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Was hat die Bekämpfung des Rechtsextremismus, des Rassismus oder des Antisemitismus mit „Integration“ zu tun? Vordergründig scheint es nur einen geringen Zusammenhang zu geben, denn „Bekämpfung von Rechtsextremismus“ zielt scheinbar auf die deutsche Ursprungsbevölkerung und vor allem der Imperativ „Integration“ zielt in der Perspektive einiger Betrachter vor allem auf Menschen mit Migrationshintergrund.
Von Günter Piening, Integrationsbeauftragter des Berliner Senats
Rechtsextremismus zielt auf Ablehnung der Einwanderungsgesellschaft und der Einwanderer und ist damit eines der größten integrationspolitischen Hindernisse.
Die Ideologie des Rechtsextremismus ist eine Ideologie der Ungleichheit, der Abwertung und Verächtlichmachung anderer. Daraus folgen zwangsläufig Freund-Feind-Haltungen und Intoleranz gegenüber Menschen anderer Herkunft, die schließlich in rechtsextremen Weltbildern als Ausländer- und Fremdenfeindlichkeit wirksam sind und teilweise in entsprechend motivierte Handlungen und Taten münden können. Die jährlichen Berichte von Nichtregierungsorganisationen wie ReachOut oder MBR über rechtsextreme Gewalttaten und nicht zuletzt die polizeiliche Kriminalstatistik geben ein beredtes Zeugnis darüber.
Rechtsextreme wollen ein Klima der Angst erzeugen, sie wollen öffentliche Räume besetzen und dominieren. Dadurch wollen sie die Bewegungsfreiheit von Bürgern mit Migrationshintergrund einschränken, wollen ihnen signalisieren, dass sie nicht willkommen sind. Dies konterkariert alle unsere Bemühungen um Verbesserung der Teilhabe, um Chancengleichheit für Menschen mit Migrationshintergrund. Die rechtsextreme Ideologie ist deshalb ein ernstzunehmendes Integrationshindernis. Nicht nur das. Wenn wir davon ausgehen, dass Integration angesichts der demographischen Entwicklung längst keine Minderheitenfrage mehr ist und Deutschland in den nächsten Jahrzehnten dringend auf Zuwanderung angewiesen ist, da nur eine kulturell offene und vielfältige Gesellschaft erfolgreich ist, zielen die rechtsextremen Ausgrenzungs- bzw. Gewaltstrategien direkt auf eine Reduzierung der Entwicklungschancen ganzer Regionen. Hier muss weiterhin - auch im Interesse des ganzen Landes und einer vielfältigen Gesellschaft - kräftig gegengesteuert werden. Ein positives Signal in die richtige Richtung wäre, wenn die Bundesregierung die zivilgesellschaftlichen, demokratischen Initiativen und Netzwerke, die im Kontext der Förderprogramme entstanden sind, weiter angemessen finanziell unterstützen würde.
Gleichzeitig wäre es nicht angemessen, den "Brennpunkt Integration" ausschließlich auf Rechtsextremismus zu reduzieren. Die allseits bekannten Untersuchungen zur GMF (Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit) von W. Heitmeyer oder die Untersuchungen der Bundesantidiskriminierungsstelle zeigen, dass Migranten/innen, wenn sie als ethnisch „anders“ wahrgenommen werden, immer noch auf Vorbehalte, Stereotype und schlichten Rassismus in großen Teilen der Bevölkerung treffen. Zugespitzt: Ablehnung von Einwanderung und Einwanderern ist eines der zentralen Themen, mit denen der Rechtsextremismus an die Mitte der Gesellschaft andockt.
Ablehnung der Einwanderer und der Einwanderungsgesellschaft und Rassismus sind die vorrangigen Themenfelder, in denen der Rechtsextremismus seine Anschlussfähigkeit in die Mitte der Gesellschaft herstellt.
Besonders gefährlich ist Rassismus, wenn er von den Eliten des Landes vorgetragen wird, bzw. wenn die entsprechenden (Medien-)Diskurse fremdenfeindliche Stereotype aufgreifen, ohne die Perspektive der Betroffenen einzunehmen. In den Äußerungen von Thilo Sarrazin, noch mehr aber in der Zustimmung, die er im bürgerlich-liberalen Milieu gefunden hat, sehe ich eine gefährliche Aufweichung von Grenzziehungen gegenüber rassistischen und rechtsextremistischen Positionen. Die Grenze zwischen Wohlstandschauvinismus und Rassismus ist durchlässig geworden. Das bestärkt die Rechtsextremen in ihren Positionen und bietet neue Andockungspunkte in die Mitte der Gesellschaft hinein. Bei den EinwanderInnen hinterlassen sie noch tiefere Ausgrenzungserfahrungen als die Ausländer-Raus-Parolen der Rechtsextremen, viele schütteln resignierend den Kopf: „So sehr man sich als Einwanderer in Deutschland anstrengt, es wird uns nie gelingen eine gleichwertige Anerkennung unter den Deutschen zu erringen.“
Der zweite Themenkreis betrifft den Islam. Wie kaum ein anderes Themenfeld wird die neue Präsenz des Islam in Europa für die Verbreitung rassistischer und rechtsextremistischer Positionen genutzt. Moschee, Kopftuch, Minarett stehen dabei stellvertretend für das Einsickern des gefährlichen Fremden.
Der neue Elitenrassismus á la Sarrazin und die Inszenierung des Islam als Feindbild haben eine neue Dimension, die nicht unerwähnt bleiben sollte. Beide Themen sind nicht nur in klassisch konservativen Milieus anschlussfähig, sondern auch im liberalen Milieu, ja selbst im alternativ-grünen Milieu.
Ohne ein klares Bekenntnis zu Einwanderung und zur Einwanderungsgesellschaft ist der Kampf gegen Rechtsextremismus nicht zu gewinnen. Prävention und Intervention gegen den (Alltags-) Rassismus müssen stärker in den Focus der Programme rücken.
Die Eliten unseres Landes können die Integration fördern, wenn sie in den Debatten um Integration auch die Perspektive der Einwanderer/innen wahrnehmen. Wir brauchen eine deutliche Ächtung von Islamophobie, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus durch die Norm setzenden Kräfte dieser Gesellschaft. Normen die verdeutlichen, dass Anerkennung und Respekt gegenüber Anderen eine demokratische Selbstverständlichkeit sind und dass unsere Gesellschaft nur durch die Solidarisierung mit den Minderheiten zukunftsfähig ist. Begleitet werden sollte ein solcher Diskurs durch eine politische Initiative, die die positiven Aspekte von Einwanderung und Einwanderungsgesellschaften thematisiert: Es ist gut, wenn die kritischen Seiten von Migration beleuchtet werden, wenn wir aber rechtsextremen Argumentationen den Wind aus den Segeln nehmen wollen, müssen wir in der Öffentlichkeit auch die Erfolgsgeschichten eingewanderter Bürgerinnen und Bürger und ihre Leistungen in den Vordergrund stellen.
Eine erfolgreiche Integrationspolitik und Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus wirken gleichzeitig auf einem Handlungsfeld: der Gestaltung der Einwanderungsgesellschaft. Überfällig ist darum eine stärkere Einbeziehung der Migranten(-organisationen) in die Strukturen der Programme gegen Rechtsextremismus und Rassismus. Eine stärkere Aktivierung setzt auch eine gerechtere Teilhabe an den Fördermitteln voraus.
Berlin baut zurzeit diesen Ansatz aus. So hat der Berliner Senat beispielsweise bei der Erarbeitung eines Landesaktionsplans gegen Rassismus, der sich insbesondere auf Maßnahmen im Verwaltungsbereich konzentrieren soll, den Migrationsrat Berlin-Brandenburg und damit eine Vielzahl von NGOs über ein Konsultationsverfahren in den Erstellungsprozess einbezogen.
Darüber hinaus müssen wir auch über Verknüpfungen im Alltag nachdenken: Schulen und Kieztreffs, aber auch Betriebe und Vereine könnten viel stärker als Zentren für Integration und Demokratie genutzt werden. Hierzu liegen zahlreiche Good Practice Dokumentationen vor. Wir brauchen dringend eine gemeinsame Strategie des Bundes und der Länder um diese guten Modelle in ein langfristiges Fördersystem zu überführen.
Eine stärkere Berücksichtigung von Trägern aus dem Migrationskontext ist dabei unbedingt sicherzustellen.