Am 4. Juli 2008 hatte der Bundesrat eine Gesetzesinitiative beschlossen, nach der menschenverachtende, rassistische oder fremdenfeindliche Beweggründe bei der Strafbemessung von Gewalttaten stärker berücksichtigt werden sollten. Das klingt vernünftig. Wer sollte etwas gegen ein härteres Vorgehen gegen Rechtsextreme einzuwenden haben? So einfach, wie man zunächst annehmen könnte, stehen die Dinge aber nicht. Auch ist es alles andere als selbstverständlich, dass nach dem Bundesrat nun auch der Bundestag der Änderung des Strafgesetzbuches (StGB) zustimmen wird. Die Meinungen zu dem Gesetzesentwurf sind durchaus zwiespältig. Deshalb hat MUT mal in den Bundestagsfraktionen nachgefragt!
Von Christopher Egenberger
Der Bundesrat wollte ein deutliches Zeichen gegen sogenannte „Hatecrimes“ setzen, nachdem die Zahl rechtsextremer Übergriffe tendenziell weiterhin zunimmt. Die Länder versprechen sich von einer strengeren Bestrafung eine abschreckende Wirkung. Zukünftig soll es häufiger Haft- anstelle von Geldstrafen geben und deutlich höhere Hürden für eine Aussetzung zur Bewährung. Die brandenburgische Justizministerin und Mitinitiatorin der Gesetzesinitiative, Beate Blechinger (CDU), meint, dass Bewährungsstrafen in der rechtsextremen Szene oft als Freispruch gefeiert werden würden. Mit einem schärferen Strafmaß sollte ihnen daher „das Riskante ihres Tuns“ klar gemacht werden. Damit werde sowohl ein Beitrag zum Schutz potenzieller Opfer als auch zur Senkung der Rückfallquote geleistet.
Doch der nun verabschiedete Entwurf hat einige Kritik aus Justiz, Politik und Rechtsextremismus-Fachkreisen erfahren. Selbst Opferberatungsstellen, wie LOBBI in Mecklenburg-Vorpommern, können dem Gesetzesentwurf wenig abgewinnen. Die Zweifel beziehen sich insbesondere auf den erhofften Abschreckungseffekt, da eine heilsame Wirkung von Jugendhaft bisher in der rechten Szene nicht beobachtet werden konnte. Neben den umstrittenen Erfolgsaussichten wird zudem der Widerspruch thematisiert, autoritäre Mentalitäten mit staatlicher Autorität ändern zu wollen. Letztendlich würden Low-and-Order-Methoden die Idee einer liberalen, aktiven und emanzipierten Zivilgesellschaft konterkarieren.
Begrüßenswert wäre hingegen eine Sensibilisierung von Polizei und Justiz, um die vorhandenen gesetzlichen Mittel in der Auseinandersetzung mit rechtsextremer Gewalt ausschöpfen zu können. Noch immer würden zu häufig die menschenverachtenden Motive einer Tat ausgeblendet, was dann über eine positive Sozialprognose zu einem milderen Urteil führt. Dies gilt besonders dann, wenn zwischen Tat und Verurteilung teilweise bis zu drei Jahre vergehen. Wenn das erlittene Leid aber in der Urteilsbegründung eine angemessene Würdigung findet und der Kontext der Tat thematisiert wird, halten nach Angaben von LOBBI die Betroffenen die Strafzumessung in der Regel für angemessen.
Doch weil komplizierte Sachverhalte im politischen Alltag nur schwer zu vermitteln sind, beschränken sich Politiker eben zumeist auf einfache Forderungen. Von MUT auf die Kritik angesprochen, betont eine der Initiatoren des Gesetzesentwurfs, die Justizministerin von Sachsen-Anhalt, Angela Kolb (SPD), dass es „nicht nur um den Abschreckungsgedanken des Strafrechts geht, sondern „um eine kongruente Reaktion der Justiz“. Zwar gehe es auch um „spürbare Konsequenzen, also um Verurteilungen ohne Bewährung“, aber eben auch „um eine Verbesserung des Behandlungsvollzugs“, d.h. pädagogische Arbeit und politische Bildung, sowie einer „Verbesserung der Nachsorge“. Neben einem „zeitnahen Urteil“ wäre man den Opfern schuldig, „dass sich das Urteil mit der Motivation der Täter auseinandersetzt“.
Wird der Bundestag nun den Ländern folgen und dem Gesetzentwurf ebenfalls zustimmen? Angela Kolb antwortet auf diese Frage alles andere als optimistisch. „Dogmatische Gründe“ von Gegnern einer Novellierung des StGB hätten zu „Problemen in der Phase der Vorbereitung“ geführt. Dennoch sollen Gespräche mit Vertretern des Rechtsausschusses eine Mehrheit im Bundestag von der Notwendigkeit der Gesetzesänderung überzeugen. Dass dies gelingen wird ist alles andere als sicher. Erste Stimmen aus den Fraktionen stimmen wenig zuversichtlich.
Der rechtspolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, Jerzy Montag, möchte zwar auch, dass rechtsextremistische Gewalt „entschieden bekämpft“ wird und neben zivilgesellschaftlichem Engagement auch die strafrechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, doch hält auch er neue Strafbestimmungen für nicht notwendig. Die Forderung des Bundesrates wäre vielmehr ein billiger „Sommerlochfüller“ anstelle eines „ernsthaften Beitrags zur dringend notwendigen Reform des materiellen Strafrechts“. Für Jerzy Montag steht außer Frage, „dass strenge Strafen nötig sind, um unbelehrbare rechte Schläger zu sanktionieren, die Behinderte, Ausländer, Schwule oder linke Punker angreifen, verletzen und manchmal sogar in den Tod treiben“. Geld- oder Bewährungsstrafen wären da fehl am Platz. Doch wenn eine Tat rassistisch, politisch oder homophob motiviert ist, wäre „dies bereits nach heute schon geltendem Recht bei der Strafzumessung zu berücksichtigen“. Handlungsbedarf sieht der rechtspolitische Sprecher der Grünen hingegen „bei der Gewährung von Entschädigungen für Opfer rassistischer und auch homophober Gewalt“, weil Ausländer in Deutschland vom Opferentschädigungsrecht ausgeschlossen seien.
Auch der FDP-Abgeordnete Christian Ahrendt hält harte Strafen für wünschenswert, die geplanten Verschärfungen aber für „vollkommen untauglich“. Er warnt vor „übertriebenen Aktionismus“, weil die bestehenden Gesetze definitiv ausreichen würden, um eine extremistisch veranlasste Straftat angemessen zu ahnden. Ähnlich hatte sich auch die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger geäußert, als sie den Initiatoren Populismus vorwarf. Ahrendts Fraktionskollege Jörg van Essen wendet sich grundsätzlich gegen „jegliches Gesinnungsstrafrecht“. Das Vorgehen der Fraktion soll aber erst nach der Expertenanhörung des Rechtsausschusses festgelegt werden.
Der rechtspolitische Sprecher der Linken, Wolfgang Neskovic meint, dass zwar „zur Bekämpfung des Rechtsextremismus auch strafrechtliche Instrumentarien in Betracht kommen können“, das einseitige Abstellen auf solche Maßnahmen dem Problem aber sicher nicht gerecht wird. Der Forderungskatalog der Linken umfasst daher neben Strafverfolgung eine unabhängige Beobachtungsstelle, die finanzielle Unterstützung zivilgesellschaftlicher Initiativen, eine verbesserte Ausbildung von Pädagogen sowie eine antifaschistische Klausel im Grundgesetzt. Neskovic verweist auf unterschiedliche Meinungen zu der Bundesratsinitiative innerhalb der Bundestagsfraktion der Linkspartei und erklärt, dass ein endgültiges Urteil noch nicht gefällt sei.
Dagegen wollten sich die beiden Regierungsparteien derzeit noch nicht zu dem Gesetzentwurf äußern. Zuversicht hinsichtlich der Umsetzung der Länderinitiative, die ja von SPD und CDU in Sachsen-Anhalt und Brandenburg ausgegangen ist, sieht anders aus. Angesichts der durchweg verhaltenen Stimmungen in den Oppositionsfraktionen ist eine Durchsetzung der Änderung des StGB auch alles andere als sicher.
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