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Laut und bunt – unter diesem Motto feierten und diskutierten 1000 junge Menschen am 1. August im brandenburgischen Havelland bei sommerlicher Hitze gut gelaunt bei einem selbstorganisierten Festival. Mit ausgefeiltem Hygienekonzept, sieben verschiedenen Bands und einem Graffiti-Workshop positionierten sie sich klar für ein vielfältiges und demokratisches Rathenow.
Vor 13 Jahren wurde das Laut und Bunt-Festival von Jugendlichen gegründet, um frischen Wind nach Rathenow zu bringen und ein deutliches Zeichen gegen Rassismus zu setzen. Irgendwann waren viele der Gründungsmitglieder nicht mehr jugendlich, standen im Berufsleben und wohnten nicht mehr in Rathenow. „Die damalige Crew hat dann beschlossen, dass es kein Laut & Bunt mehr geben kann, wenn sich nicht neue junge Leute finden.“, erzählt die 22-jährige Denise Jäkel, die seit mittlerweile vier Jahren das Festival mitorganisiert. Sie hat im Jahr 2016 eine kleine Ausstellung über Geflüchtete in Rathenow beim Laut & Bunt-Festival vorgestellt. „Rathenow ist klein, wenn man sich engagiert, dann kennt man sich. Als ich gefragt wurde, ob ich Interesse habe, das Festival in Zukunft zu organisieren, habe ich sofort meine Freund*innen gefragt. Jetzt findet das Laut & Bunt zum 11. Mal statt.“
Aktiv für Demokratie seit dem 13. Lebensjahr
Denise ist seit ihrem 13. Lebensjahr politisch aktiv – im Kinder- und Jugendparlament und bei Laut & Bunt. Sie ist überzeugt von Veränderungen auf lokaler Ebene. „Uns wird in der Schule erklärt, wie das politische System Deutschland und Europas funktioniert, aber was passieren muss, damit der Spielplatz gegenüber saniert wird, das sagt einem keiner.“ So eine Sanierung hat sie dann im Kinder- und Jugendparlament mit angestoßen.
„Wir machen alles selber“
Die Engagierten, die das Festival organisieren, sind zwischen 17 und 26 Jahre alt. „Wir machen alles selber“, betont Denise. Und was sie alles machen – Bands auswählen, Gagen verhandeln, Absprachen mit dem Ordnungsamt treffen, Förderanträge schreiben und das Backstage-Catering kochen. 360 Bands haben sich dieses Jahr beworben. Nach einer aufwändigen Sichtung aller Bewerbungen und einer Vorauswahl von 50 Bewerbungen durch die Musik-AG des Orga-Teams, entschieden alle Aktiven gemeinsam und demokratisch, welche Bands sie einladen wollen.
Feiern trotz Corona – mit Umsicht und Sprühkreide
„Corona hat uns erstmal schon etwas ausgebremst,“ erklärt Denise. Die Unklarheit zu Beginn der Pandemie, ob in diesem Jahr überhaupt Veranstaltungen mit vielen Menschen stattfinden können, musste ausgehalten werden. Aufgrund der Quarantänebestimmungen schaffte es ein russisches Bandmitglied einer estnischen Band nicht rechtzeitig zum Festivaltermin, die Band konnte deswegen dieses Jahr nicht auftreten. Das Orga-Team hatte außerdem ursprünglich vor, kreative Schüler*innen aus benachbarten Schulen zu ermutigen, sich mit Plakaten zum Thema „Hass-im-Kopf“ beim Laut & Bunt-Festival einzubringen. Um die Verbreitung der Pandemie zu verhindern, schlossen im März die Schulen und es war nicht mehr möglich, die Schüler*innen über Aushänge zu erreichen.
Doch das Festival konnte stattfinden. Die Jugendinitiative hat ein ausgefeiltes Hygienekonzept vorgelegt, Gesundheitsamt und Ordnungsamt haben das Event genehmigt. Es gab Sprühkreide-Kreise auf dem Boden, die ermöglichen, zu tanzen und gleichzeitig Abstand zu wahren. An Orten, wo lange Schlangen entstehen, zierten 1,5-Meter-Markierungen den Boden. Und es gab eine Ein-Wege-Regelung wie im Supermarkt – man darf also an einigen Stellen nur in eine Richtung gehen.
„Unsere Förderanträge haben wir glücklicherweise rechtzeitig gestellt, sodass sie trotz Corona bewilligt werden konnten.“ erklärt Denise. Für die Hass-im-Kopf-Aktion haben die Engagierten drei bekanntere Künstlerinnen, u.a. die Bloggerin erzählmirnix, gewinnen können, die sich mit dem Thema Hass beschäftigen und den Jugendlichen erlaubt haben, ihre Kunstwerke auf A1-Plakaten auszustellen. Die Plakate sollen nach dem Festival auf Wanderschaft durch Schulen in der Umgebung gehen.
Mit bunter Farbe gegen braune Parolen
Dem Motto Laut & Bunt wird das Festival auch dieses Jahr gerecht. Mit einer vielfältigen Auswahl an Bands von Metalcore, über Stonerrock und HipHop zu Reaggae stellten die Jugendlichen sicher, dass für alle Musikgeschmäcker etwas dabei ist. Und beim Workshop „Mit bunter Farbe gegen braune Parolen“ zeigte die langjährige Aktivistin Irmela Mensah-Schramm den Teilnehmer*innen, wie aus verfassungsfeindlichen rechtsextremen Symbolen mithilfe von Sprühdosen positive Botschaften und Kunst entstehen können.
Störungen durch Rechtsextreme auf dem Festivalgelände gab es nicht – doch ganz unter dem rechtsextremen Radar läuft das Festival auch nicht. Das Bewerbungsformular für die Bands wurde vor kurzem mit rechtsextremen Kommentaren zugespammt. Und im Jahr 2018 stellte ein Mitglied der Stadtverordnetenversammlung, der Vorsitzender des bis 2019 aktiven rechtsextremen „Bürgerbündnis Havelland“ war, im Rathaus eine Anfrage zur Finanzierung des Festivals.
Bilanz? Super, wie immer!
„Auch diesmal lief wieder alles super,“ berichtet Denise. „Das Wetter ist jedes Jahr gut, sobald die erste Band auftritt, verziehen sich die Regenwolken.“ 1000 Menschen haben über den Tag verteilt gefeiert und sich an die Abstände gehalten. Und das Orga-Team hat sogar drei neue Crew-Mitglieder gewinnen können. Einem bunten und lauten Festival 2021 steht also nichts im Weg.