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Entsetzen nach Racheakt in Mügeln

Eine neue Gewalttat im nordsächsischen  Mügeln , wo vor einem Jahr Ausschreitungen gegen eine Gruppe Inder für Schlagzeilen sorgten, hat Entsetzen ausgelöst. Der Staatsschutz der Polizei prüft nach eigenen Angaben, ob es einen Zusammenhang zwischen der Tat, bei der ein 35-Jähriger schwer verletzt wurde, und den Ereignissen vom Vorjahr gibt. Der 35-jährige war kurz zuvor als Zeuge in einer TV-Dokumentation aufgetreten.

Der 35-Jährige hatte bei den Ermittlungen zu den Übergriffen als Zeuge und auch in einer Fernseh-Dokumentation ausgesagt. Am vorigen Sonntag wurde er von einem 20-Jährigen umgerissen, geschlagen und getreten. Er war zuvor an einer Gruppe von etwa 15 Personen vorbeigelaufen. "Dort ist er!", soll einer aus der Gruppe gerufen haben. Das Opfer erlitt eine Platzwunde neben dem Auge sowie Prellungen. Politiker der Grünen und der Linken forderten Aufklärung.

Ob der 20 Jahre alte Angreifer dem rechten Spektrum zuzurechnen ist, blieb offen. Das Opfer hatte den Täter erkannt und der Polizei gemeldet. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung. Der Hintergrund: Acht Inder hatten sich im August 2007 während des Mügelner Altstadtfestes mit knapper Not in eine Pizzeria gerettet. Davor grölte ein Mob von etwa 50 Personen ausländerfeindliche Parolen. In einer TV-Dokumentation war der Fall kürzlich aufgerollt worden - ausgestrahlt wurde sie nach Mitternacht.

Kamil Taylan vom Hessischen Rundfunk hat an einer gewalttat als racheakt kaum Zweifel. Er ist der Autor der TV-Dokumentation. Nach seiner Kenntnis, so berichtet mz-web.de, soll der 20-Jährige zu einer Gruppe um den Haupttäter der Angriffe von 2007 gehören, die sich regelmäßig an einer Tankstelle in Mügeln trifft. Das Opfer wiederum sei Mitarbeiter der Pizzeria, in die sich die Inder damals aus Angst vor dem Mob geflüchtet hatten. "Er hat seitdem immer wieder Provokationen erlebt", so Taylan.

Laut Leipziger Volkszeitung will sich aber aus Angst kaum jemand äußern. Das Blatt berichtet von einem E-Jugend-Fußballspiel im März, das wegen rechter Parolen abgebrochen werden musste.

"Das Problem wird absolut unterschätzt. Es mag sein, dass wir keine festen rechten Strukturen im Ort haben. Das heißt aber nicht, dass es keine Rechten gibt", sagt ein Sprecher des Vereins "Vive le Courage", der sich nach den Angriffen auf die Inder gegründet hat und über Rechtsextremismus in Mügeln aufklären will. Regelmäßig gebe es in Mügeln Vorfälle. Pöbeleien wie ein "reißt den Türken um" bei einem Fußballspiel im vergangenen Jahr seien Alltag.

Die sächsische Opferberatung sieht Mügeln zwar nicht als rechtsextreme Hochburg, wünscht sich aber dennoch mehr Sensibilität. "Die Aufmerksamkeit im vergangenen Jahr hat zu einer sehr starken Abwehrhaltung im Ort geführt." Und zu Schweigen, auch über neue Fälle. "Den offenen Umgang mit dem, was passiert, vermisse ich ein bisschen", sagt Sozialpädagoge Franz Eder. Journalist Taylan drückt es noch drastischer aus. Rechtsextremismus unterschätzt? "Er wird gar nicht wahrgenommen, auch bei der normalen Bevölkerung nicht", sagt er. 


Zielgerichtete Tat

"Es deutet einiges darauf hin, dass die Täter seinerzeit viel zielgerichteter gehandelt haben, als zunächst bekannt wurde", erklärte indessen der innenpolitische Sprecher der Grünen im Landtag, Johannes Lichdi. Zum jetzigen Zeitpunkt müsse damit gerechnet werden, dass der Zeuge angegriffen worden sei, weil er seine Aussagen gemacht habe.

Für die Linksfraktion kritisierte Kerstin Köditz, der Mügelner Bürgermeister habe "bis heute noch nicht den Mut offen einzugestehen, dass es in seiner Kommune ein offenkundiges Problem mit der extremen Rechten gibt". Gotthard Deuse (FDP) war zu diesem Fall für Medien zunächst nur schwer zu erreichen. In der "Leipziger Volkszeitung" sagte er  "Den Täter soll die ganze Härte des Gesetzes treffen." Für Kerstin Köditz, Antifaschismus-Sprecherin der Linksfraktion im Landtag mangelt es Deuse allerdings an Konsequenz im Kampf gegen die extreme Rechte: "Auch jetzt wälzt Deuse die Verantwortung auf die Justiz ab, die den Täter hart bestrafen soll. An eigene Aktivitäten gegen die extreme Rechte in seiner Stadt denkt er offenbar immer noch nicht."
Gefordert sei aber auch das sächsische Innenministerium.  Die Kommunen dürften mit dem Problem nicht alleingelassen werden. (Quellen:dpa, mz-web.de u.a.)

MDR-TV-Bericht: http://www.mdr.de/nachrichten/5804955.html

www.mut-gegen-rechte-gewalt.de

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