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Nur Bewährung für Hetzjagd in Mügeln


Ein knappes Jahr nach den fremdenfeindlichen Ausschreitungen in der sächsischen Kleinstadt Mügeln milderte das Landgericht Leipzig die Strafe eines der Haupttäter. Warum Frank D. nun doch nicht ins Gefängnis muss.


Von Christopher Egenberger

Im August 2007 war es bei einem Volksfest in dem sächsischen Ort zu einer Hetzjagd auf mehrere Inder gekommen, an der sich gut 50 Menschen beteiligt hatten. Der Fall hatte weltweit für Aufsehen und Entsetzen gesorgt. Die bedrängten Inder hatten sich in einer Pizzeria verbarrikadiert, während die aufgeputschte Meute fremdenfeindliche Parolen skandierte. Erst ein Großaufgebot der Polizei konnte die Ausschreitungen beenden, bei der am Ende 14 Verletzte zu beklagen waren.

Dem 23 Jahre alten Frank D. wird zur Last gelegt, die Scheibe des Lokals mit einem Stein eingeworfen zu haben. Fremdenfeindliche Parolen soll er aber nicht gebrüllt haben. Dennoch hatte ihn das Amtgericht Oschatz im vergangenen Jahr neben Sachbeschädigung auch wegen Volksverhetzung zu einer Haftstrafe von acht Monaten ohne Bewährung verurteilt. Durch sein Verhalten habe er sich offensichtlich mit den rechtsextremistischen Forderungen seiner Mittäter identifiziert. Das Amtsgericht hatte nach dem Urteil erklärt, eine Aussetzung der Strafe zur Bewährung sei nicht in Frage gekommen, da die Tat geeignet gewesen sei, die Rechtsordnung in Deutschland zu gefährden. In Mügeln habe die Gefahr eines „Pogroms“ bestanden.

Das sah das Landgericht Leipzig anders und hob die Entscheidung der Vorinstanz auf. Es setzte die Strafe zur Bewährung aus und verfügte 130 Stunden gemeinnützige Arbeit. Selbst Staatsanwalt Christoph Kruczynski hatte für die Bewährungsstrafe plädiert, obwohl er die Tat als eine Hetzjagd bezeichnete, die an Hässlichkeit und Widerwärtigkeit kaum zu übertreffen sei. Es sei unvorstellbar, so der Staatsanwalt, dass so etwas in Deutschland passieren könne. Die Todesangst der in der Pizzeria Eingeschlossenen müsse in die Berwertung der Geschehnisse einbezogen werden. Isoliert betrachtet käme für die Tat nur Gefängnis in Frage. Warum also plädierte Christoph Kruczynski dennoch für eine Bewährungsstrafe?

Die Verteidiger scheinen mit ihrer Argumentation erfolgreich gewesen sein, dass bei der Strafzumessung die persönlichen Umstände des Angeklagten unangemessen in den Hintergrund getreten seien. Die Haftstrafe des Amtsgerichts sei unter den Gesichtspunkt der Generalprävention geschehen, d.h. dass die Strafe in erster Linie auf die Gesellschaft abziele, das Vertrauen in den Staat stärken und Nachahmer abschrecken soll. Nun wurde Frank D. eine „günstige Sozialprognose“ gestellt. Er sei bisher strafrechtlich nicht auffällig geworden, bereue seine Teilnahme an den Ausschreitungen und habe für den angerichteten Schaden Ersatz geleistet – 300 Euro seien bereits bei einem Anwalt hinterlegt. Dieser „Fehler“, so der Angeklagte, habe sich bereits erheblich auf sein Leben ausgewirkt. So hätten sich z.B. Freunde von ihm abgewandt. Der gelernte Bäcker, der gerade eine Umschulung und den LKW-Führerschein macht, fürchte zudem Nachteile bei der Arbeitssuche. Die 10. Strafkammer empfand diese „Reue" als ehrlich.

Neben den „geordneten Verhältnissen“, in denen Frank D. lebe, sprach laut Staatsanwaltschaft für den Angeklagten, dass er ein „mittelbares Geständnis“ abgelegt hatte. Letzteres beruht auf der Tatsache, dass nur gegen das vom Amtsgericht verhängte Strafmaß in Berufung gegangen wurde. Hatte er im ersten Verfahren lediglich die Sachbeschädigung zugegeben, bekannte er sich somit nun indirekt auch zum Vorwurf der Volksverhetzung. Die Vorsitzende Richterin Gabriela Walburg ging aber davon aus, dass die Tat nicht von langer Hand geplant wurde, sondern aus der Situation heraus entstanden war. Dies bestätige sie in ihrer Annahme, den Mann künftig „nicht wegen einer ähnlichen Sache wieder auf der Anklagebank sitzen zu haben“. Daher sei die Bewährungsstrafe gegenüber der Öffentlichkeit gerechtfertigt.

Staatsanwalt Christoph Kruczynski will die Abmilderung des Urteils gegen Frank D. keineswegs als ein Zurückweichen der Justiz vor Fremdenfeindlichkeit gewertet wissen. Doch die Begründungen lassen für die noch anhängigen Verfahren nichts Gutes erahnen. Die Staatsanwaltschaft hatte noch gegen sieben weitere mutmaßliche Täter ermittelt. Gegen einen 22jährigen Mittäter war eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung sowie eine Geldbuße verhängt worden. Gegen dieses Urteil hat der Mann Berufung eingelegt, über die im Oktober verhandelt werden soll. Ein 18jähriger und ein 35jähriger hatten die gegen sie verhängten Geldstrafen akzeptiert. Vier Ermittlungsverfahren wurden nach Angaben der Staatsanwaltschaft eingestellt.

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Mügeln auf der Landkarte