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„Aufdecken, dokumentieren und archivieren“


Wie werten Initiativen das Jahr 2010? Was war ihnen besonders wichtig? Und was wünschen sie sich für 2011? Mut gegen rechte Gewalt fragte nach – unter anderem bei a.i.d.a. aus München.


Von a.i.d.a

Am vierten Adventssonntag lädt das überregional bekannte „Tollwood“-Winterfestival zum großen Solidaritätsabend für die „antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München“ (a.i.d.a. e.V.). Wenn „deadline“, die Redaktionsband der Süddeutschen Zeitung, für uns ein Konzert spielt und prominente Personen Texte von und über das a.i.d.a.-Archiv lesen, wird das für uns ein schöner und ermutigender Abschluss des Jahres 2010 sein.

Geschwärzt

Ein Jahr, in dem die Arbeit unseres seit über zwanzig Jahren bestehenden Archivs fast täglich angefragt wurde und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Journalistinnen und Journalisten sowie antifaschistische Initiativen mit Material und Informationen versorgt werden konnten. Ein anstrengendes Jahr, in dem aber auch unsere Fördermitglieder Unterstützenden offensiv in die Öffentlichkeit gingen, und damit die Arbeit von a.i.d.a. absichern halfen. In letzter Gerichtsinstanz waren wir gegen das bayerische Innenministerium erfolgreich, das uns im bayerischen Verfassungsschutzbericht 2008 als „linksextremistisch“ diffamiert hatte, der Bericht musste daraufhin geschwärzt werden.

In Bayern angekommen

Die unsägliche „Extremismus“-Debatte ist mit ihrer Mischung aus wissenschaftlich unhaltbaren „Theorien“ und politischer Böswilligkeit leider auch in Bayern angekommen und erschwert den notwendigen breit getragenen Kampf gegen Neonazis und rechte Ideologien. Zuletzt war das in Niederbayern zu sehen: Auf neonazistische Aktivitäten wird vor Ort zuerst gar nicht reagiert, erst angesichts der Mobilisierung zu einer antifaschistischen Gegendemonstration lädt ein Bürgerbündnis dann zu einem „besinnlichen Konzert gegen Extremismus“ ein und setzt so, bewusst oder unbewusst, wachsame antifaschistische Jugendliche mit den Neonazis gleich.

Erfolgreiche Proteste


2010 war jedoch auch das Jahr großer, erfolgreicher Proteste gegen Neonazis in Bayern: Als ausgerechnet am 8. Mai Neonazis im Münchner Stadtteil Fürstenried der NS-Wehrmacht gedenken wollten, strömten über 4.000 Menschen zu einer erfolgreichen Blockade auf die Straße. Dies gelang auch 300 Antifaschistinnen und Antifaschisten Ende November in Sulzbach-Rosenberg, die einen kurzfristig angemeldeten Aufmarsch des „Freien Netz Süd“ (FNS) verhindern konnten. Mit dem „FNS“, dem unverhohlenen „remake“ der 2004 verbotenen neonazistischen „Fränkischen Aktionsfront“ (FAF), hat sich im Jahr 2010 die bisher größte und aktivste Kameradschaftsstruktur in Bayern etablieren können. In Zusammenarbeit mit großen Teilen des bayerischen NPD-Landesverbands kam es zu Dutzenden Aufmärschen , Konzerten und Störaktionen in fast allen bayerischen Bezirken. Wir haben im Frühsommer aufgedeckt, dass die FNS-Aktivistinnen und Aktivisten zudem im oberfränkischen Oberprex einen Gasthof erworben haben. Einige CSU-Politiker nahmen genau dies Ende 2010 zum Anlass, ein Ende der daraufhin angelaufenen, kommunalen Aktivitäten gegen den Neonazi-Treffpunkt in Oberprex zu fordern. Das Münchner a.i.d.a.-Archiv sei, so meinten sie zu wissen, schließlich „linksextremistisch“.

Andauernde Ignoranz


Mehr als eine solche Provokation erschreckten uns im vergangenen Jahr die vor allem in der Provinz oft andauernde Ignoranz oder gar zunehmende Akzeptanz gegenüber Neonazis. Große Neonazi-Veranstaltungen können mit Wissen der Verantwortlichen im Saal des örtlichen Schützenhauses stattfinden. Neonazistische Immobilienanmietungen oder große Neonazi-Konzerte werden regelmäßig von den Behörden gegenüber der Öffentlichkeit verschwiegen. Bei der 90. (ungestörten) Veranstaltung des sogenannten „Runden Tischs Niederbayern“, dem führende Funktionäre von NPD und Republikanern angehören, traten im November gar Politiker von CSU und FDP als Referenten auf. Die Situation ist gefährlich: Thilo Sarrazins Fans füllten auch in München eine große Halle und die extrem Rechte in Bayern hat spätestens im vergangenen Jahr fast flächendeckend eine sogenannte „Islamkritik“ entdeckt, die so gut wie nichts mit einer Kritik des Islams, aber viel mit antimuslimischem Rassismus zu tun hat.

Solidarische Zusammenarbeit

Wir a.i.d.a.-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden also wohl auch im Jahr 2011 viele neonazistische Aktionen aufdecken, dokumentieren und archivieren müssen. Dass wir dabei weiterhin eine große Unterstützung und eine positive Resonanz auf unsere Arbeit erfahren und dass wir 2011 die solidarische Zusammenarbeit mit allen unseren Kolleginnen und Kollegen sowie Freundinnen und Freunden weiter pflegen können, das wäre unser Wunsch.

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