten in den Ministerien gut Anerkennung zu erleben. Also: Danke dafür, dass wir ernstgenommen werden, das war lange nicht selbstverständlich und danke für das Versprechen uns zu vertrauen. Auch das haben wir lange nicht erlebt. Wir versprechen dem Kind lebendige Zeiten, wir werden es kräftig machen, es behüten und auch fordern.

Jetzt ist Juli, ein perfekter Monat um anzufangen, denn die Probleme, mit denen wir es zu tun haben und die Menschen um die es dabei geht, sollen nicht weitere neun Monate warten müssen..
 

© Amadeu Antonio Stiftung