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Ein Projekt des Magazins stern und der Amadeu Antonio Stiftung
Im niedersächsischen Bad Nenndorf engagiert sich ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis unermüdlich gegen Rechtsextremismus.
Von Carmen Altmeyer
Wer zum ersten Mal im Sommer durch Bad Nenndorf spaziert, wundert sich wahrscheinlich über den allgegenwärtigen Schmuck. Laternenpfähle und Bäume, Sitzgelegenheiten und Zäune sind in dem niedersächsischen Kurort bunt umstrickt. »Durch diese farbenfrohe Gestaltung machen wir den Neonazis klar, dass sie hier unerwünscht sind!«, erklärt Thomas Winkler. Er ist Vorstandsmitglied des Bündnisses »Bad Nenndorf ist bunt«, welches sich mit zahlreichen Aktivitäten gegen Rechtsextremismus engagiert. Dieses Engagement ist in dem kleinen, gerade einmal 10 000 Einwohner zählenden Städtchen besonders vonnöten. Seit 2006 veranstalten Neonazis Demonstrationen in Bad Nenndorf, die sie als »Trauermärsche« bezeichnen.
Ziel der Demonstrationen ist das Wincklerbad, eine ehemalige Kureinrichtung. Diese diente nach dem Zweiten Weltkrieg dem britischen Geheimdienst über mehrere Jahre hinweg als Verhörzentrum, in dem hauptsächlich Nationalsozialisten festgehalten wurden. Die Einrichtung wurde geschlossen, als die Misshandlung und der Tod von mindestens drei Häftlingen ans Licht kam. Anschließend geriet das Wincklerbad jahrzehntelang in Vergessenheit. Erst 2005 wurde eine breitere Öffentlichkeit auf das ehemalige Verhörzentrum aufmerksam. Seitdem marschieren an jedem ersten August-Wochenende Neonazis im Rahmen einer geschichtsrevisionistischen Demonstration durch den Ort. Sie drohen, so lange wiederzukommen, bis das Wincklerbad in ein Foltermuseum umgebaut und Gedenktafeln für die ehemals inhaftierten Nazis aufgestellt werden.
Die Neonazis sind schwer genervt und haben den Mut verloren
In manchen Jahren beteiligten sich mehr als 1000 Rechtsextreme aus dem ganzen Bundesgebiet an den Demonstrationen. Als Reaktion darauf gründeten die entsetzten Anwohner das Bündnis gegen Rechtsextremismus, an dem sich auch Vertreterinnen und Vertreter des DGB, der Kirchen, Schulen und Sportvereine beteiligen. Die Neonazis haben in der Vergangenheit einige Bündnismitglieder mit Drohungen unter Druck gesetzt, diese ließen sich jedoch nicht einschüchtern. Die wichtigste Aktion des Bündnisses ist die alljährliche Gegendemonstration zu dem »Trauermarsch«, welche in diesem Jahr im Rahmen der Aktion Mut gegen rechte Gewalt von der Amadeu Antonio Stiftung finanziell unterstützt wird. »Aufgrund unserer Gegenproteste sind die Neonazis schwer genervt und haben den Mut verloren«, freut sich Winkler. In den letzten Jahren nahm die Zahl der an den Demonstrationen teilnehmenden Nazis nämlich stetig ab.
Um ein Zeichen für mehr Toleranz und Vielfalt zu setzen, veranstalten die Bad Nenndorfer außerdem jedes Jahr ein Kulturfest zusammen mit den verschiedenen Religionsgemeinschaften, organisieren Lesungen und Filmvorführungen und informieren an Schulen über die Gefahren rechtsextremer Ideologien. So hat sich Bad Nenndorf von einem Wallfahrtsort der Rechtsextremen zu einem Ort gelebter demokratischer Kultur entwickelt.