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In Bernau gab es letzten Samstag allen Grund zu jubeln: Rund 500 engagierte Menschen aus der Zivilgesellschaft setzten sich etwa 90 Neonazis in den Weg und blockierten somit mutig deren Marsch durch die Stadt. Doch dies war nur der erste von insgesamt fünf Aufmärschen der „Kameradschaft Märkisch Oder Barnim“ (KMOB). Der Protest darf nicht nachlassen.
Rund 500 Menschen sind am Samstag dem Aufruf von „Brandenburg Nazifrei“ gefolgt und haben sich an Menschenblockaden gegen den geplanten Neonaziaufmarsch beteiligt. Darunter viele Bernauer Bürgerinnen und Bürger, Unterstützer aus der Region, antifaschistische Gruppen, zivilgesellschaftliche Initiativen sowie Parteien und Gewerkschaften. Der Bahnhofsvorplatz wurde mit einer Sitzblockade besetzt, an der sich mehrere hundert Menschen beteiligten. Die 90 zumeist von außerhalb angereisten Neonazis konnten in Bernau keinen Meter laufen. Nach zwei Stunden erfolglosem Rumstehen lösten sie ihre Versammlung auf. Wie gegenrede.info herausfand kommentierte KMOB-Führer Robert Gebhard auf seinem Jappy-Profil den Tag mit „alles scheiße wieder mal“ und brachte die Situation der Neonazis damit auf den Punkt.
Nicht auf dem Erfolg ausruhen
Der verhinderte Naziaufmarsch in Bernau war ein großer Erfolg. Doch darauf können sich das Bündnis und seine Brandenburger Unterstützerinnen und Unterstützer leider nicht ausruhen. Bernau war nur die erste von insgesamt fünf angekündigten Demos der „Kameradschaft Märkisch Oder Barnim“ (KMOB). Schon am nächsten Samstag, den 5. Juni, wollen sie in Eberswalde marschieren. Auch dort plant „Brandenburg Nazifrei“ eine bunte Gegendemonstration mit Konzert und Kinderradrennen. Und vielleicht merken die Menschen ja auch wieder, dass es sehr viel Spaß machen kann, auf der Straße zu sitzen.
In Eberswalde gab es zwar schon lange keinen Neonaziaufmarsch mehr, doch rechtsextreme Strukturen seien hier stark verankert, erzählt Kai Jahns vom Eberswalder Zentrum für demokratische Kultur. „Eberswalde hat eine stabile rechtsextreme Szene, die über die Generationen gewachsen ist und es bestehen starke Verbindungen zu den ländlichen Nazistrukturen im Umland.“ Da Eberswalde wesentlich weiter von Berlin entfernt ist als Bernau werden nicht so viele Menschen von außerhalb anreisen. Jahns zählt daher am Samstag ganz auf die Eberswalder Bevölkerung. Trotzdem sollten wir die Eberswalder nicht im Stich lassen. Am Samstag wird das Wetter richtig schön – warum nicht mal eine Tagestour nach Eberswalde machen? Treffpunkt ist um 10 Uhr am Bahnhof.
Makabere Themen
Die weiteren Aufmarschorte und Daten der KMOB sind Bad Freienwalde (12.6.), Strausberg (19.6.), und Manschnow (10.7.). Für Joachimsthal (26.6.) und Biesenthal (3.7.) hat die KMOB ihre Demoanmeldungen zurückgezogen. Trotzdem plant „Brandenburg Nazifrei“ dort Gegenveranstaltungen, um den Menschen vor Ort zu zeigen, dass sie nicht die einzigen sind, die sich durch die Neonazis in ihren Städten gestört fühlen.
Die samstäglichen Aufmärsche stehen unter verschiedenen Themen, die auf makabere Art zu den Orten passen. „Gegen Kinderschänder“, ein Thema mit dem die NPD auch gerne auf Stimmenfang geht, wird etwa in Manschnow demonstriert. Im Nachbarort Gorgast wurde gerade gegen zwei Neonazis, die einen Jungen missbraucht haben sollen, Haftbefehl erlassen. Die Täter sollen sogar im Dezember selbst an einer Mahnwache gegen Kinderschänder teilgenommen haben Sie wollen sich, wenn man logisch weiterdenkt, also selbst umbringen. In Bad Freienwalde und in Bernau wird Jugendarbeit gefordert – und das obwohl vor zwei Jahren ein Mitglied der KMOB einen Anschlag auf ein Bad Freienwalder Jugendzentrum verübte. In Eberswalde und Strausberg richten sich die Demos „gegen linke Gewalt“. In Eberswalde wurden 1990 Amadeu Antonio und 2000 Falko Lüdtke, in Strausberg 1993 Hans Georg Jakobson von Rechtsextremen ermordet.
Nicht sonderlich intelligent
Die KMOB versucht sich als Nachfolgerin des „Märkischen Heimatschutz“ (MHS) zu etablieren, der sich 2006 selbst auflöste. Der Organisierungsgrad ist recht gut „Die KMOB war in den letzten 2-3 Jahren auf allen Neonaziaufmärschen in Berlin und Brandenburg präsent. Jetzt wollen sie zeigen, dass sie selbst auch was auf die Beine stellen können“, so Jahns. Auf einem Flyer mit den „Regeln der KMOB“, der an Schulen verteilt wurde, listen die Kameraden ihre Prinzipien auf zu denen etwa ein monatlicher Mitgliedsbeitrag, kein Verrat an die Polizei und „nicht mit Bierflasche durch die Stadt laufen“ zählen. Neben einem recht hohen Anspruch an sich selbst fällt dem Lesenden jedoch sofort ins Auge, dass die Kameraden nicht sonderlich intelligent sind. So steht unter 6. „Keinem Stich lassen“, was vermutliche „Keinen im Stich lassen“ heißen soll. Auch auf ihrer Homepage präsentiert sich die KMOB ungeschickt, die Texte sind voller grammatischer Fehler. Jahns bestätigt, dass die KMOB-Mitglieder von ihrem Niveau her „typischen Dorfnazis“ entsprächen: „Da in Brandenburg in den letzten Jahren viele ehemalige NPD- und DVU-Mitglieder zu freien Kameradschaften gewechselt sind müssen sie sich nicht mehr zurückhalten.“ Das macht sie zwar gefährlicher, lässt sie jedoch auch ziemlich doof aussehen.
Von Isi Schanze
Foto: PM Cheung, c