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Die Bundesregierung sollte vermeiden, ein derartiges Signal ins Land zu senden!

Wenn die Aufgaben zunehmen, die aus dem Topf „Extremismusbekämpfungs-Programme“ bezahlt werden, sinken dann die Mittel, die in die Bekämpfung des Rechtsextremismus fließen? Ein Kommentar von Manuela Schwesig zum Koalitionsvertrag der Bundesregierung.

Als die NPD vor einigen Jahren mit einem fast zweistelligen Ergebnis in den sächsischen Landtag gewählt wurde, war der Jammer groß - und berechtigt. Die tröstliche Formulierung, die damals vielen in den Sinn kam, lautete in etwa so: „Schlimme Sache, dass Rechtsextreme reingewählt wurden - aber bisher sind sie noch nie wiedergewählt worden.“ Leider stimmt dies seit diesem Jahr nicht mehr: Die NPD sitzt auch in dieser Legislaturperiode im sächsischen Parlament – allerdings nach erfreulich deutlichen Stimmenverlusten.

Rechtsextremismus ist ein europäisches Problem, das aber natürlich gerade in Deutschland sehr offen angesprochen werden muss. Falsch wäre es, allein auf die NPD zu schauen. Sie ist nur ein Teil des Problems. Nehmen wir ein Beispiel aus meiner Heimat Mecklenburg-Vorpommern: Im Schweriner Landtag sitzt zwar seit 2006 auch eine NPD-Fraktion, aber für mindestens genauso schädlich halte ich die „freien“ Kameraden, unter denen sich üble Schläger finden. Sie sind mit der NPD eine Verbindung eingegangen, die zwar brüchig, aber dennoch höchst gefährlich ist.

NPD und Kameradschaften eint das Ziel, die Demokratie angreifen, zu zersetzen und letztlich abzuschaffen. Aber wer einmal verstanden hat, dass das Problem „Rechtsextremismus“ nicht mit einem Federstrich - und damit leider auch nicht schnell - aus der Welt geschafft werden kann, dem müsste eigentlich einleuchten, dass das Problem aus vielen Richtungen angegangen werden muss. Um nur ein paar Schlagworte zu nennen: Wir brauchen Aufklärung, wir brauchen Repression, und wir brauchen Prävention.

Der letzte Punkt ist mir besonders wichtig: Im Kern geht es nicht nur darum, Jugendliche und Erwachsene nicht an den Rechtsextremismus zu verlieren, sondern es geht darum, sie für die Demokratie zu gewinnen. Das ist ein sehr, sehr ehrgeiziges Ziel, weil Rechtsextremisten einfache, dumme Antworten haben, wo es Demokraten darum geht, im Austausch von Argumenten nach einer Lösung zu suchen, die möglichst vielen Menschen zugute kommt. Das kann anstrengend sein, ich weiß das sehr wohl. In Mecklenburg-Vorpommern haben wir sehr gute Erfahrungen mit den fünf „Regionalzentren für Demokratie und Toleranz“ gemacht. Sie verteilen sich auf die Regionen, so dass die Ansprechpartner sehr nah an den Problemen sind, die die Menschen in den Städten und Dörfern bedrängen.

Weil die Sache vielschichtig ist, dürfen wir bei Angeboten zur Bekämpfung von Rechtsextremismus keine Abstriche machen. Wohlgemerkt: Wir wollen sie nicht aus Prinzip unter Schutz stellen! Nein, wir sollten ständig kontrollieren, ob die Angebote der Sache auch tatsächlich nützen. Wenn wir erkennen, dass sie das nicht tun, müssen wir sie verbessern oder ersetzen.

Nicht hinzunehmen finde ich, was CDU und FDP zu diesem Thema eingefallen ist. Im Koalitionsvertrag wird es unter einem Punkt abgehandelt, der mit dem Satz beginnt: „Um der Verklärung der SED-Diktatur entgegenzuwirken…“ So weit, so merkwürdig. Alarmierend ist der Fakt, dass die „vom Bund geförderten Programme gegen Rechtsextremismus“ zwar fortgeführt werden, aber eine neue Überschrift bekommen: „Extremismusbekämpfungs-Programme“. Unter diese Überschrift passen nach dem Willen von Schwarz-Gelb auch „Linksextremismus“, „Islamismus“ und „Erstellung eines Jahresberichts zur Aufarbeitung der SED-Diktatur“.

Niemand sollte die Bedeutung dieser Themen gering schätzen, auch ich mache das nicht. Aber die entscheidende Frage ist natürlich: Wenn die Aufgaben zunehmen, die aus dem Topf „Extremismusbekämpfungs-Programme“ bezahlt werden, sinken dann die Mittel, die in die Bekämpfung des Rechtsextremismus fließen? Das darf nicht sein! Die Bundesregierung sollte vermeiden, ein derartiges Signal ins Land zu senden!
 
Manuela Schwesig ist Ministerin für Soziales und Gesundheit in Mecklenburg-Vorpommern

 

Foto:sebastian_finsel (Creative Commons)

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Manuela Schwesig