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„Immer währende Auseinandersetzung“


Schleswig-Holstein. Damit verbinden viele wunderschöne Landschaften und eine deftige, köstliche Küche. Doch auch hier gibt es Rassismus, Neonazis und Antisemitismus. Aber zwei Gemeinden lassen sich den braunen Spuk nicht gefallen.

von Luisa Wingerter

Schleswig Holstein liegt im Westen Deutschlands. Rassismus, Neonazismus und Antisemitismus sind häufig nur als Probleme im Osten bekannt. Doch aktuelle Geschehnisse sprechen eine andere Sprache. In Schleswig-Holstein sind seit 1990 mindestens 17 Menschen aus neonazistischen und rassistischen Gründen ermordet worden. Das Bundesland liegt sogar noch vor Sachsen, welches offiziell zwölf Opfer meldete. Außerdem gibt es immer wieder Übergriffe, Schmierereien und Drohungen gegenüber Gegnerinnen und Gegnern der NPD und den rechten Gruppierungen.

Der Ungeist kehrt wieder

Die Stadt Kellinghusen zeichnet sich durch eine lebhafte Vereinsstruktur aus. Doch auch hier flammt die Neonazi-Szene immer wieder auf. Die Broschüre „Der Ungeist kehrt wieder – Eine Stadt wehrt sich gegen ihre rechtsextreme Szene“, entstand als Abschluss des Beratungsprozesses zwischen dem Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus Schleswig Holstein und dem Kriminalpräventivrat der Stadt Kellinghusen. Die Dokumentation weist auf die vergangenen sowie aktuellen Vorfälle und die Maßnahmen gegen die Neonazis in der Stadt hin. Im Jahr 2007 kam es auf einem Schulgelände immer wieder zu neuen Hakenkreuzschmierereien. Ein Jahr später ordneten die Schülerinnen und Schüler sogar die Tische in den Klassenzimmern zu Hakenkreuzen an und erhoben den Arm auf dem Schulhof zum Hitlergruß. Diese Vorfälle ließen das Kollegium handeln; die Lehrerinnen und Lehrer wollten nicht länger zusehen. So auch der Lehrer Vietzen, dem die Auseinandersetzung mit diesem Thema zu einem Verhängnis wurde. Etliche brutale Drohungen, Schmierereien und Gegenstände, die gegen das Wohnhaus des Lehrers flogen, sollten ihn einschüchtern. Selbst in der Stadt wurden Polizeiautos, Krankenwagen und Straßenschilder regelmäßig mit eindeutigen Aufklebern beklebt. Es kam sogar zu einem Brandanschlag auf das Polizeigebäude. Doch Vietzen war nicht alleine. An der Schule fand ein Projekttag gegen Rechts statt, das Kollegium und die Polizei standen hinter ihm. Es folgten Hausdurchsuchungen, bei welchen die Aufkleber, die überall verteilt wurden, gefunden wurden. Die Polizei fand außerdem Fotos, die die meisten Aktivitäten und Zerstörungen der rechten Jugendlichen eindeutig bewiesen. Nach den ersten Ermittlungserfolgen der Polizei kehrte vorerst wieder Ruhe ein.

Gegenwind in Ratzeburg

Auch in der Stadt Ratzeburg sind die Aktivitäten der Neonazis ein andauerndes Problem. Lange Zeit war das Wohnprojekt der stadtbekannten Neonazis ein besorgniserregendes Thema. Doch in letzter Zeit wurde es immer ruhiger um das Haus. Die Mitbewohner und Mitbewohnerinnen haben sich zerstritten, einige sind sogar weggezogen. Anfangs glaubte man, wenn das Neonazi-Haus immer mehr an Bedeutung verliert, verschwindet auch die Szene. Aber weit gefehlt: Die Nationale Sozialisten Offensive Herzogtum Lauenburg (NASO – LB) treibt weiter ihr Unwesen. Es gibt regionale Verbindungen, welche unter anderem durch die aktuellen Artikel auf der Internetseite der NASO-LB zu erkennen sind. Beispielsweise wird für den Trauermarsch in Lübeck am 26. März mobilisiert und nach der Durchsuchung der Wohnung des NPD-Funktionär Sven Krüger in Jamel erschien kurze Zeit später ein Artikel auf der Webseite. Am Anfang des Jahres gab es erneute Klebe- und Sprayaktionen der Szene, berichtet Mark Sauer, Geschäftsführer des Ratzeburger Bündnisses gegen Rechts. Die Nazis bezeichnen sogar den Ratzeburger Marktplatz als national befreite Zone. Doch trotz alle dem scheint eines für Mark Sauer sehr wichtig zu sein: „Man sollte nicht den Eindruck gewinnen, dass hier in Ratzeburg sehr viele Nazis aktiv sind und die Bewohner Angst haben müssen. Natürlich sind sie hier ein Problem, aber es gibt von der Bevölkerung einen starken Gegenwind. Die Nazis wissen das und haben es sehr schwer.“ Der Bürgermeister und die Pröpste tragen das Thema in die bürgerlichen Schichten der Stadt. So setzt sich die Mehrheit mit dem Thema auseinander und wird aktiv, sobald es neue Aktivitäten der Szene gibt. Vor allem das Ratzeburger Bündnis gegen Rechts versucht, auf junge Menschen einzuwirken und mit Schulen und Jugendgruppen zu kooperieren. „Wir wollen die jungen Menschen stärken und aufklären, bevor die Nazis auf sie zugehen“, berichtet der Geschäftsführer des Bündnisses. Ein großer Erfolg war im vergangen Jahr die Ausstellung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Ratzeburg. Das Bündnis konnte öffentlich auf die konkreten Gefahren der Neonazi-Szene aufmerksam machen und Jugendliche vor Ort zu einer Diskussion und Auseinandersetzung mit dem Thema einladen. Des Weiteren gibt es ein mobiles Demokratietheater. Den Schülerinnen und Schülern wird im Rahmen der Durch- und Vorführung eines Theaterstückes Demokratie greifbar gemacht. „Ich übe Demokratie und ich erfahre Demokratie“, erzählt Sauer. Die Schülerinnen und Schüler lernen, was Demokratie eigentlich bedeutet und wie wichtig sie für uns alle ist.

Eines ist klar, wenn man sich die beiden Städte in Schleswig-Holstein näher anschaut: Aktive Neonazis gibt es auch hier. Was aber viel mehr zählt, sind die Bürgerinnen und Bürger die nicht wegschauen, sondern gemeinsam gegen die rechten Aktivitäten vorgehen. Dem Lehrer Vietzen wurde bereits bewusst „Die Auseinandersetzung könne nur eine immerwährende sein“. Dies sollte nun auch der Rest der Bevölkerung verstehen.
 
Foto: Trürgerische Idylle in Kellinghusen? Jürgen Müllerchen, Wikipedia, cc

Im Norden viel Neues

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Kellinghusen