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„Wir sind ein Forum – wir bieten ein Forum“

Buntes Bürgerforum gründet das Bürgerzeitungsprojekt „Rückspiegel“ in Limbach-Oberfrohna.
 
Von Jessica Lütgens

Wenn rechtsextreme Schmierereien kaum Aufmerksamkeit erregen. Wenn Neonazis eine ganze Stadt zu ihrem Hoheitsgebiet erklären - und all jene, die nicht in das rechte Menschenbild passen, mit Gewalt und Einschüchterungen leben müssen. Dann braucht es vor allem Mut, nicht einfach wegzuschauen und aktiv einzustehen. Um diesen zu fördern gründete das Bunte Bürgerforum für Demokratie in Limbach-Oberfrohna das Bürgerzeitungsprojekt „Rückspiegel“. Der Rückspiegel ist ein Bürgerzeitungsprojekt, das in einer Auflage von 3.000 Exemplaren erscheint. Gerade wird die zweite Ausgabe verteilt.

Lange leugneten die Verantwortlichen das Problem

Die öffentliche Diskussion zu prägen, aktiv zu werden, persönliche Geschichten und politische Ermutigung; das sind die Ziele der Zeitungsredaktion in der Bürgerinitiative für Demokratie in Limbach-Oberfrohna. Schon 2011 wurde das Bunte Bürgerforum dafür mit dem Sächsischen Demokratiepreis ausgezeichnet. Und auch zukünftig wird die Amadeu Antonio Stiftung die demokratisch Engagierten vor Ort unterstützen – die Bürgerzeitung ist erst der Anfang. Der Alltag in der großen Kreisstadt im Landkreis Zwickau  ist für demokratisch engagierte Initiativen und Einzelpersonen kein einfacher. Regelmäßig registriert das Sächsische Innenministerium in Limbach-Oberfrohna Straftaten aus dem rechten Spektrum. Seit der Eröffnung 2007 wurde das Büro des befreundeten Vereins „Soziale und Politische Bildungsvereinigung Limbach-Oberfrohna e.V.“ bereits über ein Dutzend Mal Opfer von Neonazi-Übergriffen. Noch sitzt die NPD im Kommunalparlament und kann auch bei den Wahlen 2014 weiter mit Stimmen aus der Bevölkerung rechnen. Immer noch prägen rechte Schmierereien und Einschüchterungsversuche von Rechtsextremen das politische Klima der Stadt – die Zuständigen leugneten lange das Problem mit den Neonazis.

Eine unabhängige Bürgerzeitung stößt auf positive Resonanz

„Der Rückspiegel“ versteht sich selbst als „ Unabhängige Bürgerzeitung“ und fand von Beginn an große Zustimmung. Die gängigen, regionalen Medien berichteten nur sehr zögerlich von Neonazi-Übergriffen und Brandanschlägen – die aktiven Bürger entschieden sich, selbst eine Öffentlichkeit zu schaffen. Davon motiviert plant die Redaktion des Bunten Bürgerforums nun eine vierteljährliche Ausgabe um nachhaltig aktiv zu sein. Dafür wurde der „Rückspiegel“ an zentralen Orten ausgelegt und an Haushalte verteilt, um über regionale rechtsextreme Strukturen und das politische Leben zu informieren. Gerade die persönliche Verteilung bietet sich an, um ins direkte Gespräch mit den Lesern zu kommen und eine „Alternative Bürgerinformation“ anzubieten.

Gerade erschien die zweite Ausgabe mit dem Schwerpunkt „Engagement und Aktionen“ mit vielen Projektvorstellungen und Rückblicken. Die Redaktion hat die Erfahrungen der ersten Ausgabe umgesetzt; die Artikel sind vielfältiger und berichten von mutigen Aktionen vor Ort. Damit setzen sie ein positives Zeichen und motivieren zum Mitmachen. Es finden sich aber auch deutlich kritischere Töne: so setzt sich ein Artikel mit der Abschiebung eines Gründungsmitglieds des Bunten Bürgerforums auseinander. Nach 14 Jahren Aufenthalt in Deutschland wurde der politische Flüchtling 2010 nachts trotz Krebserkrankung in den Iran abgeschoben und verstarb dort kürzlich. Bis zuletzt hatten die Aktiven des Bunten Bürgerforums nicht aufgegeben, ihn zurück nach Deutschland zu holen. Ein Anliegen der zweiten Ausgabe ist es auch weiter junge Menschen zu motivieren sich politisch und demokratisch zu engagieren, trotz des permanenten Linksextremismus-Vorwurfes. Auch die geplanten Stolpersteinverlegungen werden angekündigt. Damit setzen sich die Engagierten vor Ort für würdiges und präsentes Gedenken der Opfer und Verfolgten des Nationalsozialismus ein.

Eine der Initiatorinnen des Zeitungsprojektes ist Iris Raether-Lordieck. Sie ist mit den Reaktionen auf die Zeitung sehr zufrieden: „Bereits die erste Ausgabe fand Beachtung und hat Bürger angesprochen, die wir bislang mit unserer Arbeit gegen Rechts nicht erreichen konnten. In unserer Zeitung geht es um einen bunten Strauß an Themen, die jeder, der etwas auf dem Herzen hat, selbst mit prägen kann. Mit unserem ‚Rückspiegel‘ befinden wir uns auf einem vielversprechenden Weg.“
 
Langfristige Förderung
 
„Wir freuen uns sehr, dass die Amadeu Antonio Stiftung zu den dauerhaften Unterstützern des Projekts zählt. Den Aktiven des Bunten Bürgerforums bleibt Dank der gesicherten Finanzierung umso mehr Zeit, ihre Energie und Engagement für die politische Arbeit und öffentliche Diskussion zu verwenden.“ so Raether-Lordieck.
Neben der Redaktionsarbeit engagiert sich die Bürgerinitiative auch in der Stadtgestaltung: mit der Aktion „Grenzenlos farbenfroh“ übermalten Mitglieder des Bunten Bürgerforums zusammen mit Schülern und Schülerinnen Garagen und Flächen und traten so der rechten Raumergreifungsstrategie durch Neonazi-Parolen entgegen. Zusätzlich dokumentiert das Bunte Bürgerforum rechte Graffitis und organisiert solche Übermalungsaktionen regelmäßig.

© Buntes Bürgerforum