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Am 28. Juni haben die Berliner Landesvorsitzenden von SPD, CDU, Die Linke, Bündnis 90/ Die Grünen und FDP den „Berliner Konsens“ vorgestellt und gemeinsam unterzeichnet. Die Parteien stellen sich gemeinsam gegen Rassismus und Rechtsextremismus und fordern zur demokratischen Wahl auf.
Von Kristina Ditz
„Ich freue mich sehr, dass wir es in der stressigen Wahlkampfzeit geschafft haben, heute hier zusammenzukommen, um diesen Konsens zu unterzeichen. Das ist nicht so selbstverständlich, wie man denkt. Sonst versuchen wir uns im Wahlkampf voneinander abzusetzen. Aber dies ist ein Thema, bei dem wir alle zusammenstehen“, sagte SPD-Landesvorsitzender Michael Müller zum Auftakt der Pressekonferenz und bedankte sich ganz herzlich bei der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR), die die Räumlichkeiten für die Pressekonferenz zur Verfügung gestellt hatte und den „Berliner Konsens“ unterstützt. Der „Berliner Konsens“ sei ein Schritt in die richtige Richtung, so Bianca Klose, Leiterin der MBR: „Der Berliner Konsens ist ein äußerst wichtiges Signal an die Berliner Bürgerinnen und Bürger. Die fünf demokratischen Parteien sind sich trotz parteilicher Differenzen einig in ihrer Ablehnung rechtspopulistischer und rechtsextremer Formationen. Rassistische Stimmungsmache soll im Berliner Wahlkampf keinen Platz haben.“
So einen Konsens hatten die Parteien bereits vor den Wahlen 2006 unterzeichnet. Als die NPD dann nach der Wahl in vier Berliner Bezirksverordnetenversammlungen einzog, half der „Berliner Konsens“ den demokratischen Parteien dabei, Initiativen der NPD in den Gremien geschlossen abzulehnen und öffentlich gegen ihr Vorgehen Stellung zu nehmen. Auch in diesem Wahlkampf und der anschließenden Legislaturperiode geht es den demokratischen Parteien wieder darum, aktiv und öffentlich wirksam ein eindeutiges Zeichen gegen Rechts zu setzen. In acht Punkten erklären sie im Berliner Konsens ihr gemeinsames Vorgehen gegen die NPD und rechtspopulistische Parteien, versprechen gegen Rechtsextremismus und Rassismus in der Gesellschaft vorzugehen und sprechen Opfern rechter und rassistischer Gewalt ihre Solidarität aus.
„Der Rechtspopulismus ist die neue Herausforderung für die Zivilgesellschaft“
Bei der Pressekonferenz betonten die Parteivertreter unterschiedliche Aspekte, die ihnen bei den acht Punkten des Konsens wichtig sind. FDP-Landesvorsitzender Christoph Meyer sprach den sechsten Punkt des Berliner Konsens an, als er sagte, dass es für ihn besonders wichtig sei, dass der NPD an Berliner Schulen und auf Berliner Schulhöfen kein Raum für die Verbreitung ihrer Propaganda gewährt würde. Thomas Heilmann, stellvertretender Landesvertreter der CDU, kam auf Punkt Eins des Konsens zu sprechen, in dem alle Berlinerinnen und Berliner aufgefordert werden, wählen zu gehen, sah die Erfolgsaussichten aber eher skeptisch: „Die Wahlbeteiligung muss hoch sein, nur so lässt sich ein Wahlerfolg der NPD oder rechtspopulistischer Parteien verhindern. Ob ein Einzug dieser Parteien allerdings in allen Bezirken verhindert werden kann, wird sich erst zeigen.“ Klaus Lederer (Die Linke) betonte, wie wichtig es sei, Diskriminierung jeder Art entgegen zu treten. Und er legte großen Wert auf die Basisidee des Konsens, nämlich geschlossen aufzutreten – denn die Spaltung der demokratischen Kräfte, so Lederer, gäbe den rechten Parteien den Nährboden, auf dem sie wachsen könnten. Gerade rechtspopulistische Parteien hätten in der letzten Zeit an Stärke gewonnen, fügte Daniel Wesener von Bündnis 90/Die Grünen hinzu. „Der Rechtspopulismus ist die neue Herausforderung für die Zivilgesellschaft“, sagte er, „im bürgerlichen Mäntelchen daher kommend, versuchen sie die Mitte der Gesellschaft zu erreichen.“ Wesener machte darauf aufmerksam, dass die rechtspopulistische Bürgerbewegung „Pro Deutschland“ für den 30. Juni eine Wahlveranstaltung im BVV-Saal des ehemaligen Rathaus Kreuzberg abhalten wird und rief dazu auf, an der Gegenveranstaltung „Bunt statt Braun“ teilzunehmen.
Brennpunkt Berlin
Besondere Relevanz und Aktualität hatten die Inhalte des Berliner Konsens angesichts der mutmaßlich von Neonazis verübten Brandanschläge auf fünf Berliner Kultur- und Hausprojekte in der Nacht des 26. Juni 2011. Unbekannte legten am „Bandito Rosso“ und dem „Tuntenhaus“ im Prenzlauer Berg Feuer; in Neukölln wurde das Anton-Schmaus-Haus, die größte Berliner Einrichtung der Sozialistischen Jugend Deutschlands - Die Falken, angezündet. Vor dem „Tommy Weisbecker Haus“ in Kreuzberg brannten zwei Autos aus und auch auf den Antifa-Laden „Red Stuff“ wurde ein Brandanschlag versucht. Die Brandanschläge folgten unmittelbar auf eine Reihe von Prügelangriffen auf Berliner NPD-Politiker, weshalb anzunehmen ist, dass es sich bei den Brandanschlägen auf die linken und alternativen Hausprojekte um blinde Racheakte handelt. Bekannt ist inzwischen auch, dass das Neonazi-Netzwerk Nationaler Widerstand Berlin (NW) nach den Übergriffen auf die NPD-Politiker eine Liste online gestellt hat, auf der mehrere der attackierten Häuser genannt wurden – darunter der Aufruf: „bewegt euren Arsch.“
Auf der Pressekonferenz waren sich alle in ihrer Betroffenheit über die Anschläge einig. Klaus Lederer kritisierte die feige Nacht-und-Nebel-Aktion der Neonazis und sprach auch die veröffentlichte Anschlagsliste auf der NW-Seite an. „Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Seite von Sebastian Schmidtke, dem Landesvorsitzenden der Berliner NPD, betrieben wird. Die Berliner Polizei muss mit aller Entschiedenheit in diese Richtung ermitteln.“ Christoph Meyer zeigte sich beunruhigt über die Zunahme an Gewalt in Berlin: „Wir müssen zusehen, dass sich diese Welle der Gewalt nicht weiter hochschaukelt. Gewalt ist nie der richtige Weg, keiner gewinnt dabei.“ Ein Journalist der „Jungen Freiheit“ ließ sich die Frage nicht nehmen, ob denn nicht angesichts der aktuellen Situation auch ein Konsens gegen Linksextremismus ausgemacht werden müsste. „Wir haben nicht das Gefühl, dass es eine Gefahr angesichts linksextremer Parteien in den Parlamenten gibt“, erwiderte Meyer darauf. Daniel Wesener sprach für alle, als er die Pressekonferenz mit den Worten schloss: „Gewalt ist Gewalt – das ist nicht die Frage. Aber heute geht es um einen Konsens gegen Rechtsextremismus und das steht im Vordergrund.“
Umso wichtiger ist es aber, sich gerade auch mit diesem Konsens in die aktuelle Debatte einzumischen. Der Berliner Innensenator Ehrhart Körting sagte im Tagesspiegel zu den Überfällen auf die Neonazis und die drauffolgenden Brandanschläge: „Dieses primitive Volk der Autonomen und Neonazis denkt in Kategorien der Rache.“ Engagierte sowie Bewohnerinnen und Bewohner, auf deren Projekte Anschläge verübt wurden, darf man nicht in einen Topf mit Neonazis werfen. Ein Konsens gegen Rechtsextremismus bedeutet eben auch, Betroffene zu unterstützen. Ihre Angst nach Anschlägen einfach unter der Extremismus-Brille als Kämpfe zwischen verfeindeten Gruppen – oder gar „Völkern“ – abzutun, wird der Problematik nicht gerecht. Auch dazu müssen Parteien sich verhalten.
Foto: v.l.n.r.: Thomas Heilmann (CDU), Christoph Meyer (FDP), Michael Müller (SPD), Klaus Lederer (Die Linke) und Daniel Wesener (Grüne)