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Wahlen in Berlin: Rechtsaußen-Parteien müssen Niederlage einstecken


Die erstmals in Berlin angetretenen rechtspopulistischen Parteien „Pro Deutschland“ und „Die Freiheit“ haben eine herbe Niederlage bei den Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen und zum Abgeordnetenhaus hinnehmen müssen. Beiden gelang es nicht, auch nur ein Mandat in einem der Gremien zu erlangen. Auch die NPD hat deutliche Stimmenverluste im Vergleich zu den vergangenen Wahlen zu verzeichnen.


Von Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus in kommunalen Gremien Berlins – Dokumentation und Analyse”

„…Berlin ist doch völlig untypisch für das Fühlen und Wollen der Deutschen“
1,

so ein User auf einer rechtsextremen Internetseite mit Blick auf das Berliner Wahlergebnis vom 18. September. Obwohl die NPD erstmals in fast allen Bezirken angetreten war und dank der umfangreichen Unterstützung durch Rechtsextreme aus dem Spektrum der „Freien Kräfte“ und der „Autonomen Nationalisten“ einen provokativen und materialintensiven Wahlkampf bestritten hatte, musste sie am 18. September deutliche Stimmenverluste hinnehmen. Dennoch gelang ihr der Wiedereinzug in die Bezirksverordnetenversammlungen von Treptow-Köpenick, Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf mit je zwei Mandaten. In alle drei Bezirke war die NPD 2006 in Fraktionsstärke eingezogen. In Neukölln scheiterte die NPD – wenn auch nur äußerst knapp – an der 3%-Hürde. Der Verlust des Fraktionsstatus bedeutet für die NPD, dass ihr fortan weder Gelder für Fraktionsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter noch eigene Fraktionsräume in den Bezirken Berlins zur Verfügung stehen.

Im Gegensatz zu Flächenländern wie etwa Mecklenburg-Vorpommern, in denen es der NPD über viele Jahre hinweg gelungen ist, sich als vermeintliche kommunale „Kümmererpartei“ zu profilieren, fehlt der Berliner NPD auf bezirklicher Ebene sowohl die soziale als auch politische Verankerung . Der rechtsextremen Selbstinszenierung als wählbare „nationale lokalpolitische Alternative“ wurden durch den Konsens der demokratischen Parteien und der kontinuierlichen inhaltlichen Auseinandersetzung in den Medien und den Bezirksverordnetenversammlungen immer wieder Grenzen gesetzt. Die zivilgesellschaftlichen Proteste, die alle NPD Veranstaltungen nicht nur im Wahlkampf begleiten, trugen ihr übriges dazu bei, das Stimmenvolumen der NPD auf ihre Stammwähler/innenschaft einzudämmen.

„Wahlantritte dürfen nur noch dort erfolgen, wo eine ausreichende Vorarbeit geleistet wurde.“2

Reaktionen von „Pro NRW“

Selbst in Nordrhein-Westfalen, wo „Pro Deutschland“ gegründet wurde, reagierte man prompt auf die Berliner Wahlniederlage. Der Vorsitzende von „Pro Köln“ und „Pro NRW“, Markus Beisicht zog „Lehren aus der Berlinwahl“, nach denen zukünftig eine längerfristige kommunale Verankerung einem neuerlichen Wahlantritt vorangehen müsse: „Wer aber zuviel auf einmal will und bundesweit mit Geisterarmeen operiert oder vor Ort defacto erst wenige Monate vor der Wahl kampagnenfähig wird, der braucht sich selbst in einem überschaubaren Stadtstaat wie Berlin über ein Ergebnis um die 1 % – oder wie im Fall von René Stadtkewitz sogar noch darunter – nicht wundern.”3 Sowohl „Die Freiheit“ als auch „Pro Deutschland“ hatten erst im Laufe des vergangenen Jahres mit der Gründung von Kreisverbänden begonnen. In Berlin hieß es von Seiten „Pro Deutschlands“ mit Blick auf das Wahlergebnis einmal mehr, dass die „makaber anmutende Zersplitterung des eigenen politischen Spektrums“4 in Zukunft zu beenden sei.„Pro Deutschland“ hatte bereits vor den Wahlen mehrfach versucht, die Führung der „Freiheit“ von einem gemeinsamen Antritt zu überzeugen, was diese mit dem Verweis auf das rechtsextreme Vorleben von deren Akteuren und inhaltliche Differenzen stets abgelehnt hatte.

„Wir haben unser Wahlziel deutlich verfehlt.“5

„Die Freiheit“ konnte lediglich in einem Stimmbezirk in Pankow-Heinersdorf, wo der Vorsitzende René Stadtkewitz wegen eines lokalen Konflikts um den Neubau einer Moschee Sympathien in Teilen der Bevölkerung erwerben konnte, Zweitstimmenergebnisse von knapp 9% erreichen. Doch über diese lokale Hochburg schaffte es „Die Freiheit“ nicht hinaus: Während die Partei in Pankow noch ganze 1,5% der Stimmen holen konnte, erreichte sie bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus nicht einmal die für die Wahlkampfkostenerstattung notwendige Ein-Prozent-Hürde.6 Deutlich musste somit auch der Bundesvorstand der „Freiheit“ das eigene Scheitern eingestehen, kündigte aber gleichzeitig an, auf Bundesebene weiterhin am Parteiaufbau arbeiten zu wollen.

„Wenn drei rechte Parteien antreten, schafft es keine von denen.“7

Bereits im Wahlkampf wurde deutlich, dass insbesondere die NPD und „Pro Deutschland“, in Teilen aber auch „Die Freiheit“ mit ihren Slogans gegen eine vermeintliche „Überfremdung“ oder „Islamisierung“ Deutschlands aber auch mit Themen wie der „Inneren Sicherheit“ nicht eindeutig von einander zu trennende Klientel ansprechen.

Einen Teil der Stimmen scheint die NPD an „Pro Deutschland“ verloren zu haben, die mit ähnlichen Themen angetreten war und auch ehemalige Aktive von den „Republikanern“ und der DVU auf ihren Listen aufgestellt hatte. „Pro Deutschland“ hat mit Blick auf die absoluten Stimmen ihre zwei besten Ergebnisse in Marzahn-Hellersdorf und Lichtenberg erreicht.8 Beides sind auch Stammbezirke der NPD. In Lichtenberg etwa konnte „Pro Deutschland“ unter dem ehemaligen Berliner DVU-Vorsitzenden Torsten Meyer, der zuvor für die NPD in der Bezirksverordnetenversammlung gesessen hatte, mit 2,2% das berlinweit zweitbeste Ergebnis erzielen.

Generell ist es den rechtspopulistischen Parteien in Berlin nicht gelungen, sich als wählbare Alternative mit Lösungskompetenzen für gesellschaftliche Probleme darzustellen. Dies ist jedoch eine zentrale Voraussetzung für die Umsetzung gesellschaftlicher Stimmungslagen in Wahlerfolge durch kleine Parteien.9 Auch wurden zentralen Themen sowohl der „Freiheit“ als auch von „Pro Deutschland“ wie etwa „Innere Sicherheit“ in den letzten Wahlkampfwochen von den großen Parteien aufgegriffen.

Das in vielen Studien, wie den „Deutschen Zuständen“10 immer wieder belegte Potenzial für rassistische Einstellungen gegenüber Migrantinnen und Migranten in weiten Teilen der Gesellschaft konnten die rechtspopulistischen Parteien in Berlin bisher nicht für sich mobilisieren.

Insbesondere für die NPD könnte das Berliner Debakel umfangreiche Veränderungen nach sich ziehen. Die auf den Listen der NPD kandidierenden Rechtsextremen aus dem Spektrum der „Autonomen Nationalisten“, die den Wahlkampf maßgeblich getragen haben, sind allesamt nicht in die Bezirksverordnetenversammlungen eingezogen. Ob dies zukünftig zu einer Spaltung zwischen dem „aktionsorientierten“ Spektrum und der NPD in Berlin führt, wird sich zeigen. Auf Bundesebene deutet sich bereits ein neuer Machtkampf an. Der Fraktionsvorsitzende der NPD im Sächsischen Landtag Holger Apfel hat für den anstehenden Bundesparteitag Mitte Oktober seine Kandidatur für den Bundesvorsitz angekündigt.11 Dass der aggressiv rassistische Wahlkampf in Berlin, der sich allein an die eigene Stammklientel richtete, schließlich nicht zum Erfolg geführt hat, lässt die parteiinternen Kritikerinnen und Kritiker Voigts erneut lauter werden. Diese plädieren für einen Strategiewechsel gemäß des „Sächsischen Wegs“, der die Vergangenheitsbezogenheit der Partei hinter sich lassen soll. Der ehemalige Berliner Landesvorsitzende der NPD, Eckart Bräuniger, äußerte sich bereits entsprechend: „Ein klarer Kurs (…) nach außen ist wichtiger, als das Bestreben nach Mehrheiten bei unserer Stammmannschaft“.12

(Stand: 20.09.2011)

1 http://altermedia-deutschland.info/2011/09/18/allgemein/wahlen-in-berlin... [19.09.2011].

2 http://www.pro-nrw.net/?p=6440 [19.09.2011].

3 http://www.pro-nrw.net/?p=6440 (Fehler im Original) [19.09.2011].

4 http://www.pro-berlin.net/?p=3594 [19.09.2011].

5 Stellungnahme von „Die Freiheit“ zur Berlinwahl, vgl. http://www.diefreiheit.org/stellungnahme-zur-berlinwahl-2011/ [19.09.2011].

6 http://www.tagesspiegel.de/berlin/npd-steht-vor-der-zerreissprobe/462505... [20.09.2011].

7 Udo Voigt am Wahlabend, vgl. http://www.tagesspiegel.de/berlin/ultrarechte-parteien-bitter-enttaeusch... [20.09.2011].

8 In Marzahn-Hellersdorf erhielt „Pro Deutschland“ 2677 und in Lichtenberg 2362 Stimmen bei den BVV- Wahlen; vgl. http://www.wahlen-berlin.de/historie/Wahlen/SB_B7-2-2-j05-11_BE.pdf

9 Vgl. Richard Stöss: Zu den Chancen von extrem rechten Parteien bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus, http://www.polsoz.fu-berlin.de/polwiss/forschung/systeme/empsoz/mitarbei... [19.09.2011].

10 Vgl. die Reihe „Deutsche Zustände“, hrsg. von Wilhelm Heitmeyer.

11 http://npd-sachsen.de/index.php?s=9&aid=928 [20.09.2011].

12 http://altermedia-deutschland.info/2011/09/20/dvu-npd/nach-der-berlin-wa... [20.09.2011].

Mecklenburg-Vorpommern: Die NPD im zweistelligen Bereich

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Berlin gegen Nazis