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Ein Projekt des Magazins stern und der Amadeu Antonio Stiftung
Soll am 28.3. der NPD-Bundesparteitag hier stattfinden? Schon am 7.2.2009 wurde befürchtet, dass die NPD im Thüringischen Pößneck einen Landesparteitag abhalten will - im Schützenhaus (Foto), das dem Hamburger NPD-Chef Jürgen Rieger gehört. Das örtliche Aktionsbündnis Courage (ABC) machte dagegen mobil. Die stern-Aktion Mut gegen rechte Gewalt und die Amadeu Antonio Stiftung unterstützen die Arbeit der Initiative. Was kommt in Thüringens Superwahljahr(mit insgesamt vier Wahlen) auf das ABC zu? Ein Interview mit ABC-Mitgründer Sebastian Klauder.
Von Jan Schwab
MUT: Das Aktionsbündnis Courage hat sich 2005 spontan in Pößneck gegründet, nachdem Rechtsextremisten deutlich machten, dass sie das örtliche Schützenhaus (siehe Foto) in einen „Nationalen Treffpunkt“ verwandeln. Wie sieht die Situation heute aus?
Sebastian Klauder: Nach wie vor ist das Schützenhaus im Besitz von Jürgen Riegers Wilhelm-Tietjen-Stiftung. Nachdem die Stadt Pößneck nun mehrere Gerichtsinstanzen durch hatte, konnte auf rechtlicher Seite nicht erreicht werden, Rieger das Haus zu entziehen. Die Stadt Pößneck hätte ihr Vorkaufsrecht wahrgenommen, nun kommt es leider nicht mehr dazu. Allerdings hat sich dadurch nichts an unserem Widerstand geändert, im Gegenteil. Mit finanzieller Hilfe durch den Lokalen Aktionsplan LAP wird die Stadt Pößneck im Frühjahr 2009 beispielsweise eine "Toleranz-Grenze" um das Schützenhaus ziehen. Ähnlich wie Verkehrsschilder bilden sie mit künstlerischem Inhalt, der öffentlich ausgeschrieben wurde, eine für den Bürger sichtbare Grenze.
Ihr habt euch zum Ziel gesetzt, die Pößnecker Bürgerinnen und Bürger über die Gefahren des Rechtsextremismus aufzuklären und demokratische Gegenangebote zu schaffen. Wird das Problem von den Bürgern inzwischen als solches wahrgenommen, oder wird größtenteils immer noch verdrängt?
Dadurch, dass vom Schützenhaus so gut wie keine Aktivität ausgeht, sind das bürgerliche Interesse und die Sorge dem entsprechend gering. Doch die vorhandene Nazi-Szene, die wir vor Ort haben, versteht es gut, sich zu "verkaufen". Pößneck ist geprägt vom demografischen Wandel; die Bürgerinnen und Bürger haben oft andere Probleme. Auch ist die Politikverdrossenheit, insbesondere unter Jugendlichen, extrem hoch, so dass es allgemein immer schwer ist, mit Themen wie Demokratie, Zivilcourage oder Politik im allgemeinen das Interesse zu wecken.
Im August 2009 wird in Thüringen gewählt. Wie schätzt ihr die Chancen der NPD ein, in den Landtag einzuziehen?
Genau kann man das nicht sagen. Mir persönlich bereiten die Nichtwähler große Sorgen, immer noch nehmen zu wenige Menschen ihr Wahlrecht wahr. Leider schafft es die NPD, immer mehr Menschen für ihre Ziele zu gewinnen. Zum jetzigen Zeitpunkt können auch wir uns nur überraschen lassen. Ich glaube, dass die NPD in unserer Region verstärkt Wahlkampf betreiben wird und diesen auf harter Linie durchzieht. Daran wird man vielleicht schon eine grobe Wahlentwicklung ablesen können.
Laut einer Studie sind 15 Prozent der Thüringer Bevölkerung rechtsextrem eingestellt, rechtsextreme Gewalttaten nehmen zu. Dennoch lehnt die Landesregierung ein eigenes Programm gegen Rechtsextremismus ab. Was ist eurer Meinung nach nötig, um Thüringen wachzurütteln?
Das ist eine gute Frage. Die jetzige Regierung hat es in der Tat bislang nicht für nötig gehalten, ein eigenes Programm auf den Weg zu bringen. Eine parlamentarische Diskussion diesbezüglich habe ich persönlich im Landtag verfolgt und war größtenteils enttäuscht. Wenn schon einmal ein solch wichtiges Thema auf die Tagesordnung kommt und dann manche Abgeordnete diese Zeit dazu nutzen, Zeitung zu lesen, muss ich mich als Bürger und als Engagierter der Zivilgesellschaft wirklich an den Kopf greifen. Thüringen wachrütteln: Dazu wird einiges nötig sein, vielleicht auch ein Regierungswechsel.
Ihr habt Konzerte gegen Rechtsextremismus organisiert, Ausstellungen zur NS-Zeit und zum Jüdischen Leben in Pößneck gemacht, Filme über rechtsextreme Gewalt gezeigt und darüber mit Jugendlichen diskutiert. Was sind eure aktuellsten Projekte und Aktionen sowie Vorhaben für die nähere Zukunft?
Verstärkt diskutieren und beobachten wir gerade das Verhalten der Rechtsextremen im Wahljahr 2009. Wir wollen in diesem Jahr präventiv mit Projekten gegen die NPD-Wahlpropaganda vorgehen. Im letzten Jahr haben wir erstmals in Pößneck Stolpersteine verlegt. Dieses Projekt wollen wir in Zukunft jährlich für alle ehemals in Pößneck ansässigen Juden, welche durch das Naziregime zu Tode kamen, realisieren. Auch bilden Mitglieder des ABC das "Mobile Team", kurz MoT. Dieses Team geht bereits seit 2006 in Schulen und Jugendeinrichtungen und bietet dort Zivilcouragetrainigs und Seminare über Rechtsextremismus an.
Was stimmt euch in eurer Arbeit positiv?
Wir bewegen uns in einem thematischen Gesellschaftsbild, welches leider nicht oft Erfolgserlebnisse zulässt. Allerdings gibt es viele Dinge, die uns in unserer Arbeit motivieren, unterstützen und uns dazu bringen, weiterzumachen. Das sind zum Beispiel Gespräche mit Zeitzeugen oder erfolgreich durchgeführte Projekte mit vielen Besuchern. Und das Wissen, dass man in Deutschland nicht allein mit dieser Arbeit ist!
Was wurde für den Fall eines NPD-Parteitags im Schützenhaus geplant?
Wir hatten mit mehreren Bündnispartnern eine Kundgebung unter dem Motto angemeldet "Diese Stadt hat Nazis satt", um ab 9 Uhr NPD-Gäste mit Transparenten, Redebeiträgen und allerlei kreativen Aktionsformen einen gebührenden Empfang zu bereiten. "Fünf vor zwölf" wurde dann eine einstündige Mahnwache auf dem Marktplatz angesetzt, die von allen demokratischen Parteien, der Kirche und Vereinen hier vor Ort getragen worden wäre - einem Netzwerk, auf das man sich inzwischen verlassen kann. Aber die NPD ist dann nach Kirchheim ausgewichen.
Mehr über das Aktionsbündnis Courage: www.abc-poessneck.de
www.mut-gegen-rechte-gewalt.de / Foto: Kulick /