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Eiszeit für Neonazis


Erneut mussten die Neonazis bei ihrem Jahresevent in Dresden eine Schlappe hinnehmen. Bis zu 20.000 Gegendemonstrierende verhinderten ihren Aufmarsch. Schon in diesem Jahr sank die Teilnehmerzahl auf Neonaziseite auf ca. 2.000. Eine Fotoreportage.


Von Nora Winter


Schon am frühen Morgen des 19. Februars 2011 füllte sich die Stadt Dresden. Einer der größten Neonaziaufmärsche sollte wie jedes Jahr stattfinden. Doch schon 2010 waren die Gegendemonstrierenden erfolgreich: Der Neonaziaufmarsch wurde blockiert. 2011 wiederholte sich dieser Erfolg.

Allerdings zeichnete sich schon im Vorfeld ab, dass es diesmal schwieriger sein könnte, sich den Neonazis entgegenzustellen. Das Dresdner Verwaltungsgericht entschied, dass die Blockaden vom letzten Jahr rechtswidrig waren und die Neonazis hätten laufen dürfen. Das war eine eindeutige Aufforderung an die Polizei, härter durchzugreifen. Genau dies geschah nun an diesem 19. Februar. Nachdem am vorherigen Wochenende, dem 13. Februar, beim regionalen Fakelmarsch der Szene noch alles glimpflich ablief und die Neonazis nach verkürzter Route nach Hause fahren mussten, schritt die Polizei verschärft ein. Die 4.500 Einsatzkräfte benutzten schon am frühen Morgen Wasserwerfer und Pfefferspray gegen die Gegendemonstrierenden. "Dresden Nazifrei", Koordinationsbündnis der Proteste, sprach von etwa 20.000 Teilnehmenden, die sich in der Dresdner Südvorstadt und in Dresden-Plauen verteilten. Die Polizei spricht von "mehreren tausend Gegendemonstranten". Am Hauptbahnhof versammelten sich nach Schätzungen der Polizei 600 Neonazis. 50 weitere an der Nürnberger Straße und nach ungewissen Schätzungen 1.200 in Dresden-Plauen. Hier eskalierte die Situation besonders heftig. Selbst sogenannte "Pepperballs" sollen gegen die Demonstrierenden zum Einsatz gekommen sein. Mehrmals sprach die Polizei an Blockadepunkten von "Straftaten" und wollte die Personalien der Teilnehmenden aufnehmen. Am Abend gab es außerdem eine Razzia im "Haus der Begegnung". In dem Haus sitzen die Partei DIE.LINKE, Jugend und kulturelle Initiativen. Ebenso "Dresden Nazifrei" richtete hier seine Pressestelle ein. Der Grund der Razzia soll der Verdacht zur Vorbereitung auf schweren Landfriedensbruch sein. Am kommenden Sonntag will die Polizei in einer Pressekonferenz Stellung nehmen.

Am frühen Nachmittag kam es zu einem Neonaziangriff auf ein alternatives Wohngebäude in Dresden-Löbtau, dass auch schon im letzten Jahr zum Opfer eines Brandanschlags wurde. Am Vormittag soll es in einem Zug von Zittau nach Dresden einen Messer-Übergriff von Neonazis auf Mitreisende gegeben haben.

Erneut gelang es also, einen Neonazisaufmarsch in Dresden zu verhindern. Dennoch bleibt ein herber Beigeschmack, über den das letzte Wort noch nicht gesprochen ist.

Pau, Göring-Eckardt, Thierse, Hövelmann, Taubert
Pau, Göring-Eckardt, Thierse, Hövelmann, Taubert

Am Morgen besuchten Petra Pau (Bundestagsvizepräsidentin), Katrin Göring-Eckardt (Präsidentin des Deutschen Evangelischen Kirchentags), Wolfgang Thierse (Bundestagsvizepräsident), Holger Hövelmann (Innenminister Sachsen-Anhalt) und Heike Taubert (Sozialministerin Thüringen) die vielen Mahnwachen, die im Dresdner Stadtgebiet errichtet waren. "Wir wollen ein Zeichen für Gewaltlosigkeit setzen. Das kann man im Stehen - und im Sitzen", sagte die Generalsekretärin des Kirchentages Dr. Ellen Ueberschär bei der Andacht zu Beginn. "Ich wünsche mir, dass nicht der Eindruck bestehen bleibt, das die Stadt Dresden alles tut, dass die Neonazis laufen können, und gleichzeitig demokratischen Protest verhindert", so Thierse.

Neonazis
Neonazis

Währenddessen sammelten sich am Dresdner Hauptbahnhof die Neonazis. Sie versuchten auch durch die Polizeiabsperrungen durchzubrechen. Als dies nach vorn nicht gelang, probierten sie es in die andere Richtung. Doch auch damit scheiterten sie. In Dresden-Plauen allerdings gelang es kurzzeitig mehreren Neonazis durch die Absperrungen zu kommen.

Blasmusik
Blasmusik

Unterdessen zogen viele Protestierende zum Dresdner Hauptbahnhof und untermalten die Demonstration mit Musik. An einer Tuba klebte auch ein Bild von Marwa El-Sherbiny, die 2009 im Dresdner Landgericht aus rassistischem Motiv erstochen wurde.

Beck, Ströbele, Lazar
Beck, Ströbele, Lazar

Auch Volker Beck, Hans-Christian Ströbele und Monika Lazar von den GRÜNEN unterstützten die Proteste. "Ich bin erstaunt, dass man das Skandieren von Parolen wie 'Nationaler Sozialismus - Jetzt' nicht nutzt, um die Versammlung hier aufzulösen", sagte Beck. "Die Stadt Dresden hat sich auch im Vorfeld nicht mit Ruhm bekleckert", so Lazar. An der Stadt Leipzig sehe man, wie auch eine Stadtverwaltung erfolgreich gegen Neonazis vorgehen kann.
Nachdem die Neonazis hier in Dresden nicht demonstrieren konnten, wollten sie nach Leipzig ausweichen. Doch sie wurden schon am Leipziger Hauptbahnhof vom Polizeispräsidenten Horst Wawrzynski sowie hunderten Gegendemonstrierenden erwartet und gleich wieder nach Haus geschickt.

Neonazis
Neonazis

Langsam schwächeln die Neonazis im Hauptbahnhof. Pausenbrote werden ausgepackt, Unterhaltungen entwickeln sich.


Nach wie vor ist die Modemarke "Thor Steinar" beliebt bei Neonazis.

Blockade
Blockade

An der Blockade Fritz-Löffler-Straße/Reichenbachstraße kesselt die Polizei die Demonstrierenden. Später verstärkt sie den Kessel noch und lässt keine Personen ohne Personalienaufnahmen heraus. Nach langem Ausharren in der Kälte durchbrechen die Demonstrierenden die Polizeikette. Einige bleiben allerdings im Kessel zurück. Die Freigekommenen rufen "1, 2, 3 - Lasst die Leute frei!"

Neonazis
Neonazis

Die Neonazis werden langsam müde. Doch kein Grund zur Verzweiflung. Sie dürfen auch gleich nach Hause fahren und brauchen nicht mehr, unnötig herumzulaufen. Denn die Blockierenden waren erfolgreich: Trotz des unverhältnismäßigen Polizeieinsatzes haben sie es geschafft, den Neonaziaufmarsch ein weiteres Mal zu verhindern. Auch ihre Teilnehmerzahlen sprechen eine deutliche Sprache. Erwartet wurden zwischen 4.000 und 6.000 Neonazis. Insgesamt kommen die Schätzungen auf nur etwa 2.000. Bleibt zu hoffen, dass ihnen die Lust am Marschieren auf lange Sicht vergangen ist.