Der Lern- und Gedenkort Jawne in Köln steht vor schwierigen Zeiten. Das Versicherungsunternehmen Allianz kündigte Anfang des Jahres das kostenlose Nutzungsrecht für die Ausstellungsräume des Lern- und Gedenkorts auf. Der durch Spenden finanzierte, ehrenamtliche Arbeitskreis kann sich die Miete jedoch nicht leisten.
Der weit über die Grenzen Kölns hinaus bekannte
Lern- und Gedenkort Jawne steht vor einer unsicheren Zukunft. An diesem Ort zerstörten die Deutschen im Nationalsozialismus das jüdische Gymnasium, dass dort von 1919 – 1942 stand. Dem ehrenamtlichen Arbeitskreis, der den Lern- und Gedenkort betreut, wurde durch die Allianz Real Estate Germany GmbH Anfang dieses Jahres das kostenlose Nutzungsrecht aufgekündigt.
In den Räumen werden regelmäßig Ausstellungen und Veranstaltungen organisiert, die die Geschichte der Schule und ihrer Schülerinnen und Schüler am Leben hält. Der am Erich-Klibansky-Platz ansässige Lern- und Gedenkort, kann sich die von der Allianz veranschlagte Miete in Höhe von 1.400 Euro ab dem 1. Januar 2010 nicht leisten. Auch der nach einer Berichterstattung in der
WDR „Sprechzeit“ vorgeschlagene Kompromiss von 50 % Erlass im Jahr 2010 und 25 % im darauffolgenden, ist für den sich vor allem durch Spenden finanzierten Arbeitskreis nicht leistbar. „
Wir sind zwar froh, dass es von Seiten der Allianz endlich mal zu einem Einlenken kam, jedoch ist uns damit nicht wirklich geholfen, da wir als ehrenamtlich arbeitender Arbeitskreis das Geld nicht aufbringen können und so eine Weiterführung unsere erinnerungspädagogischen Arbeit massiv gefährdet ist.“, sagt Ursula Reuter, Sprecherin des Arbeistkreises.
Die Begründung der Allianz ist auch beim zweiten Blick nicht klar ersichtlich. So wird auf der einen Seite mit den Interessen der Anleger argumentiert. Gegenüber MUT betonte ein Mitarbeiter den wirtschaftlichen Zweck der Allianz Real Estate Germany GmbH und verwies auf den Vorbehalt seit dem Beginn des stillen Sponsorings im Jahr 2003, „dass im Falle eines Mietinteresses die Allianz Real Estate zum Handeln im Interesse der Anleger aufgefordert sei“. Auf der anderen Seite lässt sich zwischen den Zeilen auch eine Art „wir haben schon genug gemacht“ Dialektik herauslesen. In einer Stellungnahme gegenüber dem Arbeitskreis erklärt das Unternehmen, das die Förderung „auf Grund des umfassenden Engagements der Allianz bei jüdischen Einrichtungen in Deutschland sowie weiterer gemeinnütziger Institutionen in Köln“ nicht möglich sei. Auf Nachfrage wurde betont, das eine direkte Verbindung zwischen der Verantwortung der Allianz und dem Lern- und Gedenkort nicht bestünde und das die Allianz nicht für alle gemeinnützigen Vereine in Deutschland da sein könne.
Die Allianz war in der Zeit zwischen 1933 und 1945 nicht nur Versicherer für NSDAP Unterorganisationen sondern auch für Personen und Gebäude in den Konzentrationslagern in Auschwitz und Dachau. Damit profitierte sie direkt von den Deportationen. Das Unternehmen setzt sich seit den 1990er Jahren mit diesem Kapitel der Geschichte intensiv auseinander, so wurde 1996 ein firmenhistorisches Archiv eröffnet und im September 2001 die Ergebnisse einer Gruppe von Historikern in einer Ausstellung und im Internet veröffentlicht.
Eine Perspektive für den Arbeitskreis Lern- und Gedenkort Jawne gibt es damit nicht. Die Stadt Köln hat schon einmal signalisiert, dass sie sich eine Förderung des Arbeitskreises nicht leisten kann. Ein Bündnis aus verschiedenen zivilgesellschaftlich engagierten Gruppierungen, das unabhängig vom Arbeitskreis agiert, ruft am 9. November zu einer Demonstration gegen das Verhalten der Allianz auf. Auch eine Kampagne die zum Austritt aus der Allianz aufruft ist in Planung. Für die Zukunft der Jawne erklärt Ursula Reuter: „Der Lern- und Gedenkort Jawne braucht eine dauerhafte Lösung – am besten und unbürokratischsten durch die Allianz, sonst auch durch andere Sponsoren oder eine öffentliche Förderung.“