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NPD: Aus der Kasse in die Küche?

Der Schatzmeister der NPD ist verhaftet worden - wegen Verdachts auf Untreue. Die rechtsextreme Partei fällt aber nicht zum ersten Mal durch schmuddelige Geldgeschäfte auf. Ein gastbeitrag aus der Süddeutschen Zeitung.

Von Arne Boecker und Hans Leyendecker

Kurz vor Weihnachten schrieb NPD-Schatzmeister Erwin Kemna einen Brief an die Bundestagsverwaltung. Der Kassenwart der rechtsextremen Partei war wegen Verdachts auf Schummeleien aufgefordert worden, die Rechenschaftsberichte ab 1997 erneut zu prüfen.

Seine Partei, teilte Kemna mit, stecke mitten in der Arbeit. Der "Umfang, allein für die Jahre 1997 bis 2000, ist gewaltig". 64 Buchhaltungen seien zu überprüfen. "Wir werden dazu noch einige Monate benötigen." Die bisherigen Kontrollen "von elf Landesverbänden" hätten "keine Anhaltspunkte für Unrichtigkeiten ergeben". Die Kosten pro Neuprüfung schätze er auf 40.000 Euro pro Jahr. Diese Summe "können wir frühestens nach dem 15. Februar 2008 aufbringen".

Ein paar Tage vor dem festgesetzten Stichtag wurde Kemna nun festgenommen. Die Staatsanwaltschaft Münster und das Landeskriminalamt Düsseldorf ermitteln seit März 2007 gegen den 57-Jährigen wegen Verdachts der Untreue. Kemna soll 627.000 Euro NPD-Geld veruntreut haben, die er in seine Küchen-GmbH leitete. Der Hinweis einer Bank, die einen Geldwäscheverdacht hatte, brachte die Ermittler auf die Spur.

Die spektakuläre Heimsuchung des NPD-Kassierers wirft ein Schlaglicht auf die Praktiken der rechtsextremen Partei, in der nichts seine Ordnung hat. Funktionäre verschleiern Geldflüsse systematisch, und die Grenzen zwischen Privat-und Parteikassen sind fließend. Am Donnerstagmorgen noch hatte die Parteispitze gerätselt, was denn gegen Kemna vorliegen könne.

Falsche Quittungen

NPD-Bundesgeschäftsführer Peter Marx sagte der Süddeutschen Zeitung, er habe von "mehreren Personen gehört, die nicht als Darlehensgeber benannt werden" wollten. "Die könnten dem Kemna gesagt haben: Lasse meine 50 oder 100.000 Euro doch als Darlehen über dein eigenes Konto laufen und zahl mir das Geld dann zurück." Außenstehende könnten glauben, dass Kemna das Geld in die eigene Tasche gesteckt habe. Das sei aber "nur eine Vermutung" von ihm, sagte Marx.

In der NPD trauen viele vielen alles zu. Vor einiger Zeit hatte die Bundestagsverwaltung die Rechtsextremen beim Hantieren mit erfunden Spenden ertappt und knapp 880.000 Euro zurückgefordert (und bekommen). Der kleine thüringische Landesverband hatte angeblich in großem Stil Spenden akquiriert. Es stellte sich heraus, dass die Kader im Osten falsche Quittungen ausgestellt hatten, um Zuschüsse zu erhalten. Für jeden Euro Spende legt der Staat Geld drauf.

Der Organisator der wundersamen Geldvermehrung, der Versicherungskaufmann Frank Golkowski, wurde zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt und teilte dann dem Spiegel mit, die Bundesführung sei eingeweiht gewesen und habe den Spendenschmu sogar gefördert. Saubermann Kemna wies Ende vergangenen Jahres den Vorwurf schroff zurück und äußerte den Verdacht, Golkowski habe im Auftrag "bestimmter Staatsorgane gehandelt." Ein V-Mann des Verfassungsschutzes also. Jetzt muss Kemna damit rechnen, verdächtigt zu werden, ein V-Mann zu sein.

Wem was gehört, ist bei den Rechtsextremen nicht immer leicht zu durchschauen. So hatte Kemna im Sommer 1999 mit zwei alten Kameraden in Berlin-Köpenick für 190.000 Euro einen Altbau gekauft. Die Eigentümergemeinschaft vermietete die Immobilie zunächst als Bundesgeschäftsstelle an die NPD und verkaufte das Haus gut zwei Jahre später für 282.000 Euro an die Bundespartei. Laut Kaufvertrag kassierte Kemna das Geld allein. In einer Partei, in der die Kameraden wie Skorpione übereinander herfallen, war der Transfer natürlich Gespräch.

Die NPD und das Geld - das ist auch ein Thema für die große Berliner Politik. Nachdem die Partei vor fünf Jahren ein Verbotsverfahren überstanden hatte, suchen die Innenminister nach einem Weg, der NPD die Zuschüsse zu streichen. Den Rechtsradikalen, die im vergangenen Jahr 1,376 Millionen Euro bekamen, soll der Geldhahn zugedreht werden.

In einem vertraulichen zwölf Seiten starken Bericht einer "länderoffenen Arbeitsgruppe Finanzquellen der rechtsextremistischen Kreise" wird nach Wegen gesucht. Die "Herausnahme solcher Parteien aus der staatlichen Teilfinanzierung", so stellen die Verfasser des am 4.Oktober 2007 gefertigten Papiers fest, "wäre mit dem Grundgesetz nicht vereinbar". Sinnvoll aber seien Finanzermittlungen durch Verfassungsschützer.

Mit der Hilfe der Medien

Das neue Terrorismusbekämpfungs-Ergänzungsgesetz erleichtere dem Bundesamt für Verfassungsschutz eigene Finanzermittlungen "im Bereich der Kreditinstitute, Finanzdienstleister und Finanzunternehmen" bei "rechtsextremistischen Vertrieben, die volksverhetzende Materialien anbieten".

Geheime Finanzermittlungen seien auch möglich, wenn die "erwirtschafteten Gewinne für militante Bestrebungen genutzt werden". Insbesondere in der "Frage der Gemeinnützigkeit von Vereinen" sei ein "geregelter Informationsaustausch zwischen Finanzbehörden und Verfassungsschutzämtern notwendig, um eine Steuerbegünstigung rechtsextremistischer Vereine zu verhindern".

Es sei auffällig, dass es sich bei "zahlreichen Bemühungen der NPD zum Kauf von Immobilien" in Wirklichkeit um "politisch motivierte Immobiliengeschäfte" handle ("Scheinkäufe"). Medienwirksam werde von angeblichen Käufern angekündigt, "auf dem neu erworbenen Grundstück Schulungs- und Veranstaltungszentren einzurichten. Die Gemeinden sollten letztlich gezwungen werden, von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen". Die NPD verspreche sich "Gewinn durch Provision". So habe der Kreisverband Jena der NPD im Internet die "Vermittlung" bei Immobiliengeschäften gegen Zahlung einer Spende angeboten.


Die Verfassungsschützer haben jede Äußerung des Kassenwarts zur finanziellen Entwicklung der Partei festgehalten. Im Jahresbericht 2006 wird Kemna mit dem Satz zitiert, das Barvermögen der NPD sei "aktuell nicht sehr hoch", weil "alle Wahlkämpfe vorfinanziert" seien. Von seiner offenkundig notleidenden Küchen GmbH war in dem Bericht nicht die Rede.

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Die Sicht der NPD: >klick
Der Original-Artikel in der SZ vom 8.2. >klick

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