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Die „Mitte“ mutig machen


Was planen Initiativen und Projekte für das Jahr 2011? Was ist ihnen besonders wichtig? Mut gegen rechte Gewalt fragte nach – unter anderem bei Bürger.Courage aus Dresden.


Von Sven Braune, Bürger.Courage

Rechtsextremismus ist dort stark, wo Zivilgesellschaft und demokratische Kultur schwach sind. Das trifft auf Sachsen in besonderem Maße zu. Rechtsextrem motivierte Gewalt ist hier im Vergleich zu anderen Bundesländern besonders hoch, neonazistische Strukturen sind vor allem im ländlichen Raum nach wie vor fest verankert, fremdenfeindliches und autoritäres Denken in allen gesellschaftlichen Schichten verbreitet. Vor allem aber gibt es noch immer zu wenige Bürgerinnen und Bürger, die diesen bedenklichen Tatsachen durch eigenes Engagement etwas entgegensetzen.

In den öffentlichen Fokus rücken

Seit der Gründung im Jahr 2005 organisiert die ehrenamtliche Dresdner Initiative Bürger.Courage deswegen Projekte gegen Rechtsextremismus und für Demokratie. Häufig setzt sie dabei auf eine provokante Symbolik, so wie bei der 2010 gelaufenen Kunstaktion „18 Stiche“. Insgesamt 18 stilisierte Betonmesser, verteilt über das Dresdner Stadtgebiet, erinnerten an Marwa El-Sherbini, die 2009 im Dresdner Landgericht aus rassistischen Motiven mit 18 Messerstichen ermordet wurde. Gleichzeitig mahnte die bundesweit und international beachtete Aktion einen bestehenden Alltagsrassismus an, was vor allem in Dresden selbst kontrovers diskutiert wurde. Neben vielen positiven Reaktionen kam auch dieses Mal der an Bürger.Courage und andere zivilgesellschaftliche Anti-Rechts-Initiativen häufig geäußert Einwand auf, die Aktion „übertreibe“, wolle Dresden und Sachsen in ein schlechtes Licht rücken. Solche „Nestbeschmutzer“-Vorwürfe sind in den letzten fünf Jahren jedoch merklich zurückgegangen. Letztlich ist es mittels solcher öffentlicher Kunst- und Kulturaktionen wiederholt gelungen, Themen in den öffentlichen Fokus zu rücken, die sonst eher Randnotiz bleiben würden oder allenfalls in Sonntagsreden und Podiumsdiskussionen eine Rolle spielen.

Es geht uns alle an

Öffentlich wahrgenommen zu werden, ist für Bürger.Courage aber kein Selbstzweck. Vielmehr sollen dadurch mehr Menschen zum persönlichen Engagement für Demokratie ermutigt werden, gerade auch diejenigen, die sich vielleicht selbst als „unpolitisch“ bezeichnen würden, eher nicht zu Podiumsdiskussionen gehen und auch nicht parteilich aktiv sind. Die Botschaft: Wenn es der Demokratie „ans Leder“ geht, wenn menschenfeindliche Denk- und Handlungsweisen die Grund- und Menschenrechte infrage stellen, geht uns das irgendwie alle an.

Latente Aushöhlung demokratischer Prinzipien

Fünf Jahre nach der Gründung hat sich an Ansatz und Ziel von Bürger.Courage nichts geändert, wenngleich sich das Themenspektrum mit neu hinzugekommenen Engagierten und Ideen immer mehr erweitert hat und die Aktionsformen vielfältiger geworden sind. Ging es 2005 – die NPD war wenige Monate zuvor mit 9,2 Prozent triumphierend in den Landtag eingezogen – und in den Folgejahren häufig noch darum, eine grundlegende Aufmerksamkeit gegenüber dem Problem des Neonazismus zu erzeugen, widmet sich Bürger.Courage heute noch stärker der eher latenten und schleichenden Aushöhlung demokratischer Prinzipien. Besonders im überall in Europa erstarkten Rechtspopulismus sieht die Initiative eine reale Gefahr für demokratische Kultur. Auch in Deutschland. Allein dass sich 2010 ein Buch 1,4 millionenfach verkaufte, dessen zentrale Grundthese auf genetische Vererbungstheorien des 20. Jahrhunderts zurückgreift und Menschen in „nützliche“ und „nicht nützliche Menschen“ unterteilt, erscheint höchst bedenklich.

Bürger.Courage will daher 2011 schwerpunktmäßig versuchen, die spezifischen Eigenarten des (neuen) rechtspopulistischen Diskurses in der Bevölkerung zu thematisieren und verständlich zu machen. Mit Fakten, aber auch durch die Darstellung von individuellen Schicksalen und Geschichten wird die rechtspopulistische Freund-Feind-Dogmatik hinterfragt und dekonstruiert.

Der Smartmob „Mauern“ wird im Frühjahr 2011 an die verheerende Situation von Flüchtlingen an und in den „Mauern Europas“ erinnern, um ins Bewusstsein zu rufen, dass Menschenwürde auch für diejenigen gilt, die von Rechtspopulisten gerne als „Sozialschmarotzer“ verunglimpft werden. Dazu werden Teile der historischen Dresdner Innenstadt für wenige Stunden mit stilisierten Mauerstücken „zugemauert“.

Neue Projekte


Anlässlich des anstehenden Jubiläums der Städtepartnerschaft Dresden - Sankt Petersburg will die Initiative zudem über den Umgang mit Rechtsextremismus in beiden Städten informieren und öffentlich diskutieren. Russland ist ein abschreckendes Beispiel dafür, wie wenig sich vermeintlich „lupenreine Demokraten“ gegen Neonazismus, Nationalismus und Rassismus einsetzen und die Opfer verbaler und immer stärkerer physischer Gewalt allein lassen.

In einem anderen Projekt soll mit dem altbekannten Motiv der Schubladen (siehe etwa Ausstellung im Jüdischen Museum in Berlin) eine Installation zum Thema Alltagsrassismus den Dresdnern „in den Weg gestellt werden“. Die Orte werden so gewählt, dass Dresdnerinnen und Dresdner an Kommoden vorbeiflanieren und sich Inhalte der Schubladen anschauen können. Dabei soll nicht nur Wissen vermittelt werden, sondern auch zum Nachdenken über die Ähnlichkeit von Wünschen und Hoffnungen von Menschen mit unterschiedlichem gesellschaftlichen und kulturellen Hintergrund angeregt werden.

Diese Aktionen stehen nur beispielhaft für viele Projekte, die Bürger.Courage e.V. im Jahr 2011 umsetzen will. Wer sich hier engagieren und eigene Ideen einbringen will oder die rein ehrenamtliche Arbeit der Dresdner Initiative anderweitig unterstützen möchte, bekommt auf der Website www.buerger-courage.de wichtige Informationen und Kontaktmöglichkeiten.

Foto: Bürger.Courage
 

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