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Spontane Proteste gegen Razzien


Am Dienstagnachmittag wurden bei Razzien der Polizei in Dresden und Berlin tausende Plakate und Flyer des Bündnisses „Nazifrei – Dresden stellt sich quer“ beschlagnahmt. Am Abend fanden in mehreren Städten spontane Proteste statt.


Bei Durchsuchungen der Polizei sind mehrere tausend Plakate und Aufrufe von Gegenveranstaltungen zu einem der größten Neonaziaufmärsche in Europa am 13. Februar in Dresden beschlagnahmt worden. Am Nachmittag führte die Polizei Razzien in der Geschäftsstelle der Partei Die LINKE in Dresden und im Infoladen „redstuff“ in Berlin durch. Noch am Abend demonstrierten in Berlin ca. 500 Personen gegen die Durchsuchungen. Auch in Leipzig fand eine spontane Demonstration mit 170 Teilnehmerinnen und Teilnehmern statt. In Hamburg wird es am 21. Januar gegen die Durchsuchungen Proteste geben. "Ich weiß nicht, was daran falsch sein soll, sich gegen Nazis zu engagieren", sagte eine 35jährige Demonstrantin in Berlin.

Unverhältnismäßiges Vorgehen

Laut ddp sagte Dresdens Oberstaatsanwalt Christian Avenarius, dass mit einem Blockadeaufruf ein Straftatbestand erfüllt sei. „Auch diese braunen Dumpfbacken haben das Recht zu demonstrieren und können die Demonstrationsfreiheit in Anspruch nehmen“, rechtfertigte Avenarius die Durchsuchungen. „Ich protestiere scharf gegen das Vorgehen der Dresdner Staatsanwaltschaft und fordere, die Kriminalisierung bürgerschaftlichen Engagements sofort einzustellen“, hält Katja Kipping, stellvertretende Vorsitzende der Partei Die LINKE, dagegen. Christian Ströbele, Mitglied des Bundestags und der Grünen, sagte, dass die Durchsuchungen und Beschlagnahmungen nicht mit der „Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Blockaden bei Demonstrationen und mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu vereinbaren“ seien. Der Rechtsanwalt Alain Mundt, dessen Kanzlei die Betroffenen der Durchsuchungen vertritt, sagte der Taz: „Das Vorgehen greift massiv ins Versammlungsrecht ein".

Was passiert am 13. Februar in Dresden?

Jährlich ziehen tausende Neonazis im Februar durch Dresden. Der Anlass ist die Bombardierung Dresdens durch die Alliierten im Jahr 1945. Das Bündnis „Nazifrei – Dresden stellt sich quer“ ruft zu einer „gemeinsamen Blockade“ des Nazimarsches auf. Denn Ziel der Neonazis sei es „die Verbrechen des Nazi-Regimes zu leugnen und Nazi-Deutschland zum eigentlichen Opfer des 2. Weltkrieges umzudeuten“. Gewerkschaftsmitglieder, Mitglieder der Parteien Bündnis90/Die Grünen, Die.Linke, der SPD, Kirchenvertreterinnen und –vertreter sowie antifaschistische Gruppen schlossen sich dem Aufruf an. Die Bombardierung Dresdens kann nicht aus dem Zusammenhang des Holocaust und des Zweiten Weltkriegs gelöst werden. Auch im Aufruf zu einem Friedensgebet am 13. Februar von dem Bündnis der AG „Kirche für Demokratie gegen Rechtsextremismus der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens“, der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste, der Amadeu Antonio Stiftung und dem Kulturbüro Sachsen e.V. steht: „Die Gleichsetzung der Opfer der Luftangriffe auf Dresden mit den Ermordeten in den Konzentrations- und Vernichtungslagern soll den Holocaust verharmlosen. Damit wird der Vernichtungscharakter der deutschen Kriegsführung im 2. Weltkrieg verschwiegen und die Fragen nach Schuld und Verantwortung werden verdreht“.

"Jetzt erst recht"

Gegen diese Verharmlosung zu protestieren ist in einer Gesellschaft, die demokratisch sein möchte, dringend notwendig. Denn zur Demokratie gehört der Respekt vor anderen Menschen und die Akzeptanz ihrer Würde. Die von Deutschland begangenen Verbrechen zu leugnen, steht dem diametral entgegen. Bündnisse, die sich gegen diese Relativierung des Holocaust und der deutschen Verbrechen im Zweiten Weltkrieg richten, sind zu begrüßen - nicht zu kriminalisieren. In der Mitteilung zur spontanen Demonstration in Leipzig heißt es: "'Jetzt erst recht', so viele der Demonstrierenden unisono, werde man, nach Dresden kommen, auf die Straße gehen und sich den Nationalsozialisten in den Weg stellen".

Von Nora Winter

Foto: Protest in Dresden 2009, von Patrick Schulze via flickr, cc.