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Der Schauspieler Björn Harras, bekannt als Patrick Graf aus der Serie „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“, hat mit seinen Schauspielkollegen einen Kurzfilm gegen Gewalt gemacht. Im MUT-Interview erzählt er, wie es dazu kam.


Mut: Björn, wenn man Dich bei Facebook oder Myspace sucht, findet man auf Deinem Profilbild den Super-Björn, der ein Hakenkreuz zerschmettert. Ist dieser Held das, was Du gerne wärst, oder wie Du Dich selbst siehst?

Harras: Nein, das ist das, was ich nach draußen transportieren möchte, das ist ein Teil des wahren Björns. Ich gebe sehr wenig von mir persönlich preis, von dem was ich privat bin. Aber meine politische Einstellung trage ich gern nach außen.

Mut: Viele Promis machen das ja anders. Die präsentieren gern ihr Privatleben in der Öffentlichkeit, aber gesellschaftliches Engagement steht meist hinten an. Woher kommt es, dass das bei Dir genau umgekehrt ist?

Harras: Weil bei mir erst das politische Engagement da war und dann der Erfolg. Das ist einfach ein Teil meiner Persönlichkeit. Ich bin politisch aktiv, seit ich 16 bin. Ich habe damals die Initiative „Schrei nach Veränderung“ mitgegründet. Die beschäftigte sich mit der Veränderung des Schulsystems in Thüringen, nachdem Robert Steinhäuser 16 Menschen und sich selbst hingerichtet hat. Mir wurde auch angeboten, in den Landtag zu gehen, allerdings habe ich dann mein Studium angefangen.

Mut: Denkst Du manchmal „was wäre wenn ich damals in die Politik gegangen wäre“?

Harras: Ich glaube, ich wäre nicht glücklich, weil ich mich immer gefragt hätte, ob ich nicht in etwas anderem besser gewesen wäre. Ich habe damals den Weg gewählt, eher von außen in die Politik und in die Gesellschaft reinzuarbeiten, weil ich gemerkt habe, dass auch viele Leute politikverdrossen sind.

Mut: Was meinst Du, woran das liegt?


Harras: Das hat ganz verschiedene Ursachen Es fängt bei fehlender Bildung an. Es ist ja nicht so, dass Menschen per se politikverdrossen sind, sondern sie klammern sich aus der Politik aus. Und das ist kein kleiner Teil der Gesellschaft. Das hängt auch mit der Reizüberflutung, zum Beispiel durchs Fernsehen, zusammen. Wobei ich sagen muss, dass das Format, für das ich arbeite, noch zu denen gehört, die auch gesellschaftliche Themen ansprechen. Wir haben zum Beispiel Geschichten über Schwule, und auch über illegale Ausländer in Deutschland. Ich finde das sehr spannend.

Mut: War die Erfahrung, dass man als Seriendarsteller viele Leute erreicht, die einen wahrnehmen, auch der Aufhänger zu Deinem Kurzfilm?

Harras: Eigentlich war das so, dass ich in meiner Badewanne lag und vor mich hingeträumt habe und auf einmal ein Bild im Kopf hatte. Das kam einfach so. Und zwar das Bild vom Superhelden, der es nicht geschafft hat, eine Situation zu klären. Das Bild des gescheiterten Superhelden hat mich einfach total interessiert. Da spielt natürlich meine Vergangenheit und meine politische Einstellung rein. Man hätte den Superhelden ja an allem scheitern lassen können. Man hätte ihn daran scheitern lassen können, dass er eine Katze rettet, das hat aber nicht die gleiche Aussage.

Mut: Es geht ja in dem Kurzfilm darum, dass eine Gruppe Jugendlicher einen Rollstuhlfahrer bedroht.

Harras: Die treiben ihren Schabernack mit einem, der sich nicht wehren kann. Sie schieben ihn rum, bedrohen ihn verbal. Gewalt heißt ja nicht nur, dass du jemanden schlägst, sondern auch, dass du ihm das androhst.

Mut: Was ist der Punkt für den Helden, an dem er aktiv wird?

Harras: Der Punkt ist für den Superhelden sehr früh erreicht, er ist ja von Natur aus hilfsbereit und geht eher dazwischen, als das ein normaler Mensch tun würde. Er geht dann mit seinem Koffer in die Telefonzelle und zieht sich um, er muss ja seine Identität wahren. Allerdings dauert das zu lange, bis es schon fast zu spät ist. Irgendwann kommt dann der Punkt, wo die anderen Leute merken, „Okay, wir müssen jetzt helfen, hier kommt keiner, der hilft. Wir müssen das machen.“ Sie holen sich die Polizei zur Hilfe und zeigen geschlossene Präsenz, das ist auch das Wichtigste. Deshalb: sucht euch Verbündete, sprecht Leute an!

Mut: Leider sieht die Wahrheit nicht immer so aus. Oft ist es so, dass sich niemand findet und einschreitet. Was meinst Du, woran liegt das?

Harras: Angst. Das ist ein gesellschaftlicher Punkt, der Zusammenhalt fehlt einfach. Dazu kommt, dass diese Gesellschaft bewusst Ängste schürt. Man muss sich nur die permanente Überwachung ansehen, den neuen Personalausweis, das erzeugt Ängste. Dazu kommt reißerische Berichterstattung über schlimme Taten, es wird selten gezeigt, was Gutes in der Welt passiert. Da spielen Medien eine starke Rolle.

Mut: Gab es ein konkretes Erlebnis, das Dich auf das Thema gebracht hat? Hast Du von etwas gehört oder selbst erlebt, dass Du gesagt hast: Ich muss da was machen?

Harras: Ich komme ja aus Erfurt und dort gibt es leider auch ein Problem mit Nazis und Gewalt generell. Es gab auch konkrete Situationen, in denen ich vor Nazis wegrennen musste, wo ich auch schon bedroht wurde. Und dann gab es diese Geschichte mit dem älteren Herrn, der in München zu Tode geprügelt wurde. Man hört das auch hier in Berlin immer wieder, dass Leute einfach so in solche Situationen geraten. Deswegen habe ich das auch nicht nur auf Nazis gemünzt, sondern generell auf Gewalt bezogen. Der Rollstuhlfahrer steht dabei symbolisch für alle Menschen, die irgendeine Benachteiligung haben, sei es eine körperliche, eine geistige oder irgendeine andere.

Mut: Das heißt die größte Gefahr siehst Du gar nicht in der Neonazi-Ecke, , sondern eigentlich bei der ganz alltäglichen Diskriminierung?

Harras: Genau! Das müssen nicht immer Nazis sein. Nazis sind noch einmal eine ganz andere Kategorie von Menschen, wo man auch sagen muss, dass sie manchmal gar nichts dafür können. Man muss hier vielmehr Aufklärung betreiben, was ja zum Beispiel die Amadeu Antonio Stiftung macht. Gegengewalt ist nämlich auch keine Lösung.

Mut: Was wäre Deiner Meinung nach ein Lösungsansatz?

Harras: Bildung – Gib den Leuten was zu tun. Das sehe ich immer wieder. Wenn die Leute nichts zu tun haben, kommen sie auf die dümmsten Ideen. Gib den Leuten eine Perspektive. Bei Arbeitslosenquoten von 20 Prozent in der Gegend von Erfurt ist es doch klar, dass die Leute einen Schuldigen suchen. Das ist die Zeit der Rattenfänger. Die jungen Menschen haben ja keine Ahnung und dann kommt da jemand, der ihnen erzählt „Der Ausländer nimmt Dir Deine Arbeit weg.“

Mut: Die Ironie ist ja, dass in den ländlichen Regionen, wo so viele Nazis sind, kaum Menschen mit Migrationshintergrund leben.

Harras: Ist doch klar, dass die Leute dieses Bild haben, wenn man im Fernsehen „den Schwarzen“ immer nur als Täter sieht. Im direkten Umfeld sehen die Leute ja kaum „Ausländer“ und werden mit der Realität gar nicht erst konfrontiert.

Mut: Natürlich kann man Medien schwer in die Verantwortung nehmen, aber denkst Du, dass Medien hier viel mehr machen könnten?

Harras: Absolut! Hier betriebt aber GZSZ zum Beispiel bereits ein hohes Maß an Aufklärung. Zum Beispiel gab es neulich eine Szene, wo Patrick Graf - meine Rolle in GZSZ - jemanden besucht und ein Schwarzer macht ihm die Tür auf. Patrick ist völlig überrumpelt und sagt zu seinem Gastgeber „Sag mal, habt ihr jetzt einen Butler?“. Es wird dann aber klar, dass der Schwarze Deutscher ist, Germanistik studiert und genauso wie die anderen tickt. So kann man mit Vorurteilen ganz klar brechen und die Leute fangen vielleicht an, ihr Bild zu hinterfragen, wenn auch mal so etwas gezeigt wird.

Mut: Du kommst aus Thüringen, wo die NPD nicht gerade schlecht vertreten ist…

Harras: Das stimmt. Ich war bei der letzten Landtagswahl auch in Thüringen und wir haben natürlich gejubelt, als die NPD den Einzug ins Parlament nicht geschafft hat. Aber auch das muss eine Demokratie aushalten. Man muss das nicht tolerieren – Keine Toleranz für Nazis – aber man muss sich bewusst sein, dass es so was gibt und gegensteuern – auf demokratische Art und Weise.

Mut: In Deutschland gab es mehr als 150 Opfer rassistischer Gewalt seit 1990, darunter Migranten, Linke, Obdachlose. Was denkst du bei solchen Zahlen?

Harras: Das schockiert natürlich. Einen Menschen umzubringen, nur weil er anders ist, das ist einfach nicht nachvollziehbar. Jeder einzelne ist zu viel - selbst wenn es nur ein Opfer wäre, wäre das zu viel.

Vielen Dank für das Interview!


Das Interview führte Robert Fähmel

Björn Harras unterstützt die Amadeu Antonio Stiftung