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Aus Grau wird Bunt: Leipziger Jugendliche engagieren sich gegen Neonazis

Mitglieder des Leipziger Vereins "Bunte Platte" bei der Verleihung des Sächsischen Förderpreises für Demokratie 2008 (mit Vertreterinnen der Freudenberg Stiftung und der Amadeu Antonio Stiftung) (Foto: F. Kopetzky)


Der Verein „Bunte Platte“ aus Leipzig-Grünau will nicht länger hinnehmen, dass Neonazis den Ton im Stadtteil angeben. Entstehen soll ein bunter Treffpunkt für demokratisch orientierte Jugendliche. Dieses Engagement wurde 2008 durch den Sächsischen Förderpreis für Demokratie belohnt.

Von Jan Schwab


Marcus Freimann könnte mit seinen extrem kurzen Haaren auch als ein Sympathisant der rechten Szene durchgehen. Wer sich aber mit ihm unterhält, merkt schnell, auf welcher Seite der junge Mann steht: ihm stinkt gewaltig, dass es in seinem Stadtteil zu viele Neonazis gibt. Schon seit einigen Jahren versuchen Rechtsextreme in Leipzig-Grünau, all diejenigen einzuschüchtern, die keinen braunen Stadtteil wollen, sondern einen bunten.

Der 23-Jährige Marcus Freimann ist Vorsitzender des Vereins „Bunte Platte“. Der Vereinsname gibt bereits Aufschluss über den Stadtteil, in dem eine Handvoll junger Leute vor fast zehn Jahren anfing, sich Gedanken darüber zu machen, wie sie den Neonazis am besten Paroli bieten könnten. In Grünau reiht sich ein DDR-Plattenbau an den anderen, alles ist hier grau in grau. Damit aus dem Grau nicht bald Braun wird, möchten die gut 20 jungen Leute, die sich aktiv bei der „Bunten Platte“ engagieren, einen Treffpunkt im Stadtteil etablieren, der für alle Jugendlichen da ist, die sich nicht den Rechten anschließen wollen. „Entscheidend ist, dass wir einen festen Anlaufpunkt einrichten können, wo wir unsere Ideen umsetzen und Gleichgesinnte dafür begeistern können, sich gemeinsam mit uns für demokratische Werte einzusetzen“, erzählt Freimann.

Wer stellt sich den Rechtsextremen entgegen?

„Grünau leidet seit der Wende an einem großen Bevölkerungsverlust“, berichtet Thomas Fabian, dem als Leipziger Bürgermeister für Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule das Engagement von Marcus Freimann und seinen Mitstreitern nicht entgangen ist. „Insbesondere seit Mitte der Neunziger häufen sich im Stadtteil die Probleme mit rechtsextremen Jugendlichen.“ Da sei es umso wichtiger, dass sich Menschen finden, die sich aktiv gegen diese Entwicklung stellen und neue Angebote schaffen, damit die demokratisch orientierten Jugendlichen in Grünau nicht resignieren und wegziehen, sondern bleiben.

Das betont auch Marcus Freimann: „Noch wohnen hier junge Leute, die etwas verändern wollen, aber ich sage ganz bewusst: noch!“ Das könne bald ganz anders aussehen, wenn nicht bald etwas passiere. Denn wenn diejenigen kapitulieren, die keine Neonazis in Grünau wollen, wer stellt sich dem braunen Mainstream dann noch entgegen? Mit dem Preisgeld des Sächsischen Förderpreises für Demokratie, der dem Verein im November 2008 in der Unterkirche der Dresdner Frauenkirche verliehen wurde, sind die Jugendlichen ihrem lang ersehnten Ziel ganz nah gekommen. Jetzt können sie die Räume anmieten und renovieren, die sie für ihren geplanten Treffpunkt so dringend benötigen. Die Stadt Leipzig hatte dem Verein zwar ein Domizil zur Verfügung gestellt, doch die Jugendlichen konnten bislang weder die Kosten für die dringend notwendigen Renovierungsarbeiten noch die Miete aufbringen.

Krumbiegel: "Unterstützen, wo es wirklich brennt!"

Der Sächsische Förderpreis für Demokratie wurde 2008 zum zweiten Mal von der Kulturstiftung Dresden der Dresdner Bank, der Stiftung Frauenkirche, der Freudenberg Stiftung und der Amadeu Antonio Stiftung verliehen. Beworben hatten sich 52 Initiativen und Projekt aus ganz Sachsen. Die Entscheidung, wer aus diesen vielen Bewerbern schließlich einen Preis erhalten solle, sei den Jurymitgliedern nicht leicht gefallen, betonte Sebastian Krumbiegel. Der Sänger der Leipziger „Prinzen“ engagiert sich seit vielen Jahren für Demokratie und hat sich in diesem Jahr erstmals an der Jury für den Sächsischen Förderpreis beteiligt: „Mir war wichtig, dass Projekte mit dringendem Finanzierungsbedarf unterstützt werden, und zwar dort, wo es wirklich brennt, wo eine Region oder ein Stadtteil auf der Kippe steht“.

Die jungen Leute aus Leipzig-Grünau werden einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass sich Hass und Gewalt in ihrem Stadtteil nicht weiter ausbreiten, sondern dass ein lebenswerter, bunter und toleranter Stadtteil entsteht. Marcus Freimann freut sich auf die nächten Wochen, er schmiedet bereits Pläne für eine Eventreihe zum Thema jugendliche Subkulturen: „Wir wollen Experten einladen, die gemeinsam mit uns darüber diskutieren, wie Neonazis die Subkulturen unterwandern und für ihre Zwecke zu instrumentalieren – und was wir konkret dagegen tun können“.

Zum Thema: Aufruhr in Leipzig-Lindenau. NPD bezieht Quartier (Mephisto 21.11.2008)

www.mut-gegen-rechte-gewalt.de

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Mitglieder des Leipziger Vereins "Bunte Platte" bei der Verleihung des Sächsischen Förderpreises für Demokratie 2008 (mit Vertreterinnen der Freudenberg Stiftung und der Amadeu Antonio Stiftung)