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"Kontrolle ist nicht vorgesehen"


Isolation, Schikanen und Schimmel. Im thüringischen Katzhütte wehren sich Flüchtlinge gegen ihre unwürdige Unterbringung und
herabwürdigende Behandlung. Am Montag, dem 31. März, rufen Sie zum Protest auf.

Von Franziska Schwarzmann


Katzhütte ist eine kleine Gemeinde am Rande des Thüringer Waldes, ein Ziel für Wanderer und Goldwäscher im Sommer. Aber goldig ist dort nicht alles. Das geht jetzt aus einer Erklärung von Bewohnern eines Füchtlingswohnheims in Katzhütte hervor. Ende Februar 2008 veröffentlichten die Bewohner der Gemeinschaftsunterkunft Katzhütte Forderungen, denn sie wollen unter keinen Umständen weiter unter den bestehenden Bedingungen in diesem Heim leben. Neben Schimmel und begrenztem Zugang zu warmem Wasser und Kochmöglichkeiten müssen sie nach eigenem Schildern herabwürdigende Behandlungen ertragen. Außerdem haben sie kaum Geld zur Verfügung, nach eigenem Bekunden noch nicht einmal um mit ihren Kindern zum Arzt zu fahren, weil ihnen die Sozialhilfe ausschließlich in Essensgutscheinen ausgezahlt wird.

Zu einer Kundgebung und Unterschriftensammlung laden sie nun am 31. März in Saalfeld von 11:30 Uhr bis 16.00 Uhr ein. Ihre Unterschriftensammlung wollen sie anschließend an die Leiterin des Landratsamt Saalfeld-Rudolstadt übergeben. Darin fordern sie u.a.: "Für ein Ende der Isolation in geschlossenen „Heimen“ und der damit verbundenen bürokratischen Willkür über Bargeld, Bewegungsfreiheit und selbstbestimmten Lebens. Wir wollen in normalen Häusern leben und nicht in Baracken!"

„Wir wollen in normalen Häusern leben“


Mit Unterstützung des Flüchtlingsforums „The Voice“ haben sie bereits Ende Februar einen Text veröffentlicht, der ihre Lebenssituation beschreibt: Die Bewohner beklagen die völlige Isolation, in der sie leben. Die Verkehrsanbindung zum nächst größeren Ort sei schlecht. Abgesehen davon fehle ihnen Bargeld, um ein Ticket zu kaufen, denn ihre Sozialhilfe erhalten sie ausschließlich in Form von Gutscheinen. Bevor die Bewohner der Gemeinschaftsunterkunft den Ort Katzhütte verlassen können, müssen sie zunächst einen Urlaubsschein beantragen. Wie kompliziert das ist, schilderte der Sprecher der Bewohner, der 40-jährige Mohammed Sbaih. "Um uns aus Katzhütte wegzubewegen, müssen wir einen Urlaubsschein bei der Ausländerbehörde in Saalfeld beantragen. Das Zugticket, um nach Saalfeld zu fahren, müssen wir selber bezahlen. Da wir aber für die Gutscheine ausschließlich Lebensmittel bekommen, haben wir kein Geld für ein Ticket".

Außerdem sei die Behandlung seitens der Betreiber menschenunwürdig: So stellten die Heimleiter ihnen als Kollektivstrafe schon mal das Wasser in der Küche ab. Weder ausreichend Seife noch Toilettenpapier sei den Menschen zur Verfügung gestellt worden. Nicht länger wollen sie in den verwahrlosten und verschimmelten Hütten leben. Ihre zentrale Forderung: die Schließung der Gemeinschaftsunterkunft. „Wir, die Bewohner der Gemeinschaftsunterkunft Katzhütte, bitten um Solidarität und Unterstützung! WIR WOLLEN IN NORMALEN HÄUSERN LEBEN, NICHT IN BARACKEN!“

Gesetzliche Grundlagen

Das Asylbewerberleistungsgesetz, ein Bundesgesetz, bindet Ländern die Hände. Denn in diesem steht ganz klar, dass Asylbewerber in Gemeinschaftsunterkünften unterzubringen seien. Genauso verhält es sich mit der finanziellen Unterstützung. Bargeld soll Asylbewerbern nicht zur Verfügung gestellt werden. Auch das steht so im Gesetz. Das Gesetz wurde zwar vom Bund beschlossen, es fällt jedoch in den großen Teil derjenigen Gesetze, die von den Bundesländern ausgeführt werden müssen. Ein riesiger Verwaltungsapparat schließt sich dieser gemeinsamen Aufgabe an. Dem Problem sollte die Föderalismusreform Herr werden, doch diese lässt auf sich warten.

Landrätin Philipp verzweifelt

In einem Gespräch mit der MUT-Redaktion erläutert die zuständige Landrätin Frau Philipp zunächst ausführlich, wie sehr den Gemeinden durch die gesetzlichen Regelungen die Hände gebunden seien. Die Sachlage sei komplizierter als zur Zeit von den Bericht erstattenden Medien dargestellt: Der Landkreis sei für die Ausschreibung eines Betreibers verantwortlich. Dieser wird für seine Arbeit vom Land bezahlt. Wie er die Gemeinschaftsunterkunft dann führt, liegt nicht im Verantwortungsbereich des Landkreises, Kontrolle sei nicht vorgesehen. Die Betreiberfirma K+S Sottrum wollte sich zu ihrer Arbeit in Katzhütte der MUT-Redaktion gegenüber nicht äußern.

Die in den Forderungen der Bewohner beschriebenen Zustände konnte Landrätin Philipp so nicht bestätigen: So sei der Zugang zu warmem Wasser nach ihrer Ansicht nicht beschränkt. Auch Toilettenpapier und Seife stünden den Bewohnern zur Verfügung. Das habe eine Begehung, die direkt nach Veröffentlichung der Forderungen stattfand, ergeben. Dass die Bewohner keinerlei Bargeld in den Händen hatten, bestritt sie auch: Von dem Geld, das den Bewohnern zusteht, würden monatlich 60 Euro bar ausgezahlt. Frau Philipp beschrieb allerdings, dass ihre Mitarbeiter bei der Übergabe des Bargeldes auch schon bedroht worden seien. Dennoch sehe sie Änderungsbedarf in der Unterkunft. Deswegen setzt sie sich dafür ein, dass die Unterkünfte vom Schimmel befreit werden. Zynisch klingt das schon: der Schimmel kommt weg, aber sonst ist dort alles in Butter?

Von den 88 Bewohnern warten 61 auf ihre Abschiebung

Die Landrätin nannte Zahlen: Zur Zeit befinden sich in ihrem Landkreis 230 ausländische Flüchtlinge. Zwei Drittel von ihnen lebten in Privatwohnungen; vor allem Familien mit Kindern. Von dem einen Drittel, das in der Gemeinschaftsunterkunft hausen muss, haben nur noch die wenigsten eine Aussicht auf eine Zukunft in Deutschland. Wortführer der Anwohner, Herr Sbaih, ist beispielsweise einer der Aussichtslosen: Palästina stellt ihm keinen Pass mehr aus. Deutschland hat seinen Asylantrag abgelehnt.

Völlig irrelevant erscheint, wem man mehr Glauben schenken soll: den ausländischen Asylbewerbern oder der Politik. Es ist nicht wichtig zu erkennen, wie viel falsch läuft. Wichtiger wäre, dass die breite Öffentlichkeit in Deutschland überhaupt erkennen würde, dass etwas falsch läuft. Dieses Land ist Exportweltmeister und wirtschaftlich nach den Vereinigten Staaten und Japan drittstärkste Macht auf dieser Welt. In diesem Land propagieren Politiker, dass Reiche gegenüber Armen eine Verpflichtung haben. Anscheinend nehmen sie diese Verpflichtung als Repräsentanten dieses Landes nicht ganz wahr.

Es geht nicht darum, diese Leute in Luxushotels unterzubringen. Vielmehr hätte Deutschland die Möglichkeit, diesen Menschen zur Ausschöpfung ihres eigenen Potenzials zu verhelfen. Und dafür bräuchte es gar nicht mehr Geld, sondern mehr Herz.

Fortschreibung: Freies Wort  29.3, Freies Wort, 27.2., Junge Welt 3.3.

Flüchtlinge fordern Heimschließung

Für den 11. März um 11.30 Uhr haben die Bewohner der Unterkunft nun die Einwohner von Katzhütte, den Ortsbürgermeister und regionale Pressevertreter eingeladen. Die Heimleitung arbeite bislang allerdings mit allen Kräften daran, Pressevertretern den Zutritt zu den Unterkünften zu verweigern, sagt deren Sprecher Sbaih. Er und die Betroffenen haben nun eine eigene Stellungnahme "zum Besuch von Vertretern von Stadt und Land am 26.02.2008" verfasst. Sie lautet:

"Am 26.02.2008 besuchten Vertreter des Landratsamtes und der Gemeindeverwaltung die Gemeinschaftsunterkunft (GU) Katzhütte. Den Presseberichten der „OTZ Rudolstadt“ und der Zeitung „Freies Wort“ zufolge, versuchen die Heimleitung, die Gemeindeverwaltung und die Vertreter des Landratsamtes die Situation unserer Unterbringung in Katzhütte zu verharmlosen und sogar unsere Berichte teilweise als unwahr darzustellen. Aus diesem Grund sehen wir uns gezwungen eine eigene Stellungnahme zu den Geschehnissen herauszugeben.

Während des Besuches der Vertreter der besagten Behörden, versuchte die Heimleitung immer wieder zu verhindern, dass wir, die Bewohner des Flüchtlingsheimes Katzhütte die Zustände in unserer Behausung den Vertretern direkt schildern. Des Weiteren verbietet die Heimleitung, ohne ersichtlichen Grund, sämtlichen Pressevertretern bzw. uns persönlich, im Heim zu filmen oder zu fotografieren, was es unmöglich macht, die Situation im Heim einer breiten Öffentlichkeit zu zeigen.

Den Presseberichten zufolge gibt die Heimleitung lediglich zu, dass in zwei Bungalows Schimmel in den Wänden ist, was sich allerdings leicht reparieren ließe. Wir möchten jedoch klarstellen, dass wir in einem ehemaligen Ferienheim wohnen, was noch zu DDR Zeiten gebaut wurde. Nur einige Bewohner wohnen in diesen ehemaligen Ferien-Bungalows. Die meisten wohnen jedoch in alten Baracken, deren Wände aus Hartpappe bestehen. Die Räume sind extrem hellhörig und es gibt für die dort lebenden Familien kaum Privatsphäre. Die ehemalige Ferienanlage ist zum einen alt und verbraucht, da sie nie restauriert worden ist, zum anderen wurde sie nie zum dauerhaften Bewohnen ausgerichtet. Die meisten der Bewohner der GU müssen dort allerdings für 5 Jahre und mehr wohnen bleiben. Die Wände der Bungalows und Baracken sind kaum oder gar nicht gedämmt, weshalb sich viele der Bewohner elektrische Heizgeräte selber kauften. Diese wurden ihnen aber immer wieder von der Heimleitung weggenommen, mit der Begründung, die Geräte würden zu viel Strom verbrauchen.

Wir bekommen monatlich 106,00 Euro in Gutscheinen und 60,00 Euro in Bargeld ausgezahlt. Manche bekommen nur Gutscheine. Außerdem bekommen wir noch monatlich festgelegte Beträge für Kleidung, Hausrat und Hygieneartikel. Festgelegt ist auch, dass wir inklusive dieser Beträge monatlich 224,00 Euro ausgezahlt bekommen müssten. Ausgezahlt werden uns jedoch nur 166,00. Euro. Das heißt die Heimleitung müsste von dem Geld Toilettenpapier und andere Hygieneartikel für die Gemeinschaft bereitstellen. Dies ist allerdings nicht der Fall. Fraglich ist also der Verbleib, der 58,00 Euro die wir jeden Monat zu wenig ausgezahlt bekommen.
Kollektivbestrafungen wie die Drosselung der Wassertemperatur in der Nacht, bzw. dass Abschließen der Gemeinschaftsküche sind pädagogische Maßnahmen, die noch aus Zeiten des Ferienlagers zu stammen scheinen. Wir, Flüchtlinge aus aller Welt, die aus verschiedenen Gründen unsere Heimat verlassen mussten, fühlen uns durch derartige Repressalien, wie auch die Erfindung der Lebensmittelgutscheine und Urlaubsscheine in unserer Würde verletzt.

Wir fordern aus diesem Grund, keine Reparatur der schimmligen Wände in zwei Bungalows, sondern eine sofortige Schließung dieses Heims und eine Unterbringung in normalen Wohnungen, in denen es uns möglich ist, ein menschenwürdiges Leben zu führen!

Am 27.02.2008 sind ohne ersichtlichen Grund Polizeibeamte auf das Gelände des Heims und in unsere Gemeinschaftsküche eingedrungen. Seitdem fahren immer wieder Polizeiwagen Streife um das Heim.
Wir fordern außerdem diese Art von Einschüchterungsversuchen sofort zu unterlassen!

Die Bewohner der Gemeinschaftsunterkunft Katzhütte..."

Mehr auf: http://thevoiceforum.org

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Ortsansicht Katzhütte