Die Aufregung um einen erneuten Hotel-Kaufversuch der rechtsextremen Szene im ostfriesischen Wittmund gab den letzten Anstoß: Dort gründeten Mitglieder des Rates der Stadt und der Gewerkschaften gestern das "Bündnis gegen Rechtsradikalismus". Denn auch wenn das Hotel jetzt kein Schulungszentrum wird: Zu tun gibt es genug.
Von Simone Rafael
Im August 2007 hatte Wittmund in Ostfriesland schlechte Presse: Der Besitzer eines alten Hotels im Ort hatte angeblich Kontakt zum rechtsextremen Anwalt und Schulungszentrums-Betreiber Jürgen Rieger aufgenommen, um den alten Bau zu verkaufen. Der Besitzer machte allerdings einen Rückzieher, als er den Gegenwind aus Presse und Öffentlichkeit spürte. Einigen Wittmundern war das allerdings noch nicht genug Gegenwind gegen den lokalen Rechtsextremismus und die NPD: Sie gründeten am Donnerstagabend das „Bündnis gegen Rechtsradikalismus“.
Heinz Buss sind die Rechtsextremen im Landkreis Wittmund schon lange ein Dorn im Auge. Der Fraktionsvorsitzende der SPD im Kreistag berichtet von anhaltenden rechtsextremen Aktivitäten in Wittmund und im Harlingerland. Schon immer und ohne großen Widerstand habe es eine bekannte Gruppe Rechtsextremer gegeben, berichtet er. Doch seit Februar diesen Jahres mehren sich die Aktivitäten der Neonazis aus dem Umfeld der NPD-Jugendorganisation JN und der Kameradschaft „Autonome Nationalisten Ostfriesland“. In einem Dorfgemeinschaftshaus des Landkreises wurde ein Kameradschaftstreffen abgehalten. Dann meldete sich die NPD in einem Gasthaus zum Landesparteitag an – unter dem Namen der SPD. Der Gastwirt, dem die örtliche SPD gut bekannt ist, schloss spontan sein Lokal, als er sah, wer ihm da ins Haus kam, so dass der Landesparteitag nach Oldenburg ausweichen musste. „Immerhin haben wir eine aktive Antifa, die gegen solche Treffen Gegendemonstrationen organisiert, das ist klasse“, sagt Buss, „aber ansonsten reagierten die meisten Mitbürger sehr ruhig.“
Deshalb setzt jetzt der Rat von Wittmund ein Zeichen: Vertreter aller Parteien im Rat der Stadt Wittmund, das sind CDU, SPD, BFB (Wählervereinigung Bürger für Bürger), FDP und Bündnis 90 / Die Grünen, Vertreter des Gewerkschaftsbundes und der Arbeiterwohlfahrt gründeten am Donnerstag, den 09. August, das „Bündnis gegen Rechtsradikalismus“.
Edeltraut Coordes, Ver.di-Vorsitzende des Wittmunder Ortsvereins, hat das Bündnis mit initiiert und freut sich, dass es nun gegründet wurde. „Als die Nachricht vom drohenden Hotelverkauf umging, waren alle sehr entsetzt“, sagt sie, „aber genauso schnell haben sich alle wieder zurückgelehnt, als die Gefahr gebannt war. Dabei ist das Problem hier trotzdem akut.“ Das „Bündnis gegen Rechtsradikalismus“ hat für sie deshalb vor allem einen Aufgabenbereich: Sensibilisieren, aufklären, aufmerksam machen. „Ich glaube, hier ist so wenig gegen Rechtsextremismus passiert, weil er bisher wenig wahrgenommen wurde“, sagt Coordes, „wir haben alle Aufklärungsbedarf.“ Den will das Bündnis decken, indem es Ausstellungen zum Thema nach Wittmund holen möchte, über versteckte Nazisymbole informieren, auf einer interkulturellen Woche im September Präsenz zeigen.
Besonders wünschen sich die bisherigen Mitglieder des „Bündnisses für Rechtsradikalismus“ noch mehr Mitglieder mit noch mehr Ideen. „Nach der Sommerpause werden wir versuchen, das örtliche Jugendzentrum, die Schulen, aber auch Vereine und Organisationen zur Mitarbeit zu bewegen“, sagt Coordes, „damit das Bündnis breiten Rückhalt in der Bevölkerung hat.“ Denn solange die örtliche Kameradschaft existiert und führende Kader der NPD Ostfriesland in Wittmund wohnen und Propaganda betreiben, finden die Mitglieder des Bündnisses, bleibt genug zu tun. „Und nach Möglichkeit“, sagt Edeltraut Coordes, „wollen wir agieren, nicht reagieren.“ Heinz Buss sieht positiv in die Zukunft: „Ich finde es großartig, dass die Parteien des Rates ein deutliches Zeichen setzen und geschlossen zum Bündnis für Rechtsradikalismus gehören und hoffe auf viele gute Aktionen.“
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www.mut-gegen-rechte-gewalt.de - 10.08.2007