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Keine Entwarnung

Die neonazistische NPD ist zwar aus ihrem Zoff-Parteitag zerknautscht hervorgegangen, was ihre Erfolgsaussichten bei der Bundestagswahl gewiss schmälert. Aber wer erwartet, ein zersplittertes rechtsextremes Lager wäre weniger gefährlich, täuscht sich. Ein Gastkommentar von Helmut Lölhöffel.

Viele Medienberichte und Kommentare der vergangenen Tage über die NPD enthalten einen auffallend durchgehenden Trend: Wegen ihrer Flügelkämpfe, ihrer zerstörerischen Personalquerelen und ihrer desolaten Kassenlage sei die NPD dabei, sich selbst zu zerlegen und sich damit sozusagen zu erledigen. Eine gefährliche Tendenz, die mit ihrer scheinbaren Beruhigungswirkung zu dem leichtfertigen Schluss führen kann: Ach, liebe Leute, lasst die Rechtsextremen sich doch kaputtstreiten und soll ihnen doch das Geld ausgehen, dann sind wir das leidige Problem los und können uns in die Polster zurücklehnen.

Nein, so einfach ist das nicht. Auch wenn es stimmt, dass sich die Spitzenfunktionäre untereinander hasserfüllt bekämpfen, auch wenn es stimmt, dass es zwischen eher moderaten Deutschnationalen und radikalen Neonazis ("Hitleristen") erbitterte Strategiestreitereien ohne Ende gibt, auch wenn es stimmt, dass Abspaltungen, Austritte und Parteiwechsel bevorstehen, auch wenn es stimmt, dass die NPD überschuldet, nicht mehr zahlungsfähig und dem Konkurs nahe ist, dann darf unsere Aufmerksamkeit nicht nachlassen. Denn ein zerfasertes und ausfransendes ultrarechtes und rechtsextremes Lager ist nicht weniger bedrohlich als es eine stramme nationalsozialistische Einheitspartei wäre.

Auch nach dem chaotisch verlaufenen Bundesparteitag in Berlin ist nicht genau erkennbar, wie die internen Intrigen ausgehen und wohin die Richtungskämpfe noch führen. Es gibt verschiedene Szenarien von einem Zusammenschluss der DVU mit Teilen der NPD bis zur heillosen Zersplitterung in ein Spektrum, das dumpf-spießige braungefärbte Hinterzimmerschwätzer und einen straff geführten gewalttätigen Haufen militanter Straßenkämpfer umfasst. Sie hätten dann nicht mehr viel miteinander zu tun außer ihrer gemeinsamen ausländerfeindlichen, antisemitischen und rassistischen Gesinnung.

Genau das darf uns nicht sorglos machen. Falls die NPD als Organisation eingeht oder bedeutungsloser wird, bleiben alle diese Reste bestehen und gewinnen vielleicht gerade wegen ihrer Kleinteiligkeit umso mehr Zulauf. Darum ist es erst recht notwendig, die Entwicklungen in der Szene genau zu betrachten und daraus Schlüsse zu ziehen. Nach wie vor ist es sinnvoll, ein neues Verbotsverfahren gegen die NPD vorzubereiten und es gegebenenfalls für andere, neu entstehende Organisationen sinngemäß anzuwenden. Nötig ist auch, dass alle, die so tun, als ob sie sich dem Rechtsextremismus entgegenstellen, tatsächlich ernsthaft versuchen, Aufmärsche oder Parteitage zu verbieten und zu verhindern. Die Berliner Gerichte haben dies leider nicht getan, indem sie den Bundesparteitag in einem Bezirksrathaus, ausgerechnet im Ernst-Reuter-Saal, erlaubten.

Wie auch immer die rechtsextreme Landschaft demnächst aussehen wird: Es ist gleichgültig, wie viele Organisationen es gibt und unter welchen Namen sie mit welchen Figuren antreten – sie gehören mit allen Mitteln bekämpft. Denn es bleiben insgesamt gleich viele Rechtsextreme. Wer denkt, die würden sich gerade organisatorisch selbst zerstören und in Luft auflösen, erliegt einer Fehleinschätzung.

Der Autor ist Herausgeber der Website www.bnr.de (Blick nach rechts).

Mehr zum Thema auf MUT:
Die NPD und die Gewalt (npd-blog.info)
MUT-Fotoreportage vom NPD-Parteitag
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www.mut-gegen-rechte-gewalt.de. Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des 'Blick nach rechts' (www.bnr.de)  / hk

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