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Der Skandal von Mügeln setzt sich fort

Kaum zu glauben. Im sächsischen Mügeln, dort wo im August 2007 Neonazis Inder jagten (Foto) , planten junge Leute in einem Park ein antirassistisches Konzert. Doch der Bürgermeister verbot es. Politisches sei dort nicht gestattet. Aber ist Antirassismus überhaupt Politik? Oder nicht eigentlich eine Selbstverständlichkeit, die jede Zivilgesellschaft auszeichnen sollte? Das fragt Susan Anger vom Verein 'Vive le Courage e. V.' Mügelns Bürgermeister Gotthard Deuse (FDP). Hier ihr Text...

Von Susan Anger

Die Vorgeschichte ist etwas länger. Bereits Ende September 2008 nahmen wir Kontakt mit dem Bürgermeister von Mügeln, Herrn Deuse, auf, um für das Abschlusskonzert der Antirassistischen Aktionswoche (23.-29.08.2009) den Schwetaer Park (OT Mügeln) als Veranstaltungsort, welcher der Stadt Mügeln gehört, zu mieten. Zu dieser Zeit bekamen wir eine mündliche Zusage. Diese Veranstaltung tauchte auch umgehend in den öffentlichen Medien (Mügelner Anzeiger, Webseite der Stadt) der Stadt Mügeln auf. Daher begannen wir mit den Vorbereitungen für diese, uns sehr am Herzen liegende, Aktionswoche. Denn leider war das Stadtfest 2007 nicht das einzige mal das rechte Ideologien sich in Mügeln und Umgebung Raum verschafften. So wurden seit Mai letzten Jahres über 40 Straftaten mit rechtem Hintergrund dokumentiert. (siehe Chronik unter: http://vivelecourage.blogsport.de/themen/).

Um noch letzte Dinge zu klären, sowie aus dem mündlichen einen schriftlichen Vertrag zu machen, gingen wir im Juni 2009 erneut zu Deuse. Zu dieser Zusammenkunft folgte für uns eine Überraschung nach der anderen. Nachdem unsere Veranstaltungen für Deuse nicht mehr ganz präsent waren, kam plötzlich der Einwand, dass die Stadt Mügeln die sanitären Anlagen des Schwetaer Parks renovieren wird, was eine Nutzung dieses für die nächsten Monate unmöglich macht. Als wir jedoch als Lösung des Problems alternative Möglichkeiten (bspw. DIXI Sanitärsysteme) vorschlugen, meinte Deuse, „dass auch die Sicherheit ein Problem sei. Er habe Angst, dass es zu Ausschreitungen kommen könnte und das Mügeln wieder negativ in der Presse erscheinen würde“ (Zitat Deuse). Da wir uns dieser Thematik selbstverständlich sehr wohl bewusst sind, stehen wir schon seit geraumer Zeit mit verschiedenen Organisationen und Firmen in Verbindung, welche für die Sicherheit der BesucherInnen des Turniers und des Konzerts sorgen werden.

Nachdem bei diesem Gespräch scheinbar für alle Einwände, Alternativen und Lösungen gefunden wurden – durch welche der Stadt Mügeln im Übrigen auch keinerlei Aufwand jedweder Art, sondern nur positive Effekte (z.B. für die Stadt kostenfreie soziokulturelle und politische Bildungsveranstaltungen im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit mit dem Ziel der Demokratieerziehung und Prävention rassistischer Denkstrukturen und Tendenzen) zuteil werden würden – brachte Deuse plötzlich den Einwand, der entstehende Lärm könnte die AnwohnerInnen stören. Da aber im Schwetaer Park das ganze Jahr über verschiedene städtische und private Veranstaltungen stattfinden, meinte er, dass aufgrund der Lärmbelästigung ausgerechnet seit diesem Jahr nur noch zwei bis drei Veranstaltungen durchgeführt werden dürfen. Warum aber das tagsüber stattfindende Fußballturnier sowie das bereits geplante, da schon über 9 Monate feststehende Abschlusskonzert nicht zu diesen „Ausnahmen“ zählen, wurde nicht beantwortet.

„Obwohl uns nach diesem Gespräch ein weiteres klärendes Gespräch mit Verantwortlichen der Stadtverwaltung angeboten wurde, beschloss der Mügelner Stadtrat, alle Veranstaltungen des „Vive le Courage e.V.s“ im Schwetaer Park zu verbieten. Zum einen ohne dem Verein, wie abgesprochen, die Möglichkeit zu geben, sich mit den Verantwortlichen aus der Stadtverwaltung zusammenzusetzen; und zum anderen ohne die Mitglieder des Vereins, d.h. die OrganisatorInnen der Veranstaltungen, überhaupt in irgendeiner Form mit in den Entscheidungsprozess einzubeziehen.“ (Zitat Vive le Courage)

"..nicht für politische Veranstaltungen..."

In der schriftlichen Begründung des Verbots der Veranstaltungen, die wir am 03.07.2009 erhielten, steht, dass der Schwetaer Park nicht für politische Veranstaltungen zur Verfügung gestellt werden soll. Diesen Punkt können und wollen wir nicht nachvollziehen, da der politische Hintergrund auf den Titel „Antirassistisches Konzert“ bezogen ist. „Antirassismus hat nicht zwangsläufig etwas mit Politik zu tun, sondern ist eine der wichtigsten Grundlagen friedlichen Zusammenlebens.“ (Zitat Vive le Courage)

Mit all diesen Argumenten versuchten wir erneut, ins Gespräch mit den Verantwortlichen der Stadt Mügeln zu kommen, indem wir als Antwort auf die Absage einen persönlichen Brief an Herrn Deuse sandten. Daraufhin lud der Bürgermeister uns erneut zum Gespräch ein. Dieser Termin wurde jedoch von Herrn Deuse wieder abgesagt, weil das Verbot der Nutzung des Schwetaer Parks bereits feststeht. Weshalb er uns dann erst einen neuen Termin anbot, um ihn nach Absprache mit dem Leiter des Ordnungsamtes, Herr Rossberg, wieder abzusagen, bleibt uns ein Rätsel – vielleicht, weil es dessen Meinung nach unverschämt sei, den Bürgermeister mit einem weiteren Gespräch zu belästigen, wenn das Verbot doch schon feststehe? Konstruktive Konfliktlösung und Kommunikationskompetenz scheinen jedenfalls nicht zu den Stärken der Verantwortlichen der Stadt Mügeln zu gehören.

PS: Das Konzert am 29.08.09 fällt aber nicht aus, sondern wird nach Oschatz ins E-Werk verlegt.

PSS: Aufgrund der Aktivitäten rechter Jugendlicher wurde unser neues Vereinsgebäude bereits mehrmals angegriffen. Damit wir uns besser schützen können, brauchen wir dringend Sicherheitstüren und –fenster. Da diese sehr teuer sind, freuen wir uns über jede kleine oder große Spende auf folgendes Konto:

Vive le Courage
Kontonr.: 144 172 507
Blz.: 850 949 84
Volksbank Riesa eG
Betreff: Spende Haus

Mehr über die Hetzjagd von Mügeln am 20. August 2007
Mehr über die Positionen des
Mügelner Bürgermeisters 
Mehr über den Verein Vive le Courage

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Eins der Opfer von Mügeln