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„Als ob Dresden Auschwitz abgegolten hätte“

Abseits des Neonazi-Aufmarschs und der Proteste dagegen, ist für viele Dresdnerinnen und Dresdner der 13. Februar vor allem der Tag der Bombardierung der Stadt im Jahre 1945. Individuelles Gedenken und kollektiver Opfermythos liegen dabei oft dicht beieinander. Mut-Reporter Lasse Andersson hat sich am zentralen Gedenkort umgehört.  

Die Stimmung auf dem Heidefriedhof hat etwas Unheimliches an sich.  Auf der einen Seite dunkel gekleidete, meist ältere Dresdener und Dresdenerinnen, die sich mit gesenkten Häuptern über den Friedhof bewegen, einige von ihnen in Reservistenuniform, viele mit Blumensträußen. Neben Ihnen stehen junge Menschen, die besorgt blickend das Geschehen beobachten. Um dieses Geschehen herum stehen schwarz uniformierte Polizisten, die zum Teil sehr nervös wirken. Personen, die nicht in das Raster des aufrechten Dresdners passen, der ungestört den deutschen Opfern gedenken möchte, werden am Eingang zum Friedhof von der Polizei kontrolliert, Personalien werden aufgenommen, Rucksäcke geöffnet, Fragen werden gestellt. Scheinbar weiß man, dass das Gedenken nicht vollkommen unkritisch betrachtet wird.

„…dasselbe wiederkauende Opfertum“

Die Kritik wird vor allem am Opfermythos Dresden geübt, also an der unreflektierten Annahme, dass Dresden grundlos bombardiert wurde. Ein junger Mann lässt seinen Blick über die Veranstaltung schweifen. „Ich finde es ziemlich gruselig. Es ist dasselbe wiederkauende Opfertum“, sagt er, „das wirkt wie ein staatlicher Popanz, die Ministerpräsidenten werden aufgefahren, machen ihr Ritual, sind schön gekleidet, werden abgelichtet und gehen wieder.“

Ganz anderer Meinung sind zwei ältere Dresdner. „Die Bombardierung war ein kultureller Holocaust! Da nehme ich kein Blatt vor den Mund.“, erklärt ein Mann. Sein Freund fügt hinzu: „Das, was sich alles hier ereignet hat, das war ja ein Massaker. Und die so genannten Kulturnationen, wie Großbritannien oder Amerika, die haben sich hier auf eine Stufe gestellt mit den Nationalsozialisten, das war purer Mord, was man hier gemacht hat.“ Der andere nickt zustimmend, während sich sein Freund weiter in Rage redet, er wird lauter, spricht schneller. „Das war eine solche Ungeheuerlichkeit, das waren die gleichen Verbrecher wie die Nazis, die stelle ich auf eine Stufe! Auschwitz und Dresden, das ist beides schrecklich. Nur, wie die Leute hier umkamen, am lebendigen Leibe verbrannt, so brutal und rücksichtslos, ich finde das ist ein noch viel schlimmeres Verbrechen!“ Was er von den Neonazis hält, die heute in Dresden aufmarschieren? „Denen darf man nicht zu viel Aufmerksamkeit schenken. Ignorieren ist die beste Methode!“, so der Tenor der beiden.

Symbolik und verheerende Vergleiche

Schon 1959 spricht der Philosoph Theodor W. Adorno in einem Vortrag von einer solchen „verbreiteten Aufrechnung der Schuld, als ob Dresden Auschwitz abgegolten hätte“.   Dass die industrielle Vernichtung von Millionen unschuldiger Menschen mit den alliierten Luftangriffen auf das nationalsozialistische Dresden verglichen und gleichgesetzt wird, ist ein weit verbreiteter Geschichtsrevisionismus, der eben nicht nur von den Neonazis der Kameradschaften und NPD praktiziert wird. Während die vom „Bombenholocaust Dresden“ sprechen, spricht auf dem Heidefriedhof in Dresden die Symbolik. Das zentrale Denkmal des Friedhofes, ist ein Rondell aus Stelen, die jeweils die Schauplätze von „Krieg und Faschismus“  symbolisieren sollen. In einer Reihe mit Auschwitz, Bergen-Belsen, Buchenwald, Dachau, Sachsenhausen, Ravensbrück und Theresienstadt steht eine Stele mit der Inschrift: Dresden.
 
„Dresden haben wir Deutsche zerstört“

Vergleiche wie diese zeigen, wie wenig sich in Deutschland mit einer ernsthaften Aufarbeitung der Vergangenheit beschäftigt wird. Dass „vor der Bombardierung von Dresden Auschwitz war“, wie es das Auschwitz-Komitee formuliert, wird ausgeblendet, ignoriert oder geleugnet. Ein Shoahüberlebender erinnert sich „vor Freude geweint zu haben“, als er „den roten Schein am Himmel [sah]“  Denn:  „Dresden [brannte], da [waren] die Alliierten nicht mehr weit“. Doch dass die Nacht vom 13. Auf den 14. Februar 1945 ein Schritt zur Befreiung war, davon möchte man hier oft nichts wissen.

Natürlich gab es auch unschuldige Opfer. Doch bei den Gedenkveranstaltungen wird einem vermeintlich homogenen deutschen Kollektiv gedacht, eine Differenzierung findet nicht statt, und genau dort beginnt der Mythos.

Am Rande der Proteste gegen den Aufmarsch der Neonazis am Abend wird immer wieder auf diesen Opferkult eingegangen. Einige Demonstranten schwenken alliierte Fahnen, skandieren „Oma, Opa und Hans-Peter – Keine Opfer sondern Täter“, ein Transparent fordert „Mit Opfermythen Schluss machen“. „Ich bin hier, um den Toten zu gedenken“, sagt ein älterer Herr, doch er sagt auch: „Dresden haben wir Deutsche zerstört“.

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Andachtsstimmung auf dem Dresdner Heidefriedhof, Foto: Mut gegen Rechte Gewalt, c